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Schwärzer als der Kongo, schwärzer auch als der Rio Negro

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Foto: der Ruki, ein Nebenfluss des Kongo [1]

* * *

Günther Lanier, Ouagadougou 24. Jänner 2024[2]

* * *

Von Kinshasa etwa 600 km kongoaufwärts, in unmittelbarer Äquatornähe, liegt Mbandaka. Ungefähr 500.000 Menschen leben hier. Es handelt sich um die Hauptstadt der Provinz Equateur der Demokratischen Republik Kongo (Kongo-Kinshasa). 1883 war sie von Henry Morton Stanley als Equateurville gegründet worden, unter belgischer Herrschaft hieß sie Coquilhatville bevor sie im Zug von Mobutus Afrikanisierung ihren heutigen Namen erhielt.

Von Kinshasa aus gesehen gleich hinter Mbandaka[3], also nordöstlich, mündet der Ruki in den Kongo. Um diesen geht es hier heute.

 [4]

Das Einzugsgebiet des Schwarzwasserflusses Ruki misst 188.800 km2, doppelt so viel wie Österreich, doch anders als dieses mit seinen viel zu vielen Straßen ist es kaum erschlossen: Verkehrt wird hier zu Wasser.

Der Ruki selbst ist nur circa 100 km lang, er entsteht knapp oberhalb von Ingende aus dem Zusammenfluss der Flüsse Momboyo und Busira. Letzterer ist ungefähr 300 km lang, er entsteht in der Nähe der Stadt Boende (wie Ingende auf der folgenden Karte eingezeichnet) aus dem Zusammenfluss von Tshuapa und Lomela. Ein weiterer wichtiger Fluss im Ruki-Einzugsgebiet ist der Salonga, der dem 36.000 km2 großen Salonga-Nationalpark seinen Namen gegeben hat und der schon ein paar Mal in meinen Artikeln vorgekommen ist[5].

Die schwere Zugänglichkeit hat dafür gesorgt, dass es sich beim Ruki-Einzugsgebiet auch außerhalb des Salonga-Nationalparks um weitestgehend unerschlossenes und auch unerforschtes Land handelt. 83,3% sind immergrüner tropischer Wald, 10,3% Sumpfwälder, 1,2% laubabwerfender Wald und nur 5,2% Kulturland – in der Karte gelb eingefärbt.


Karte B der Studie, p.2478, Beschriftung zwecks Übersetzens entfernt GL

Einen kleinen Teil des Schleiers wissenschaftlichen Nichtwissens um dieses schwarzwasserdurchflossene Herz des tropischen Afrikas lüftet eine rezente Studie eines internationalen Forschungsteams unter Federführung der ETH Zürich[6]. Travis Drake und seinen KollegInnen war bei ihren Studien zum Kohlenstoffkreislauf des Kongobeckens aufgefallen, dass das Wasser, das sich aus dem Ruki in den Kongo mischt, fast schon unheimlich dunkel war.

Schwarzwasserflüsse sind ein insbesondere in den Tropen bekanntes Phänomen. Sie “erscheinen dunkel, da sie kaum das Sonnenlicht reflektierende Nähr- und Schwebstoffe und Sedimentfracht enthalten. Die bräunliche Färbung des Wassers entsteht durch die große Menge an gelösten Huminsäuren und Fulvosäuren und ähnelt der Farbe von Kaffee.“[7] “Sie sind extrem elektrolytarm, entspringen meist in paläozoischen Grundgebirgen und haben eine geringe Sichttiefe zwischen 1 und 1,5 cm. Ihre Primärproduktion[8] ist meist gering.“[9] Weltweit ist der Rio Negro der bekannteste Schwarzwasserfluss – dieser linke Nebenfluss des Amazonas, siebtwasserreichster Fluss der Erde[10], trägt die Farbe seines Wassers im portugiesisch-spanischen Namen.

