Radio Afrika TV

Fanal der Hoffnung im Kampf für Umweltgerechtigkeit

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on whatsapp
Share on email
Share on print
  • Home
  • Fanal der Hoffnung im Kampf für Umweltgerechtigkeit

Foto: 15. März 2023. Phyllis Omido hat die Owino Uhuru-Gemeinschaft mobilisiert, um Druck auf das Berufungsgericht auszuüben [1]

* * *

Günther Lanier, Ouagadougou 18. Oktober 2023 [2]

* * *

Mombasa ist die bedeutendste Hafenstadt Ostafrikas, zudem Kenias älteste, heute zweitgrößte Stadt und das Einfallstor ins Land. Um Letzteres zu untermauern, wurde in den 2010er Jahren die Eisenbahnlinie nach Nairobi runderneuert. Die 470 km-Reise mit der Mombasa-Nairobi Standard Gauge Railway (Mombasa-Nairobi-Regelspur-Eisenbahn) dauert nur mehr 4½ Stunden. Damit die Bahnlinie profitabel wird, braucht sie allerdings mehr Fracht und dazu muss sie wie geplant nach Uganda verlängert werden, was bisher aus Mangel an Finanzierung nicht möglich war[3].

Die Hafenstadt ist für das Land jedenfalls ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Nach den rezentesten Angaben des Kenianischen Nationalen Statistikbüros trug Mombasa 2018-22 knapp 5% zum BIP bei – sein nominelles Pro-Kopf-BIP lag an zweiter Stelle hinter der Hauptstadt Nairobi[4]. In der Stadt gibt es Nahrungsmittel- und Chemieindustrie ein Stahl- und ein Aluminiumwalzwerk, eine Erdölraffinerie und ein Zementwerk. Neben dem Sekundär- spielt auch der Tertiärsektor eine wichtige Rolle, also die Dienstleistungen. Neben dem Handel ist der Tourismus wichtig. Der hat allerdings unter der Unsicherheit entlang der kenianischen Küste gelitten, die primär von den Al Shabab-Milizen Somalias verursacht wird (Kenia interveniert ja im Nachbarland im Rahmen der Mission der Afrikanischen Union).

Die Attraktivität seines Kilindini-Hafens[5] schuldet Mombasa der Geologie. “Kilindini“ bedeutet auf Swahili “tief unten“ und bezieht sich auf die Tiefe des Meeresarmes, der sich an der Mombasa-Insel vorbei westwärts ins Land hinein erstreckt. Es handelt sich um ein ehemaliges Flusstal, das vom Meer überschwemmt wurde – kein Fjord, bei deren Entstehen spielten Gletscher eine Hauptrolle, sondern ein “Ria“[6].


Karte von Mombasa, rot der Kilindini-Hafen [7]

Rechts oberhalb des Flughafens, wenig nördlich der Mombasa Road und unweit des Miritini-Bahnhofs (der blaue Punkt), wo die Mombasa-Nairobi-Regelspur-Eisenbahnlinie ihren Anfang nimmt, liegt der Stadtteil Owino Uhuru.

Owino Uhuru ist eine informelle Siedlung, manche sagen Slum dazu – trotz der verkehrsmäßig guten Anbindung jedenfalls alles andere als ein wohlhabender Teil Mombasas[8].

Dort wurde 2009[9] die Metal Refinery EPZ Ltd (Metallraffinerie EPZ GesmbH) installiert. Es handelte sich um einen Autobatterie-Recycling-Betrieb, der im Wesentlichen das Blei alter Batterien einschmolz und verkaufte. Beim Einschmelzen wurde auf die Umwelt wenig geachtet. Blei ist hochgiftig und höchstgradig gesundheitsschädlich[10]. Die Luft und auch das Trinkwasser wurden kontaminiert.

Die Metallraffinerie stellte eine gewisse Phyllis Omido an, eine damals knapp über 30 Jahre alte Betriebswirtin[11]. Sie sollte sich als community liaison officer (Gemeinschaftsverbindungsbeauftragte) des Unternehmens um die Beziehungen zu den AnrainerInnen kümmern.

Das hat sie tatsächlich getan – besser und umfassender, als ihre ArbeitgeberInnen es sich wünschen konnten.

