Günther Lanier, Ouagadougou, 23.6.2021
Das Foto oben zeigt den Mount Nyiragongo, 3.470m – in Österreich wäre er einer der höchsten. Er ist einer der aktivsten Vulkane der Welt, steht am ostafrikanischen Grabenbruch[1]
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Dass in der kongolesischen Armee bei weitem nicht alles so läuft wie es soll, wissen wir schon lange. Jetzt hat es sogar der Herr Präsident festgestellt. Bei seiner derzeitigen Tour durch den leidgeprüften Ostens des Landes hat er öffentlich die Mauscheleien (magouilles) im Heer als einen der Gründe bezeichnet, warum so wenig weiterginge[2]. Damit konzentriert er sich auf einen kleinen Teil des Problems, das die Sicherheitskräfte darstellen – denn da wird auch gemordet und vergewaltigt. Zudem machen seine Kommentare noch unverständlicher, warum er gerade Militärs (und noch dazu Ex-Rebellen) mit der Oberaufsicht des Ausnahmezustands in Ituri und Nord-Kivu betraut hat[3], der seit 6. Mai in den zwei Provinzen gilt[4].
Die vom Sicherheitsrat der UNO eingesetzte ExpertInnengruppe zur Demokratischen Republik Kongo[5] hat in ihrem letzten, am 16. Juni veröffentlichten Bericht die kongolesischen Sicherheitskräfte möglicher Kriegsverbrechen angeklagt[6]. Die schwerwiegendsten Vorwürfe betreffen mehrere Einheiten, die im Vorjahr in Ituri Gewalttaten, außergerichtliche Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Zerstörungen und Plünderungen verübt haben sollen. Dabei waren insbesondere Bira und Lendu betroffen, ethnische Gruppen, denen nachgesagt wird, den beiden wichtigsten hier agierenden RebellInnengruppen nahezustehen, den Patriotischen Widerstandskräften Ituris (FPRI/Force de résistance patriotique de l’Ituri) und der Kongolesischen Entwicklungskooperative (Codeco/Coopérative de développement du Congo). Während die kongolesische Armee bei den RebellInnen-Attacken SoldatInnen und Waffen einbüßen (nach offiziellen Angaben 172 SoldatInnen, 130 Kalaschnikows, Granaten, Raketenwerfer, Maschinengewehre und ein Granatwerfer), betätigen sich gewisse OffizierInnen als WaffenlieferantInnen für dieselben Rebellen. Auch seien Militärs in sieben Goldminen präsent, vier seien von der Codeco angegriffen worden, die ihnen zweifellos die Kontrolle über die Einkünfte dort streitig machen. Für die Provinz Nord-Kivu werden ähnliche Vorwürfe erhoben, dort steht das 132. Bataillon im Zentrum der Anschuldigungen.
Beste Freunde? Blauhelme/mützen gratulieren kongolesischer Armee und Polizei[7]
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Übrigens ist die 2 Millionen EinwohnerInnen-Stadt Goma die Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu. Der Vulkan Nyiragongo befindet sich in unmittelbarer Nähe der Stadt, etwa ein Dutzend Kilometer nördlich. Er ist am 22. Mai ausgebrochen – dass es keine Warnung gab, ist ein absoluter Skandal[8]. Der Lavastrom hat wie durch ein Wunder am Rand Gomas Halt gemacht. Trotzdem hat er mindestens 32 Tote und viel Zerstörung verursacht.
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Hat sich im Land nichts gebessert, seit Félix Tshisekedi 2019 Joseph Kabila abgelöst hat? Auch wenn es freilich vermessen wäre, von einem Tag auf den anderen ein völliges Umkrempeln zu erwarten: Die Meldungen der letzten paar Wochen, die ich hier kurz wiedergebe, deuten darauf hin, dass die alten Gewohnheiten unverändert oder wenig verändert fortbestehen[9].
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Endnoten:
[1] Foto MONUSCO/Neil Wetmore 5.12.2014, leicht überarbeitet GL, https://radioafrikatv.b-cdn.net//radioafrika/2021/06/1280px1.jpg//commons.wikimedia.org/wiki/File:An_aerial_view_of_the_towering_volcanic_peak_of_Mt._Nyiragongo.jpg.
[2] Patient Ligodi, RDC: Tshisekedi pointe des «magouilles» dans l’armée pour expliquer l’insécurité dans l’est, RFI 18.6.2021 um 5:05, https://radioafrikatv.b-cdn.net//radioafrika/2021/06/1280px1.jpg//www.rfi.fr/fr/afrique/20210618-rdc-tshisekedi-pointe-des-magouilles-dans-l-arm%C3%A9e-pour-expliquer-l-ins%C3%A9curit%C3%A9-dans-l-est.
