Günther Lanier, Ouagadougou, 10.3.2021
Um uns zu ernähren, bereiten wir unsere Nahrung zu. Dazu kochen wir (meist die Frauen). Die gekochte Nahrung liefert uns Energie und hält uns am Leben. Doch das Feuer, das wir entzünden, um zu kochen, kann tödliche Auswirkungen haben. Das hängt von der Energiequelle, von den Brennstoffen[1] ab, die verwendet werden, und von der Art, wie sie verwendet werden.
Luftverschmutzung daheim (“im Haushalt“ heißt es meist) verursacht jährlich weltweit 3,8 Millionen Tode, das sind 7,7% aller Todesfälle[2]. Dabei sind Frauen – die Köchinnen – und Kinder – weil sie viel daheim sind – besonders betroffen.
“Fast 3 Milliarden Menschen weltweit sind für ihren Energiebedarf auf schmutzende Brennstoffe angewiesen, darunter fallen Biomasse (Holz, Kuhfladen, landwirtschaftliche Reste), Kerosin und Kohle. Das Kochen und Heizen mit solch schädlichen Brennstoffen mittels offenem Feuer oder traditionellen Herden verursacht in den betroffenen Haushalten ein hohes Niveau an Luftverschmutzung. Innenluft-Rauch enthält eine Reihe von Schadstoffen, die gesundheitsschädlich sind, darunter Kleinpartikel wie Kohlenmonoxid. Die Feinstaubbelastung kann 20 Mal höher sein als der Grenzwert.
Es ist erwiesen, dass solche Innenluftverschmutzung bei Kindern unter fünf Jahren Infektionen der unteren Atemwege verursachen kann, bei Erwachsenen ischämische Infarkte, Schlaganfälle, chronisch obstruktive Lungenkrankheiten und Lungenkrebs.“[3]
Über die potentiell tödliche Wirkung auf Menschen hinaus ist das Beschaffen der Brennstoffe für solch Kochen und Heizen auch für die Umwelt schädlich – z.B. kann das Sammeln von Brennholz zur Entwaldung beitragen und Holzkohle-Herstellung ist oft ineffizient und umweltschädlich.
Freilich ist der Zugang zu sauberer Energie in hohem Maß eine Einkommensfrage. Während in Ländern hohen Einkommens Luftverschmutzung im Haushalt nur für 0,2% der Todesfälle verantwortlich ist, beträgt der entsprechende Prozentsatz für Länder niedrigen und mittleren Einkommens 10%.[4]
Hier eine Afrika-Karte, die riesige Unterschiede im Zugang zu sauberer Energie offenbart. Je dunkler das Grün, desto weniger Menschen haben Zugang (Schwarzgrün bedeutet z.B. <5%, das hellste Grün >90%)[5].
% der Bevölkerung, die sauber kochen
[6]
Die Problematik des fehlenden Zugangs zu sauberen Brennstoffen fürs Kochen ist nicht neu und ist auch weithin bekannt. So lautet das UN-Nachhaltigkeitsziel Nr. 7 “Den Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie sichern“[7], was die deutsche Bundesregierung zu “Bezahlbare und saubere Energie“ verkürzt hat[8].
2010 wurde die Clean Cooking Alliance ins Leben gerufen[9], da spielte die damalige US-Außenministerin eine große Rolle, Hillary Clinton. Die Allianz untersteht der UN Foundation, einer wohltätigen Stiftung im Umfeld der Vereinten Nationen. Die Allianz fördert Initiativen, die an der Verwirklichung ihrer Ziele arbeiten, setzt sich für internationale Standards in der Herd-Produktion ein und koordiniert Forschung und deren Umsetzung in Sachen saubere Herde.
Auch vonseiten der Erdöl- und Erdgas-Industrie wird sauberes Kochen propagiert. Die Oil & Gas Industry Energy Access Platform (EAP) – der unter anderem die OMV angehört – hat als übergeordnetes Ziel, zum Erreichen des UN-Nachhaltigkeitszieles beizutragen. Da geht es zuvorderst also um Image-Politur. Im Bereich sauberes Kochen setzt sie sich für die BLEN-Brennstoffe ein, auf Deutsch müsste das Akronym BFEN heißen – Biogas, Flüssiggas, Elektrischer Strom und Naturgas (Erdgas)[10].