Die Nährstoffarmut der Schwarzwasserflüsse macht sie für Moskitos unattraktiv, sodass sich kaum Larven in ihnen finden[11]. So gibt es in diesen Gebieten kaum Malaria – und die Bezeichnung Schwarzwasserfieber ist ein absoluter misnomer, eine Fehlbezeichnung.

Aber den klimainteressierten WissenschaftlerInnen ging es nicht um Krankheiten, sondern um Kohlenstoff. Und den gibt es reichlich im Ruki, wo von 5% des Kongo-Einzugsgebietes 20% des vom Kongo transportierten Kohlenstoffs eingebracht werden. Und es gibt ihn auch deutlich mehr als im viel berühmteren Rio Negro, im Schnitt etwa doppelt so viel[12].

2019/20 wurden ein Jahr lang die für die Forschung nötigen Werte erhoben. Und das erforderte kein aufwendiges Bereisen des Einzugsgebietes – es reichte, dort, wo alles zusammenkommt, also knapp vor der Durchmischung des Ruki- mit den Kongo-Wasser die gewünschten Werte zu eruieren. So wurde – mit einfachen Mitteln, denn in Mbandaka gibt es nicht durchgehend Strom[13] – eine Messstelle eingerichtet und über zwölf Monate täglich der Pegelstand gemessen sowie alle 14 Tage die Abflussmenge. Bei der Gelegenheit wurden auch die Wasserproben entnommen, die dann im Labor der ETH analysiert werden konnten.


Hier spiegelt sich der Himmel im Ruki, da wird er blau wie die so schöne Donau [14]

Die “kohlenstoffhaltigen Substanzen gelangen vor allem mit dem Regenwasser in den Fluss. Der Regen fällt auf abgestorbene Dschungelvegetation und löst dabei organische Verbindungen aus totem Pflanzenmaterial. Zudem überflutet der Fluss in der Regenzeit den Wald. Das Wasser steht dann oft wochenlang hüfttief über dem Waldboden und fließt nur sehr langsam ab. Dabei reichert es sich mit organischen Substanzen an.“[15]

Dass der Ruki viel Kohlenstoff transportiert, ist für die Umwelt an sich kein Problem. Allerdings senken die im Schwarzwasser reichlich vorhandenen gelösten organischen Kohlenstoffe den PH-Wert, machen das Wasser also sauer und das fördert die Ausgasung von Kohlendioxid. Wobei das träge Fließen des an der Mündung in den Kongo einen Kilometer breiten Ruki ein Segen ist – handelte es sich um einen turbulenten Fluss, so würde sehr viel mehr CO2 ausgegast.

Mich hat es überrascht: Der aus einem riesigen Gebiet nahezu unberührter Natur kommende Ruki stellt also eine nicht unerhebliche Belastung fürs Klima dar. Den WissenschaftlerInnen war das von vornherein klar[16]. Das hohe Ausschaffen von Kohlenstoff via Fluss bedeutet insgesamt eine leicht schlechtere Umweltbilanz des Kongobeckens als bisher angenommen. Mit anderen Worten: Die Kohlendioxidsenke im Herzen des afrikanischen Kontinents ist höchstwahrscheinlich etwas weniger performant als bisher gedacht[17].


von weit oben gesehen: der Salonga (rechts) mündet in den Busira [18]

Im Rahmen der Forschung wurde auch untersucht, wie sehr die Torfmoore am Kohlenstoffausschaffen via Fluss beteiligt sind – sie spielen im Rahmen der Kohlenstoffsenke eine besonders wertvolle Rolle. Abermals brauchten sich die WissenschaftlerInnen nicht auf die beschwerliche Reise in die Moore machen. “In den Proben (bei Mbandaka, GL) bestimmten die Forschenden (…) anhand von radioaktivem Kohlenstoff, der in den GOK (gelösten organischen Kohlenstoff, GL) eingebaut ist, wie alt die organischen Stoffe sind. Damit wollten die Forschenden unter anderem herausfinden, ob der Torf entlang des Flusses Kohlenstoff freisetzt und früher oder später zu CO2 zersetzt wird.“[19]

Glücklicherweise ist das bisher nur in äußerst geringem Ausmaß der Fall[20], was bedeutet, dass die Torfmoore stabil sind. Sie befinden sich das ganze Jahr über unter Wasser und somit hat der Sauerstoff – das “O“ im CO2 – keinen Zugang zum Kohlenstoff (“C“) und so kann aus Letzterem kein Kohlendioxid entstehen.