[3] General Constant Dnima, Militärgouverneur in Ituri, ist ein ex-Rebell des MLC von Jean-Pierre Bemba (der MLC wurde der Massaker und Vergewaltigungen an Nandé und Pygmäen 2002 und 2003 beschuldigt). General Luboya Nkashama, Militärgouverneur Nord-Kivus, gehörte früher den RCD Goma-Rebellen an. Beim Vize-Gouverneur Nord-Kivus handelt es sich um Benjamin Alonga Boni, ex-MLC und zudem Stellvertreter des Generals Numbi zur Zeit der Ermordung der Menschenrechtsaktivisten Floribert Chebeya und Fidèle Bazana. Der Prozess zu ihrer Ermordung – vor elf Jahren! – soll demnächst wiederaufgenommen werden. General Numbi ist aus dem Land geflohen.
[4] Erklärt wurde der Ausnahmezustand anlässlich des ersten MinisterInnenrates Tshisekedis mit seiner neuen Regierung der “Heiligen Union“ (Union sacrée) am 30. April. Siehe RFI, RDC: Félix Tshisekedi décrète l’état de siège au Nord-Kivu et en Ituri, RFI 1.5.2021 um 1h57, https://radioafrikatv.b-cdn.net//radioafrika/2021/06/1280px1.jpg//www.rfi.fr/fr/afrique/20210430-rdc-f%C3%A9lix-tshisekedi-d%C3%A9cr%C3%A8te-l-%C3%A9tat-de-si%C3%A8ge-au-nord-kivu-et-en-ituri. Der Ausnahmezustand wurde für einen Monat verhängt und dann Anfang Juni um zwei Wochen verlängert. Der müsste inzwischen eigentlich abermals verlängert worden sein – dazu habe ich keine Informationen gefunden.
[5] Ihre Mission wurde zuletzt per Resolution 2528 (2020) vom 25.6.2020 um ein Jahr, bis 1. Juli 2021, verlängert. Siehe https://radioafrikatv.b-cdn.net//radioafrika/2021/06/1280px1.jpg//undocs.org/en/S/RES/2528(2020). Den Bericht selbst habe ich dort nicht gefunden – der Halbjahresbericht vom Dezember 2020 ist hingegen verfügbar unter https://radioafrikatv.b-cdn.net//radioafrika/2021/06/1280px1.jpg//undocs.org/S/2021.
[6] Ich stütze mich auf RFI, RDC: les FARDC accusés de possibles crimes de guerre en Ituri, RFI 18.6.2021 um 13h44, https://radioafrikatv.b-cdn.net//radioafrika/2021/06/1280px1.jpg//www.rfi.fr/fr/afrique/20210618-rdc-les-fardc-accus%C3%A9s-de-possibles-crimes-de-guerre-en-ituri-et-au-nord-kivu.
[7] Foto MONUSCO 31.10.2013, https://radioafrikatv.b-cdn.net//radioafrika/2021/06/1280px1.jpg//commons.wikimedia.org/wiki/File:MONUSCO_Force_Intervention_Brigade_Commander_congratulates_the_Democratic_Republic_of_Congo%E2%80%99s_Armed_forces_and_the_Congolese_National_Police_(10670161715).jpg.
[8] Es lag offenbar daran, dass die diesbezügliche Weltbank-Finanzierung ausgelaufen war. Siehe Jeune Afrique und AFP, RDC – Éruption du Nyiragongo : le volcan n’était plus surveillé depuis sept mois, Jeune Afrique 23.5.2021 um 16h34/16h38, https://radioafrikatv.b-cdn.net//radioafrika/2021/06/1280px1.jpg//www.jeuneafrique.com/1176995/societe/rdc-eruption-du-nyiragongo-le-volcan-netait-plus-surveille-depuis-sept-mois/.
[9] Eine Ausnahme ist die erwähnte Anklage gegen General Numbi. Zudem wurde soeben bekannt, dass Dan Gertlers Erdölgewinnungsgenehmigung nicht verlängert wurde – doch da geht es um die Macht im Staat, Gertler steht Joseph Kabila nahe. Siehe RFI, Pétrole en RDC: «Dan Gertler avait obtenu ces blocs dans des conditions très opaques», RFI 23.6.2021 um 11h53, https://radioafrikatv.b-cdn.net//radioafrika/2021/06/1280px1.jpg//www.rfi.fr/fr/afrique/20210623-p%C3%A9trole-en-rdc-dan-gertler-avait-obtenu-ces-blocs-dans-des-conditions-tr%C3%A8s-opaques. Auch gegen andere Kabila-Nahestehende wurde vorgegangen.