Diverse Projekte der Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen sich mit dem Thema. Dabei stehen oft effiziente, energiesparende, “verbesserte“ Herde im Vordergrund (“foyers améliorés“ oder “improved stoves“).
In Sub-Sahara-Afrika geht es meist um Holzkohle. 65% der weltweiten Holzkohleproduktion[12] sorgen hier für geschätzte 40 Millionen Menschen – hauptsächlich KleinbäuerInnen – für ein Einkommen. Im Schnitt konsumieren Sub-Sahara-AfrikanerInnen 0,69m3 Holzkohle jährlich[13].
Die Herstellung ist meist ineffizient. In Kenia, wo mehr als 70% des einheimischen Energiebedarfs für Kochen und Heizen mit Holzkohle gedeckt werden, sind für die Erzeugung einer Tonne Holzkohle zehn Tonnen Holz nötig, was einer Verwertungsrate von 10% gleichkommt. Mit moderner Technik und verbesserten Meilern[14] können Verwertungsraten von über 30% erreicht werden[15].
Entsprechend leiden in den betroffenen Ländern Savanne und Wälder.
Um die Holzkohleproduktion effizienter zu machen[16], hat z.B. Ghana versucht, sie zu “formalisieren“, hat sie großen ausländischen Firmen zugänglich gemacht. Das hat natürlich vielen KleinbäuerInnen ihren Lebensunterhalt gekostet.
In Malawi wurde das Produzieren von Holzkohle einfach verboten. Wo ein solches Verbot – es kann sich auch auf den Transport von Holzkohle beziehen – auch durchgesetzt wird, bedeutet es für viele KleinbäuerInnen – nunmehr dieses Zusatzverdienstes beraubt – Armut oder noch ärgere Armut.
Vernünftiger und für die vielen betroffenen KleinproduzentInnen verträglicher wäre ein Neu-Organisieren der Produktion an der Basis[17]. Genossenschaften könnten eingerichtet werden. Oder die Zuteilung von Bäumen für die Holzkohleproduktion könnte traditionellen Autoritäten überantwortet werden – die den Gemeinschaftsmitgliedern dann freilich Rechenschaft schuldig sind. Generell gälte es auch, die Verhandlungsmacht der ProduzentInnen gegenüber den ZwischenhändlerInnen zu stärken.
Im Vorhinein und begleitend wäre freilich Bewusstseinsarbeit in Richtung einer umweltfreundlichen, “grünen“ Holzkohle nötig. Bei einer kollektiven Herangehensweise könnten wertvolle Baumarten auch leichter geschützt werden.
Hier zum Abschluss Fotos rund um Holzkohle in Benin.
Atakora sind Berge und ein Département in Nordwest-Benin. Am Rand der Straße wird hier Holzkohle zum Verkauf feilgeboten. Im Vordergrund des oberen Fotos die Terrasse eines der bei den Somba (in Togo heißen sie Tamberma) üblichen burgähnlichen Hauses (tata somba), von dem aus fotografiert wurde.
Und dann muss die Holzkohle zu den EndverbraucherInnen gelangen.
Hier ist der Motorrad-Lieferant in Porto Novo angekommen, der Hauptstadt Benins, im Südosten des Landes.
Und hier ein anderer in Agla, einem Viertel von Cotonou, Regierungssitz und ökonomische Hauptstadt.
Und dann – irgendwann, irgendwo – ist es so weit und es geht los.
Zwischen drei Steinen oder in einem Herd wird Feuer gemacht.
Hoffen wir, dass es einen Rauch-Fang gibt.
Oder dass sonst irgendwie dafür gesorgt ist, dass das Feuer niemandem schadet, der Köchin nicht und auch sonst niemandem in ihrem Heim.
***
Endnoten:
[1] Das dem Artikel vorangestellte Foto zeigt Holzkohle, Foto JM, ohne Datum, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Charcoal.jpg (Quelle: http://www.logodesignweb.com/stockphoto/background/materials/img10.htm).
[2] Diese – offenbar die rezentesten – Daten sind für 2016 und stammen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO): https://www.who.int/data/gho/data/themes/topics/topic-details/GHO/household-air-pollution.
[3] Weltgesundheitsorganisation (WHO), Haushaltsluftverschmutzung, https://www.who.int/gho/phe/indoor_air_pollution/en/, Übersetzung GL.
