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Wenn Widerstand wirkt: Mekatilili Wa Menza und Sarah Nyendwoha Ntiro

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Foto: Mädchen nahe Hoima, West-Uganda, 1936[1]

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Günther Lanier, Ouagadougou 23.2.2022[2]

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Zwei Frauen stehen bei mir heute im Mittelpunkt: eine Uganderin und eine Kenianerin. Beide waren sie erfolgreich in ihrer Auflehnung gegen die britischen Kolonialherren.

Bekannt sind mir die beiden aus dem dritten, Ostafrika gewidmeten Women Writing Africa-Band – ein Kompendium einer Unzahl kleiner Beiträge mit überaus wertvollem Wissen zu afrikanischen Frauen[3].

Im wirklichen Leben hätten sie sich nicht begegnen können – als Mekatilili Wa Menza 1924, also vor fast hundert Jahren, starb, war Sarah Nyendwoha Ntiro noch nicht geboren, das geschah erst zwei Jahre später, zur Tag-und-Nacht-Gleiche 1926, in Hoima im Westen Ugandas. Eines der vier Mädchen auf dem Foto zu  Beginn des Artikels könnte also durchaus die kleine Sarah sein. Allerdings war sie die Tochter eines LehrerInnen-Paares, war somit wahrscheinlich schon als Kind europäisch gekleidet.

Ab der 5. Klasse Volksschule und bis zu ihrem Sekundarschulabschluss besuchte sie das renommierte King’s College Budo südwestlich von Kampala. Seit 1934 waren in dieser von der Church Missionary Society (britischen Missionaren und Missionarinnen) geführten Schule auch Mädchen zugelassen. 1945 bestand Sarah Nyendwoha Ntiro als eine der ersten sechs Frauen überhaupt die Aufnahmeprüfung ins Makerere College – heute Makerere University. Als einzige Frau inskribierte sie Mathematik – doch der Mathematik-Professor weigerte sich, sie – eine Frau – zu unterrichten. So musste sie auf Geschichte, Geographie und Englisch umsatteln. Nach abgeschlossenem Studium unterrichtete sie an ihrer früheren Schule, dem King’s College Budo, sowie an der Kyebambe Girls’ School, bevor sie 1951 nach Oxford ging, wo sie als erste Ostafrikanerin 1954 ihren Bachelor erhielt.


Senior House, Gayaza High School[4]

Nach Uganda zurückgekehrt, begann sie 1955 an der Gayaza High School zu unterrichten, einer 1905 gegründeten Schule für Mädchen nordöstlich von Kampala. Außer der Hauswirtschaftslehrerin und ihr gab’s im Lehrpersonal keine AfrikanerInnen. Das störte sie nicht weiter, sie kam mit ihren KollegInnen, alle MissionarInnen, gut zurecht.

Etwas anderes war ihr jedoch gründlich zuwider: Sie verdiente um drei Viertel weniger als männliche Kollegen. Das empfand sie als Beleidigung. Unter ihren Kollegen war einer, der mit ihr in Oxford studiert hatte und der einen schlechteren Abschluss als sie vorzuweisen hatte. Es ging ihr ums Prinzip.

Sie diskutierte die Angelegenheit mit ihrer Direktorin, Joan Cox. Sie würde eine Zeit lang unterrichten – da sie für ihre Studien in Großbritannien ein Stipendium erhalten hatte, fühlte sie sich dazu verpflichtet –, würde sich jedoch nicht bezahlen lassen und würde sich nach sechs Monaten einen anderen Job suchen.

Doch so weit sollte es nicht kommen. Den – nach wie vor kolonialen – Autoritäten erschien es wenig opportun, dass die erste und einzige Universitäts-, ja Oxfordabsolventin des Landes und sogar ganz Ostafrikas nicht den Job ausüben würde, für den sie ausgebildet worden war. Es würde ein falsches Signal senden, zumal es offizielle Politik war, Mädchen zum Besuch höherer Schulen zu animieren. Nach einem Treffen mit der Frau des Gouverneurs im Government House in Entebbe (Kampala wurde erst 1962 Hauptstadt), ebenfalls einer Oxford-Absolventin, wurde entschieden, dass Sarah Nyendwoha Ntiro bekommen sollte, was sie wollte. Ab sofort zahlte der Staat Lehrerinnen genauso viel wie ihren Kollegen. Später wurde diese Maßnahme auf den gesamten Staatsdienst ausgeweitet.