Die Torfmoore des Kongobeckens sind, was den Klimawandel betrifft, von eminenter weltweiter Bedeutung, denn sie speichern 29 Mrd. Tonnen Kohlenstoff – das entspricht den weltweiten CO2-Emissionen von drei Jahren[21]. Aber diese Torfmoore sind gefährdet[22]. Ihr Austrocknen würde dem Sauerstoff Zugang zum Kohlenstoff verschaffen. Ein solches Austrocknen könnten klimatisch oder auch durch direkte menschliche Intervention (Abholzen; verstärkte Nutzung bisher unberührter Gegenden; Bergbau) verursacht werden.

Es gilt, darauf hinzuweisen, dass hier große Gefahr droht und das nicht nur für die unmittelbaren AnrainerInnen, sondern für uns alle.

* * *

Endnoten:

[1] Foto Matti Barthel/ETH Zürich, der Pressemitteilung zur in der Folge erwähnten Studie entnommen, https://idw-online.de/de/image?id=384516&size=screen.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] In nächster Nähe: Der Botanische Garten der Stadt grenzt an den Ruki.

[4] Karte A der Studie (s. gleich), p.2478, ganz leicht überarbeitet (kleiner Teil der Beschriftung entfernt) GL.

[5] Siehe Günther Lanier, Landraub der anderen Art. Naturschutz in Afrika und seine Militarisierung, Ouagadougou (Africa Libre) 11.8.2021, https://www.africalibre.net/artikel/141-landraub-der-anderen-art–naturschutz-in-afrika-und-seine-militarisierung, Günther Lanier, Unrecht wo du nur hinschaust. Heer – Kupfer – Wälder – Justiz in Kongo-Kinshasa, Ouagadougou (Africa Libre) 23.6.2021, https://www.africalibre.net/artikel/148-unrecht-wo-du-nur-hinschaust–heer–kupfer–walder–justiz-in-kongo-kinshasa sowie Günther Lanier, Naturschutz vs. AnrainerInnen. Aufrüstung einmal anders, Ouagadougou (Africa Libre) 20.5.2020, https://www.africalibre.net/artikel/214-naturschutz-versus-anrainerinnen-oder-aufrustung-einmal-anders.

[6] Für die Presseaussendung dazu siehe Peter Rüegg, ETH-Forschende untersuchen einen der dunkelsten Flüsse der Welt, ETH 18.10.2023, https://idw-online.de/de/news822497 (ab sofort ETH-Presseaussendung genannt).
Für die Studie selbst Travis W. Drake, Matti Barthel, Christian Ekemba Mbongo, Davin Mata Mpambi, Simon Baumgartner, Clement Ikene Botefa, Marijn Bauters, Martin R. Kurek, Robert G. M. Spencer, Amy M. McKenna, Negar Haghipour, Godé Lompoko Ekamba, Jose N. Wabakanghanzi, Timothy I. Eglinton, Kristof Van Oost, Johan Six, Hydrology drives export and composition of carbon in a pristine tropical river, Limnology and Oceanography (Wiley Periodicals LLC für Association for the Sciences of Limnology and Oceanography) 13.10.2023 (online seit 2.12.2023), pp.2476-2491, https://aslopubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/lno.12436 (ab sofort Studie genannt).

[7] Zitiert aus https://www.biologie-seite.de/Biologie/Schwarzwasserfluss.

[8] “Primärproduktion bezeichnet in der Ökologie die Produktion von Biomasse durch die Produzenten, also Pflanzen, Algen, Cyanobakterien und andere autotrophe Bakterien, mithilfe von Licht oder chemischer Energie aus anorganischen Substanzen“, https://de.wikipedia.org/wiki/Prim%C3%A4rproduktion.