  
Phyllis Omido 13.3.2014 [12]

Sie war um ihren Job sehr froh, konnte sie als alleinerziehende Mutter doch ihren kurz zuvor geborenen Sohn in die Arbeit mitnehmen. Doch drei Monate später erkrankte der Kleine. Im Spital konnte zunächst keine Diagnose erstellt werden, Malaria, Typhus, alle Tests für die üblichen Krankheiten waren negativ. Dann riet ein Kollege Omidos, ein Manager der EPZ-Metallraffinerie, den Kleinen auf Bleivergiftung untersuchen zu lassen. Und tatsächlich: Über ihre Muttermilch hatte er Blei aufgenommen, der Wert in seinem Blut betrug das Siebenfache des Grenzwertes, 35 statt 5 Mikrogramm pro Deziliter.

Eine der ersten Aufgaben Omidos in ihrem Job war das Erstellenlassen einer Umweltverträglichkeitsstudie. Dabei kam heraus, dass die Gefahren für die Beschäftigten (sie wurden nur unzureichend mit Schutzkleidung ausgestattet) und AnrainerInnen erheblich waren. Auch schien es, dass die Genehmigung zur Betriebseröffnung nicht auf legalem Weg zustande gekommen war.

Phyllis Omido empfahl ihrem Unternehmen, mit der Bleischmelze zu übersiedeln. Doch davon wollte die Metal Refinery EPZ Ltd nichts hören.

Omido hatte auch privat ihre Nachforschungen fortgesetzt, hatte zum Beispiel auch andere Kleinkinder auf Bleivergiftungen untersuchen lassen. Es war schnell klar geworden, dass das Autobatterieeinschmelzen für die Gesundheit der rundum lebenden Bevölkerung und die ArbeiterInnen überaus gefährlich war. Bis 2018 soll Blei laut Omido 79 Tode in Owino Uhuru verursacht haben, darunter 46 Kinder. Zwischen 2010 und 2014 sei es auch zu 124 Fehlgeburten gekommen.

Ihr Gewissen ließ Omido keine Ruhe und so kündigte sie bald, brachte sich und ihren kleinen Sohn eine Zeit lang mit Gelegenheitsarbeiten durch. Doch sie ließ die Owino Uhuru-Siedlung nicht im Stich. Ganz im Gegenteil: Sie mobilisierte die Gemeinschaft.

Noch 2009 gründete sie das Zentrum für Gerechtigkeit, Governance und Umweltaktion (Centre for Justice, Governance and Environmental Action/CJGEA).

Fünf Jahre später konnte ein Erfolg erzielt werden: Die EPZ-Bleiraffinerie stellte ihren Betrieb in Owino Uhuru ein.


Nach wie vor im Dienste der Bevölkerung von Owino Uhuru: Omido & Co auf dem Weg zum Berufungsgericht 15.3.2023 [13]

Und Phyllis Omidos Aktivismus zeigte Wirkung: Seit sie zu mobilisieren begonnen hat und bis zum heutigen Tag haben in Kenia 17 toxische Industrieanlagen zugesperrt.

Ihr Wirkungskreis hat sich thematisch und geographisch ausgeweitet, Rechtsbeistand inklusive, sie befasst sich mit Erziehung, Umweltpolitik, Menschenrechten, Klimawandel… Bei der Vorbereitung der 2017er UNO-Resolution zur Bekämpfung unsachgemäßen Recyclings von Bleibatterien in Afrika spielte sie eine große Rolle und sie hat 2017 die Umweltrechte-Organisation (Environmental Rights Organisation/EROG) geschaffen, ein Netzwerk, dem mittlerweile 120 Land- und UmweltschützerInnen angehören, die in sämtlichen Bezirken (counties) Kenias und auch im westlich bzw. südlich benachbarten Uganda und Tansania aktiv sind. Fokus bleibt, AnrainerInnen, Gemeinden, Gemeinschaften vor Umweltschädigungen zu schützen.

Phyllis Omido mangelt es nicht an Anerkennung. Die Preise, die sie eingeheimst hat, gehören zu den bedeutendsten, die es weltweit gibt: 2015 der Goldman Environmental Prize, 2020 der Blue Planet Award der Stiftung Ethecon und soeben ein alternativer Nobelpreis (Right Livelihood Award). Und das sind nur die bekanntesten.


Phyllis Omido & Co am 15. März 2023 vor dem Berufungsgericht, das die Entscheidung der Owino Uhuru-Sache über zwei Jahre hinausgezögert hatte – bis Phyllis Omido die Gemeinschaft mobilisierte und sie vor dem Gericht aufmarschierten [14]

Seien wir froh, dass es ihr nach fast eineinhalb Jahrzehnten offenbar nicht an Engagement fehlt. Auch Drohungen, Verhaftungen und physische Attacken haben sie nicht von ihrem Weg abbringen können. Angst hat sie vor allem um ihren Sohn.

