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Hirnrissiger Argumentation doch noch entrissen

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Tsitsi Dangarembga in Großbritannien während einer vom Herausgeber ihrer ersten beiden Bücher Ayebia Clarke Publishing organisierten Tour[1]

* * *

Günther Lanier, Ouagadougou 10.5.2023[2]

* * *

Der Staatschef Simbabwes, ob seiner Brutalität bekannt als das “Krokodil“, hat sich in London unter Seinesgleichen anlässlich der Krönung des ewigen Kronprinzen zweifellos wohlgefühlt. Kein Paria mehr – ufff![3]

Per Staatsstreich an die Macht gekommen[4], hat er sein großmündiges Versprechen – ein neues Simbabwe – nicht wahrgemacht. Unter Putschisten sind die Thomas Sankaras, die sich um das Wohl ihres Landes ernsthaft bemühen, ja leider die große Ausnahme, die unsäglichen Blaise Compaorés[5] hingegen die Regel.

Jenseits offener Gewalt verwandeln an der Macht interessierte StaatschefInnen auch die Justiz gerne in eine ihrer “Waffen“. Das passiert in Ländern sehr viel besseren Leumunds als Simbabwe auch, z.B. in Senegal.

Tsitsi Dangarembga hat sich erfolgreich wehren können. Aber erst in zweiter Instanz. Und vielleicht nur, weil sie keine Unbekannte ist.

Sie ist Feministin, Aktivistin, Autorin und Filmemacherin. Als Schriftstellerin ist sie mit ihrer Tambudzai-Roman-Trilogie weltweit bekannt geworden:

Nervous Conditions kam1988 heraus, auf Deutsch unter dem Titel “Der Preis der Freiheit“ 1991 und unter dem neuen Titel “Aufbrechen“ 2019;

The Book of Not folgte 18 Jahre später, 2006, auf Deutsch “Verleugnen“, 2022;

This Mournable Body weitere zwölf Jahre später, 2018, drei Jahre danach, 2021, auf Deutsch als “Überleben“ erschienen. Zweiter und dritter Teil der Trilogie sind auf Deutsch also offenbar in umgekehrter Reihenfolge herausgekommen. Da jeder Trilogie-Teil auf eigenen Beinen steht, ist das nicht weiter tragisch.

Tsitsi Dangarembga hat zahlreiche Preise erhalten, ihr Mournable Body stand z.B. auf der Shortlist des britischen Booker Prize. Im deutschen Sprachraum wurde sie 2021 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Was ihre Filme betrifft – sie hat an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin Filmregie studiert – schrieb sie erst einmal das Drehbuch für Neria (Untertitel: She dared to fight back/Sie hat sich getraut, sich zu wehren) – angeblich der bis heute “einspielstärkste(…) Film in der Geschichte Simbabwes“[6]. Ihr Everyone’s Child war 1996 der erste von einer schwarzen Frau in Simbabwe gedrehte Film[7].

Ihre Berühmtheit hat Tsitsi Dangarembga nicht der simbabwischen Realität enthoben. Ihr Engagement ist ungebrochen. So war sie mit ihrer Freundin Julie Barnes auch 2020 bei einem stillen Protest öffentlich unterwegs. Sie trug ein selbstgeschriebenes Plakat “We Want Better. Reform Our Institutions“ (also Wir wollen Besseres. Reformiert unsere Institutionen), auf dem von Barnes war zu lesen: “Free Our Journalists. We Want a Better Zimbabwe For All“ (also Befreit unsere JournalistInnen. Wir wollen ein besseres Simbabwe für alle.)[8]

Dafür wurden die beiden am 31. Juli 2020 verhaftet, kamen kurz nachher auf Bewährung frei, mussten sich aber regelmäßig bei der Polizei melden und wurden im September 2020 angeklagt. Sie wurden der Bigotterie beschuldigt und sollen zu Gewalt aufgerufen und den Frieden gestört haben. Dafür wurden sie im September 2022 “zu sechs Monaten Haft auf Bewährung, ausgesetzt auf fünf Jahre, und einer Strafe von 70.000 simbabwischen Dollar (rund 175 Euro) verurteilt“[9].