Gayaza High School, die Kapelle [5]

1958-61 war Sarah Nyendwoha Ntiro eine der ersten beiden Frauen im Legislative Council, dem ugandischen Parlament in Zeiten des britischen Protektorates. An Schulen, im Unterrichtsministerium, an der Makerere-Universität und insbesondere in zivilgesellschaftlichen Organisationen führte sie in der Folge ein überaus frauenbewegtes Leben. Sie starb im Alter von 92 Jahren, am 22. Oktober 2018.

* * *

Hundertfünfzig Jahre davor, in den 1860er Jahren, wurde Mekatilili Wa Menza in Mutsara wa Tsatsu in Bamba im Kilifi-Distrikt geboren, etwa 60 km nordnordwestlich der kenianischen Hafenstadt Mombasa. Sie gehörte zu den Giriama (auch Giryama geschrieben), eine der neun Mijikenda-Gruppen, die gemeinsam die kenianische Küste von Lamu bis zur tansanischen Grenze bewohnen.

Nach einem kurzen deutschen Vorspiel hatte sich seit dem späten 19. Jahrhundert zunächst die Imperial British East Africa Company und nach ihr dann die britische Krone für das Land interessiert, das heute Kenia heißt. Die Präsenz der Kolonialherren war zunächst dünn gesät. Doch als sie begannen, Steuern einzutreiben, sich Land anzueignen und Giriama für Zwangsarbeit und Kriegsdienst einzusetzen, regte sich schnell Widerstand. Auch wurden die kayas zerstört, die abgelegenen, meist in Wäldern versteckten heiligen Schreine, wo der Ältestenrat residierte, der die oberste Autorität der traditionellen Gesellschaftsordnung darstellte. An ihrer Stelle ernannten die neuen britischen Herren chiefs oder headmen, die ihnen als Handlanger dienten.


Kifudu-Tanz[6]

Der Kifudu-Tanz ist in der Giriama-Kultur von zentraler Bedeutung. Unter Führung einer Geheimgesellschaft älterer Frauen wird er bei Begräbnissen getanzt und soll für ein gutes Verhältnis der Lebenden mit den Geistern der AhnInnen sorgen. Dadurch ist für Fruchtbarkeit der Frauen und Wohlstand der gesamten Gesellschaft gesorgt. Unterstützt von Trommlern tanzen zunächst die Kifudu-Frauen. Unter ihrer Leitung beteiligen sich in der Folge alle Anwesenden am Tanz. Mekatilili bediente sich des Kifudu-Tanzes, um gegen die Fremdherrschaft zu mobilisieren. Sie zog von Dorf zu Dorf, tanzte zunächst und brachte ihre ZuhörerInnen zum Mittanzen[7], dann erst ergriff sie das Wort – offenbar war sie eine charismatische, überaus begabte Rednerin.

Einmal war Mekatilili anwesend als der Gouverneur einen headman besuchte und ihm den Auftrag gab, ihm junge Männer zu besorgen, die für ihn im Krieg kämpfen sollten. Mekatilili sagte dem chief, wenn er afrikanische Kinder für seinen Krieg wolle, dann solle er doch probieren, sich ein Küken zu nehmen. Wie Mekatilili es gewollt hatte, attackierte die Mutterhenne daraufhin den Gouverneur und zerkratzte ihn. Doch dann nahm dieser sein Gewehr und erschoss die Henne[8].

Dieser Mord an der Mutterhenne verstärkte Mekatililis Entschlossenheit nur. Bei ihren Tourneen durch die Dörfer wiegelte sie die Giriama auf, zivilen Widerstand zu leisten, keine Steuern zu zahlen und die Söhne nicht als Soldaten missbrauchen zu lassen[9]. Der Krieg der Weißen ging sie nichts an, der hatte mit den Giriama nichts zu tun.

Mekatilili wurden von den Kolonialherren als ernsthafte Bedrohung ihrer Herrschaft gesehen. Sie nahmen sie fest, machten ihr den Prozess und ließen sie ihre Gefängnisstrafe im Westen Kenias absitzen, in Kisii, unweit vom Victoria-See. Doch Mekatilili konnte fliehen und kehrte zu Fuß nach Hause zurück. Viele Monate lang arbeitete sie im Verborgenen und machte Stimmung für die eigenen Traditionen und gegen die fremden Herren.