Seien wir froh, denn es bleibt noch viel zu tun. Nicht einmal in Owino Uhuru ist die Sache erledigt. Dort gab im Juni 2023 ein Gericht dem Einspruch des Staates recht und hob ein Urteil auf, das der Owino Uhuru-Gemeinschaft 1,3 Milliarden kenianische Schillinge Entschädigung zuerkannt hatte. Dabei wird zwar nicht die Entschädigung an sich in Frage gestellt, sehr wohl aber die Aufteilung der Schuld, die sich auf die Aufteilung der Zahlungspflichten auswirkt.[15]

Neun Jahre nach dem Zusperren der Bleischmelze müssen die Geschädigten weiter auf Wiedergutmachung warten. Und auch mit der Sanierung der kontaminierten Böden wurde noch nicht begonnen.

Der soeben zuerkannte alternative Nobelpreis[16] macht Mut, schafft Aufmerksamkeit für die Sache[17]. Phyllis Omido denkt vor allem an ihre MitstreiterInnen, die betroffenen AnrainerInnen: “Zurzeit sind viele Menschen in den Gemeinden niedergeschlagen… Dieser Preis wird ihnen die Hoffnung geben, dass sie nicht allein dastehen, sondern Teil eines globalen Kampfes sind.“ (im Original: “It’s a time when communities are feeling dejected…This Award will give them hope that their struggle is not unique to them, they are global struggles.“)


Phyllis Omido im Büro, 20. September 2023 [18]

* * *

Endnoten:

[1] Foto mit freundlicher Genehmigung von (courtesy of) Phyllis Omido/Right Livelihood, https://rightlivelihood.resourcespace.com/pages/search.php?search=%21collection1237&k=b6ca81ff7f.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Präsident Rutos Teilnahme am derzeitigen chinesischen Treffen zum 10. Geburtstag der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative/BRI) soll für weitere Finanzmittel aus Beijing für dieses Projekt sorgen. Zu den Sorgen um die Mombasa-Nairobi Standard Gauge Railway siehe Anne Soy, China’s Belt and Road Initiative: Kenya and a railway to nowhere, BBC Africa Live 13.10.2023 um 23:12, https://www.bbc.com/news/world-africa-67101736. Zu den Problemen der Eisenbahnlinie hat The Conversation immer wieder Artikel publiziert, was die sozialen und Umwelt-Aspekte betrifft siehe z.B. Gediminas Lesutis, Kenya’s big railway project makes life even harder for the poor by ignoring their reality, The Conversation 25.10.2022, https://theconversation.com/kenyas-big-railway-project-makes-life-even-harder-for-the-poor-by-ignoring-their-reality-192789.

[4] Kenya National Bureau of Statistics, 2023 Gross County Product. Measuring the Economic Evolution of Counties, Nairobi 2023 ist auf https://www.knbs.or.ke/2023-gross-county-product-gcp/ herunterladbar. Mombasa County, also der Bezirk Mombasa, ist Kenias kleinster, er besteht nur aus Stadt und Vorstädten. Zum Pro-Kopf-BIP siehe die Grafik ebd., p.30.

[5] Anschauliches und Ausführlicheres zum Hafen findet sich auf https://africaports.co.za/mombasa/.

[6] Der geologische Begriff kommt aus dem Galicischen – ría ist die weibliche, vom männlichen río (Fluss) abgeleitete Form.

[7] produziert von Omondi 19.9.2013, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mombasa_communication_and_transport.png.

[8] Es ist auf Google Maps und anderen Mombasa-Karten am Netz nicht eingezeichnet. Für seine Lokalisierung siehe die kleine Karte in der Bleivergiftungsstudie Nancy A. Etiang’, Wences Arvelo, Tura Galgalo, Samwel Amwayi, Zeinab Gura, Jackson Kioko, Gamaliel Omondi, Shem Patta, Sara A. Lowther, Mary Jean Brown, Environmental Assessment and Blood Lead Levels of Children in Owino Uhuru and Bangladesh Settlements in Kenya, Journal of Health \& Pollution, vol.8 (2018), https://www.semanticscholar.org/reader/461d72c9f4a22ccfa866b6836bc26bb474320618.