[4] Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO): https://www.who.int/data/gho/data/themes/topics/topic-details/GHO/household-air-pollution.
[5] Hier die Kontinente im Vergleich: Afrika 29%, das sich entwickelnde Asien 57% (darunter Indien 49% und China 72%), Mittel- und Südamerika 89%, Westasien 96%. Welt: 65%. Quelle siehe Fußnote zur Grafik.
[6] Gezeichnet von GL auf Basis der Daten der International Energy Agency (IEA) für 2018 aus “WEO2019-Clean-Cooking-database“ in https://www.iea.org/reports/sdg7-data-and-projections/access-to-clean-cooking
[7] Im Original: Ensure access to affordable, reliable, sustainable and modern energy for all.
[8] Siehe https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/die-un-nachhaltigkeitsziele-1553514.
[9] Siehe https://www.cleancookingalliance.org/about-us/index.html.
[10] http://energyaccessplatform.org/index.php/focus-areas/clean-cooking.
[11] Zwei Berkeley Darfur-Herde, links mit Holzkohle, rechts mit Holz betrieben. Lobule Flüchtlingslager, West Nile-Subregion, NW-Uganda, Foto Laura Toledano 24.10.2020, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Clean_Cooking_in_Refugee_Settlement.jpg.
[12] Nigeria, Äthiopien und Ghana sind die größten Produzenten.
[13] Daten aus Eric Kumeh Mensah, Why efforts to clean up charcoal production in sub-Saharan Africa aren’t working, The Conversation 23.2.2021, https://theconversation.com/why-efforts-to-clean-up-charcoal-production-in-sub-saharan-africa-arent-working-153462.
[14] Kohlenmeiler (kurz Meiler) sind luftdicht bedeckte Holzhaufen, die von den KöhlerInnen in Brand gesetzt werden, um Holzkohle zu erzeugen.
[15] Phosiso Sola, Paolo Omar Cerutti, Kenya has been trying to regulate the charcoal sector: why it’s not working, The Conversation 23.2.2021, https://theconversation.com/kenya-has-been-trying-to-regulate-the-charcoal-sector-why-its-not-working-154383.
[16] Ich folge hier und bis zu den Empfehlungen wieder Eric Kumeh Mensah, Why efforts to clean up charcoal production in sub-Saharan Africa aren’t working, The Conversation 23.2.2021, https://theconversation.com/why-efforts-to-clean-up-charcoal-production-in-sub-saharan-africa-arent-working-153462.
[17] Der bereits zitierte Kenia-Artikel – der auch von den Formalisierungsbemühungen des Landes berichtet – schlägt vor, bei den seit 2009 gesetzlich vorgeschriebenen Holzkohle-ProduzentInnen-Vereinigungen (Charcoal Producer Associations) anzusetzen. Phosiso Sola, Paolo Omar Cerutti, Kenya has been trying to regulate the charcoal sector: why it’s not working, The Conversation 23.2.2021, https://theconversation.com/kenya-has-been-trying-to-regulate-the-charcoal-sector-why-its-not-working-154383.
[18] Verkauf von Holzkohle in einem Dorf im Département Atacora nahe Boukoumbé, in Nordwest-Benin. Foto Ji-Elle 8.3.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Atacora-Vente_de_charbon_de_bois_(1).jpg.
[19] Ebd., Foto Ji-Elle 8.3.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Charbon_de_bois_dans_l%27Atacora.jpg.
[20] Foto Gbetongninougbo Joseph Hervé Ahissou 2.8.2018, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Joseph_H_Ahissou_photo_charcoal_transportation_by_motorbike.jpg.
[21] Holzkohlelieferant in Porto Novo, Foto Gbetongninougbo J. H. Ahissou 2.1.2019, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Joseph_H_Ahissou_photo_charcoal_transportation_in_PortoNovo.jpg.
[22] Holzkohlelieferant in einer Straße von Agla, einem Stadtteil von Cotonou, Foto Kodjome Romaric 18.2.2020, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Chargement_de_charbon.jpg.
[23] Holzkohlebriketts fangen Feuer, weißer Rauch steigt auf. Foto Tomascastelazo 19.8.2018, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Starting_the_charcoal.jpg.