[10]

Trotz der inzwischen ausgesetzten Belohnung brauchten die kolonialen Autoritäten vier Monate, um sie wieder zu arretieren. Doch sie wurde dieses Mal mit Samthandschuhen angefasst. Es war die Zeit des beginnenden Ersten Weltkriegs. London konnte oder wollte sich eine breite Widerstandsbewegung nicht leisten, ging auf Mekatililis Bedingungen ein und gewährte die Wiedererrichtung der kayas und das Wiedereinsetzen der Ältestenräte.

Mekatilili starb keinen gewöhnlichen Tod[11]. Sie starb, während sie bei sich daheim im Dorf Getreide stampfte. Die Erde öffnete sich und gemeinsam mit ihrem Mörser versank sie, noch immer Getreide stampfend. An diesem ihrem Grab wächst ein Busch, den niemand anrührt. Er wird vielmehr als Schrein genutzt – ihr Dorf hat sich einstweilen respektvoll ein wenig zurückgezogen.


[12]

* * *

Endnoten:

[1] Foto 1936 Library of Congress, Matson Collection, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Uganda._From_Hoima_to_Fort_Portal._Natives_near_Hoima_LOC_matpc.17452.jpg.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Ich habe drei der vier Bände gelesen – die zum westlichen, südlichen und östlichen Afrika. Für den heutigen Artikel relevant:
Sarah Nyendwoha Ntiro, Fighting for Women’s Rights, pp.383-390 sowie Hannah Tsumah, Mekatilili, the Mijikenda Warrior, pp.402-405 in: Amandina Lihamba, Fulata L. Moyo, M.M. Mulokozi, Naomi L. Shitemi, Saïda Yahya-Othman, Women Writing Africa. The Eastern Region. The Women Writing Africa Project, Volume 3, New York (The Feminist Press at the City University of New York) 2007.
Zum westlichen Afrika: Esi Sutherland-Addy et Aminata Diaw (dir.), Des femmes écrivent l’Afrique. L’Afrique de l’Ouest et le Sahel, Paris (Karthala) 2007.
Zum südlichen Afrika: M.J. Daymond, Dorothy Driver, Sheila Meintjes, Leloba Molema, Chiedza Musengezi, Margie Orford, Nobantu Rasebotsa (ed.), Women Writing Africa. The Southern Region. The Women Writing Africa Project, Volume 1, New York (The Feminist Press at the City University of New York) 2003.

[4] Foto Niyirinda Theode 2.1.2015, leicht überarbeitet GL, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Senior_House_gayaza.jpg.

[5] Foto Kizmag 20.2.2017, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:GHS_Chapel.jpg.

[6] Kifudu-Tanz in traditioneller mchekulo- und Kitsutsu-Kleidung der Giriama, Foto Mweri Mayenge 14.12.2013, überarbeitet GL, Attribution-Share Alike 4.0 International, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mbega.JPG.

[7] Meine Quelle für den Kifudu-Tanz und Mekatililis Gebrauch davon stammt aus Juniper Quin, Kifudu Funeral Dance of the Giriama People, SevenPonds 12.11.2015, https://blog.sevenponds.com/cultural-perspectives/kifudu-funeral-dance-of-the-giriama-people. Um Mekatilili gibt es heute einen Kult – nicht alles, was über sie erzählt wird, muss stimmen.

[8] Diese Geschichte erzählt Hannah Tsumah im oben erwähnten Beitrag zu Mekatilili im dritten Women Writing Africa-Band.

[9] Auch im heutigen Burkina Faso waren es die Zwangsrekrutierungen, die den Widerstand gegen die – dort französischen – Kolonialherren zum Überkochen brachten. Zum größten antikolonialen Krieg Westafrikas siehe Günther Lanier, Herrschaftlos. Bona, Ausgangs- und Mittelpunkt des Volta-Bani-Freiheitskrieges, Kap.1 in Günther Lanier, Afrika. Exkursionen an den Rändern des Weltsystems, Linz (guernica-Verlag) 2019 – nicht bei Amazon, sondern nur beim Verlag erhältlich (+43-732-771094 oder [email protected]).

[10] Erinnerungsständer, Foto Ellen 4.11.2010, leicht überarbeitet GL, Creative Commons Attribution 2.0 Generic, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Giriama_commemorative_posts_(1).jpg.

[11] Abermals folge ich Hannah Tsumah im erwähnten Beitrag zu Mekatilili im dritten Women Writing Africa-Band.

[12] Traditionelle Giriama-Musiker der Mijikenda-Gemeinde am Koroga-Festival, Foto Mbaluka1 am 5.2.2020, leicht überarbeitet GL, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Giriama_culture_at_Koroga_Festival.jpg.

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