Vorgestern Montag entschied der Oberste Gerichtshof des Landes, dass der Antikorruptionsgerichtshofs in Harare, der im September das Urteil gefällt hatte, fehlerhaft argumentiert habe. “Die Plakate, die Dangarembga und Barnes während einer Demonstration getragen hätten, seien weder obszön noch beleidigend, missbräuchlich oder bedrohlich gewesen“.

Es ist erfreulich, dass schließlich doch noch Recht gesprochen wurde, den herrschenden Verhältnissen zum Trotz.

Doch erst am 28. April war Jacob Ngarivhume von der kleinen Oppositionspartei Transform Zimbabwe zu vier Jahren Gefängnis (12 Monate davon bedingt) verurteilt worden, weil er die Öffentlichkeit zu Gewalt aufgerufen habe. Auch er war im Juli 2020 verhaftet worden, er hatte zu Protesten gegen Korruption und die schlimmer werdende wirtschaftliche Lage aufgerufen[10].

Ngarivhume wird berufen – oder hat es vielleicht schon getan. Es ist zu hoffen, dass er – und die vielen anderen, denen Ähnliches widerfahren ist und die nicht berühmt sind – genauso wie die bewundernswerte Tsitsi Dangarembga schließlich doch noch einer gerechten, nicht machthörigen Justiz gegenüberstehen werden.


Tsitsi Dangarembga auf der Frankfurter Buchmesse 2021 mit Sticker #Verlage gegen Rechts[11]

Interessieren würde mich noch, ob die hirnrissige Argumentation, derer sich Barbra (manchmal auch Barbara) Mateko erstinstanzlich gegen Tsitsi Dangarembga & Co bedient hat, Rückwirkungen auf sie selbst hat. Logisch und anständig wäre ja, dieser Richterin künftig keine Prozesse oder Urteile mehr anzuvertrauen…

* * *

Endnoten:

[1] Foto David Clarke 30.11.2006, leicht zugeschnitten GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tsitsi_Dangarembga_2006-11.jpg. Mit dem Verlag gab es 2020 dann allerdings Streitereien um Rechte – s. https://brittlepaper.com/2020/02/tsitsi-dangarembga-seeks-legal-representation-in-dispute-with-ayebia-clarke-publishing-over-rights-to-her-novels/.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Zur Ehrenrettung Großbritanniens ist zu sagen, dass es Widerstand gegen seine Einladung gab, auch aus dem Parlament.

[4] Siehe dazu Günther Lanier, Mugabes unrühmlicher Abgang oder: Von der unzulässigen Personalisierung des Politischen, Ouagadougou (Africa Libre) 6.12.2017, https://www.africalibre.net/artikel/351-mugabes-unruhmlicher-abgang-oder-von-der-unzulassigen-personalisierung-des-politischen.

[5] Blaise Compaoré hat Thomas Sankara, hinter dem er die Nummer 2 war, 1987 aus dem Weg räumen lassen und ist bis Ende 2014 in Burkina Faso an der Macht gewesen, da hat ihn sein Volk vom Thron gejagt.

[6] Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=ZypS294b8ts.

[7] Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=uUO5zvTm3js.

[8] Die Fotos davon gibt’s online, aber nicht gemeinfrei (siehe z.B. https://twitter.com/zimlive/status/1575503699979358209). Die Punkte habe ich hinzugefügt.

[9] Nicht nur für das Zitat siehe ORF, Autorin Dangarembga in Simbabwe freigesprochen, 8.5.2023, https://www.orf.at/#/stories/3315597/. Siehe außerdem z.B. Tobias Rüther, In Simbabwe heißt Widerstand leisten zu bleiben, FAZ 21.6.2022, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/friedenspreistraegerin-tsitsi-dangarembga-in-simbabwe-vor-gericht-18093985.html.

[10] Siehe Shingai Nyoka, Zimbabwe opposition party leader jailed, BBC Africa Live 28 April 2023 um 17h15.

[11] Foto Rudolf H. Boettcher 22.10.2021, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tsitsi_Dangarembga_FBM_2021.jpg.

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