[9] Zitiert aus https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/schwarzwasserfluesse/60172.

[10] Laut https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_l%C3%A4ngsten_Fl%C3%BCsse_der_Erde.

[11] “Die im Wasser lebenden Larvenstadien ernähren sich von Detritus (zerfallenen organischen Substanzen) und Plankton (z.B. Algen), das sie aus dem Wasser herausfiltern.“ Aus dem Eintrag “Stechmücken“ auf https://www.umweltbundesamt.de/stechmuecken#verhalten.
Genaue Werte für die Nährstoffarmut des Ruki finden sich in der Studie.

[12] Studie p.2481. Gelöster organischer Kohlenstoff: Ruki: 12.7 to 30.1 mg L-1 (im Mittel 21.3 mg L-1), Rio Negro: 7.1-10.8 mg L-1. Gelöster organischer Kohlenstoff stellt 76,6%, anorganischer Kohlenstoff 20,3% und partikulärer organischer Kohlenstoff 3,1% des gesamten Ruki-Kohlenstoff-Transports. Siehe Studie p.2485.

[13] Dass es in der ganzen Stadt keine Bohrmaschine gab, wie es die Presseaussendung mittels Travis Drake-Zitat behauptet, kann ich mir allerdings nicht vorstellen, auch wenn die logistischen Bedingungen sicher nicht denen Zürichs und seiner renommierten ETH entsprechen.

[14] Foto Matti Barthel/ETH Zürich, wie das dem Artikel vorangestellte Foto der Pressemitteilung der ETH Zürich entnommen; https://idw-online.de/de/image?id=384517&size=screen.

[15] ETH-Presseaussendung, s.o.

[16] Ebd. zitiert Drake: “Die CO2-Emissionen im gesamten Einzugsgebiet des Ruki betrachtet, sind ziemlich hoch, aber vergleichbar mit anderen tropischen Flüssen“.

[17] Mir ist nicht klar, warum die Presseaussendung diese Schlussfolgerung nicht erwähnt. Auch wenn sie vielleicht nicht hundertprozentig gesichert ist, wird sie in einem von drei der Studienautoren publizierten zusammenfassenden Artikel explizit erwähnt und in der Studie, p.2477 wird gleich anfangs auf andere Literatur verwiesen, die diesen Effekt untersuchen. Siehe Travis Drake, Johan Six, Matti Barthel, Congo’s blackwater Ruki River is a major transporter of forest carbon – new study, The Conversation 21.1.2024, https://theconversation.com/congos-blackwater-ruki-river-is-a-major-transporter-of-forest-carbon-new-study-217582.

[18] Foto aus 348 km Höhe, ISS020-Mission der Earth Science and Remote Sensing-Einheit des Lyndon B. Johnson Space Center, 19.9.2009, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:ISS020-E-41333_-_View_of_Democratic_Republic_of_the_Congo.jpg.

[19] ETH-Presseaussendung, s.o.

[20] “Nur während eines kurzen Zeitfensters, am Ende der Regenzeit in den Monaten März bis April, wenn die Abflussspitze bereits gebrochen ist, finden die Forschenden Hinweise darauf, dass die Torfmoore Kohlenstoff ins Wasser abgeben. Warum das ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt und wie es geschieht, ist unklar“, ebd.

[21] Drake wird mit der Zahl in der ETH-Presseaussendung zitiert. Gemeinsam mit anderen Informationen zu den Torfmooren findet sie sich auch auf United Nations Environment Program (UNEP), Critical ecosystems: Congo Basin peatlands, 27.2.2023, https://www.unep.org/news-and-stories/story/critical-ecosystems-congo-basin-peatlands.

[22] Das in der Fußnote 20 erwähnte Zeitfenster, wo Torfmoorkohlenstoff im Ruki-Wasser zu finden war, macht den AutorInnen der Studie Sorgen. Die Gründe sind unklar. Aber jedenfalls ist damit ersichtlich, wie verletzlich die Moore sind. Siehe insbesondere Studie, p.2488.

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