[9] Laut anderer Quellen 2007. Einmal steht, am Anfang hätte es geheißen, es handle sich um eine Zuckerl-Fabrik. Die folgenden Angaben zu Phyllis Omido beruhen in erster Linie auf Texten, die anlässlich ihrer diversen Preise publiziert worden sind. Siehe z.B. https://www.goldmanprize.org/recipient/phyllis-omido/#recipient-bio und https://rightlivelihood.org/2023-announcement/l4/. Dazu noch Deborah Bloom, The Woman Risking Her Life to Save a Village from Lead Poisoning, CNN 23.4.2018, https://pulitzercenter.org/stories/woman-risking-her-life-save-village-lead-poisoning.

[10] Siehe z.B. den Blei-Eintrag der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) unter https://www.ages.at/mensch/ernaehrung-lebensmittel/rueckstaende-kontaminanten-von-a-bis-z/blei.

[11] 1978 in Kidinye, einem Dorf ca. 20 km nördlich von Kisumu am Victoria-See im Westen Kenias geboren, hatte sie an der Nairobi-Universität Business Administration studiert.

[12] Foto Phyllis Omido, zugeschnitten und leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Phyllis_Omido_-_01.JPG.

[13] Foto mit freundlicher Genehmigung von  Phyllis Omido/Right Livelihood, leicht zugeschnitten GL, https://rightlivelihood.resourcespace.com/pages/search.php?search=%21collection1237&k=b6ca81ff7f.

[14] Foto mit freundlicher Genehmigung von  Phyllis Omido/Right Livelihood, leicht zugeschnitten GL, https://rightlivelihood.resourcespace.com/pages/search.php?search=%21collection1237&k=b6ca81ff7f.

[15] Siehe z.B. Brian Ocharo, Blow to Owino Uhuru lead-poisoning victims as court quashes Sh1.3bn award, Nation 23.6.2023, https://nation.africa/kenya/counties/mombasa/blow-to-owino-uhuru-lead-poisoning-victims-as-court-quashes-sh1-3bn-award-4281174. Oder auch Charles Mghenyi, Blow to Owino Uhuru residents as Court of Appeal sets aside Sh1.3bn payout, Star 23.6.2023, https://www.the-star.co.ke/counties/coast/2023-06-23-blow-to-owino-uhuru-residents-as-court-of-appeal-sets-aside-sh13bn-payout/.

[16] Mit Phyllis Omido und Eunice Brookman-Amissah bekommen heuer zwei Afrikanerinnen alternative Nobelpreise. Zu zweiterer siehe meinen Artikel vor zwei Wochen: Günther Lanier, Gebären verhindern, ohne das Leben zu riskieren, Ouagadougou (Africa Libre) 4.10.2023, https://www.africalibre.net/artikel/532-gebaeren-verhindern-ohne-das-leben-zu-riskieren bzw. Wien (Radio Afrika TV) 4.10.2023, https://radioafrika.net/gebaren-verhindern-ohne-das-leben-zu-riskieren/

[17] Seit vier Jahren gibt es auf Deutsch ein Buch über Phyllis Omido: Phyllis Omido, Andrea C. Hoffmann, Mit der Wut einer Mutter. Die Geschichte der afrikanischen Erin Brockovich, Europa Verlag 2019, ca. 220 Seiten, https://www.europa-verlag.com/Buecher/6526/MitderWuteinerMutter.html.

[18] Foto mit freundlicher Genehmigung von Phyllis Omido/Right Livelihood, zugeschnitten GL, https://rightlivelihood.resourcespace.com/pages/search.php?search=%21collection1237&k=b6ca81ff7f.

Afrika Tv

Tue 18:00 - 18:30
Wed 16:00 - 16:30
Thu 14:00 - 14:30
Fri 12:00 - 12:30
Sat 10:00 - 10:30
Sun 08:00 - 20:30

Radio Afrika International

On Orange FM 94.0 MHZ

Mon 09:00 - 10:00
Tue 09:00 - 10:00
Wed 09:00 - 10:00
Thu No Transmition
Fri 09:00 - 10:00
Sat 09:00 - 10:00
Sun 09:00 - 10:00

Radio Afrika International

On Ö1 campus

Mon 15:00 - 17:00
Tue 15:00 - 17:00
Wed 15:00 - 17:00
Thu 15:00 - 17:00
Fri 15:00 - 17:00
Sat 15:00 - 17:00
Sun 15:00 - 17:00

Current Events

take a look at the events that are happening right now.

Radio Afrika Tv Newsletter

Sign up to be inside the updates that Radio Africa Tv publishes

Radio Afrika youtube channel

Radio Afrika Tv Podcast

Newsletter Abonnieren

Bleiben Sie mit unserem monatlichen Newsletter über unsere Arbeit informiert!