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Der Kirche Schäfchen oder Klostergroßgrundbesitz versus Agrobusiness

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Es werde Licht! Mit afrikanischen Traditionen hat das freilich nichts zu tun…[1]

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Günther Lanier, Ouagadougou 3. April 2024[2]

* * *

Von der burkinischen Hauptstadt nach Koubri ist es nicht weit, etwa eine Stunde Autofahrt. Koubri ist die erste Stadt – eine Kleinstadt – auf dem Weg in den Süden, Richtung Ghana. Das Département Koubri verfügt über eine Fläche von 555 km2 (deutlich mehr als Wien)[3] und hatte laut Volkszählung 2019[4] eine Bevölkerung von 60.817, die auf die Stadt und 26 Dörfer sowie auf etwas über 13.000 Haushalte verteilt waren.

Ein paar Kilometer östlich von Koubri, auf einer breiten Asphaltstraße bequem zu erreichen, liegt ein Kloster –eigentlich aber sind es zwei. Hier wie anderswo auf der Welt halten Benediktinerinnen und Benediktiner ihre Klöster de iure streng getrennt. De facto wird freilich kooperiert, die Schwestern brauchen z.B. männliche Kollegen zum Feiern der Messe – der Papst hat für seine Kirche ja noch immer keine Priesterinnen zugelassen.


ein Blick aus Priestersicht auf die hier leere achteckige Kirche der Benediktinerinnen

Dass es in Koubri BenediktinerInnen gibt, hat mit dem Expansionswillen der Päpste Pius XII und Johannes XXIII zu tun[5] – die hatten europäische Klöster angeregt oder ihnen den Auftrag erteilt, in die Dritte Welt missionieren zu gehen[6]. Im Frauen-Kloster von Valognes in der Normandie fiel das auf fruchtbaren Boden – ihr Vorhaben wurde vom Prior des zehn Jahre vor Koubri im marokkanischen Atlas gegründeten Tioumliline-Klosters unterstützt.

Wäre es nach den Wünschen aus Valognes gegangen, würde sich das Kloster heute in der Côte d’Ivoire befinden, genauer gesagt in Bouaké. Doch der dortige Bischof war mit zwei französischen Benediktinerinnen-Klöstern gleichzeitig in Verhandlung gewesen und Valognes hatte das Nachsehen[7]. So probierten es die Nonnen weiter nördlich, zuerst in Bobo-Dioulasso (allgemein gegenüber Ouagadougou für sein sanfteres Klima bekannt), wo eine erste Erkundungsmission 1960 (dem Jahr der Unabhängigkeit Obervoltas[8] von Frankreich) jedoch nichts Passendes fand. Bei einer zweiten Mission im Jahr darauf entschied sich das Erkundungsteam – es bestand aus Brigitte de Larminat und Hildegarde Trabarel vom Kloster Valognes, dem Prior des Toumliline-Klosters Placide Pernod und dem von Erzbischof Paul Zoungrana von Ouagadougou delegierten Generalvikar – für das Terrain östlich der Stadt Koubri. Sogar ein Flugzeug war gechartert worden, um sich der Eignung zu versichern.


auf den Klostergründen am Höhepunkt der Trockenzeit

Es ging zügig voran. Der Staat versprach den Bau eines Stausees unmittelbar nördlich des Klosterareals. Damit würde das für die landwirtschaftliche Produktion nötige Wasser vorhanden sein (die BenediktinerInnen mussten ja von etwas leben, um sich den Luxus des Betens leisten zu können)[9]. Und die Verhandlungen mit den Erdherren (auf Mooré, das hier gesprochen wird, tẽngsoaba genannt) waren erfolgreich – noch galt, was Grund und Boden betrifft, traditionelles Recht. Somit war ein Verkauf unmöglich – Grundstücke konnten nur leihweise vergeben werden, zwar durchaus auch auf ewig, aber sie gingen nie ins Eigentum der NutzerInnen über.

Ohne viele Umstände erhielten die BenediktinerInnen 250 Hektar. Von einem Geschenk kann insofern nicht die Rede sein, als von Anfang an klar war, dass sie für die rundum lebenden DörflerInnen Verantwortung übernehmen müssten, zum einen, was Soziales, Gesundheitliches und Schulisches betrifft, zum anderen aber auch im Transfer von Wissen und Knowhow die Landwirtschaft betreffend.

Am 2. Dezember 1961 war man sich handelseins. Unter Führung des tẽngsoaba von Tanvi-Nakamtenga (eines der Dörfer in unmittelbarer Nähe des Klosters) übermachten die zuständigen Grundherren die 250 Hektar feierlich der Erzdiozöse von Ouagadougou. Wie traditionell üblich, wurden keine Grenzsteine gesetzt, sondern der Sohn des tẽngsoaba erklärte öffentlich und zeigte vor Ort allen, welches Areal betroffen war.

Im März 1962 war der versprochene Staudamm nördlich des Klosters fertig[10] und zu Jahresende 1962 kamen die ersten weißen Mönche und Klosterschwestern. Und sie machten sich auch gleich an die Betreuung der rundum lebenden DörflerInnen.


im Herzen des Nonnenklosters: rechts hinter dem Strommast die Kirche, am linken Bildrand die Kantine, im Vordergrund für GästInnen, im Hintergrund für die Schwestern selbst

Die beiden Klöster blühten auf. Zu den weißen Mönchen und Schwestern gesellten sich schnell einheimische. Das Verhältnis zu den BewohnerInnen der umliegenden Dörfer hätte besser kaum sein können, profitierten diese doch von für sie gebauten Schulen und Gesundheitszentren, von Brunnenbohrungen und auch von Arbeitsmöglichkeiten in den Klöstern sowie von dem neuerworbenen Wissen, was Landwirtschaft, Vieh- und sogar Fischzucht betraf, darunter z.B. Fruchtfolge und eselgezogenes Pflügen.

Im Laufe der Zeit spezialisierten sich die Schwestern in erster Linie auf die Joghurt-Produktion – es wird heute in ganz Burkina verkauft, wird aber nicht aus frischer Milch, sondern aus (importiertem) Milchpulver hergestellt. Dazu kommen noch Nebeneinkünfte z.B. aus Hühner- und Schweinezucht, dem Herstellen von Weinen aus verschiedenen Früchten und einem bescheidenen Hotelleriebetrieb, der aber wohl mehr spirituelle als finanzielle Ziele verfolgt. Es wird aber nicht nach deinem Glauben gefragt und hier ist sicher ein idealer Ort, um für zumindest kurze Zeit dem Trubel der Hauptstadt zu entkommen.


auch Hasen werden gezüchtet


und – sehr unüblich in Burkina – es gibt viele Mülltonnen; entsprechend ist die Verseuchung mit Plastiksackerln relativ niedrig

Die Mönche betrieben Landwirtschaft und Viehzucht, experimentierten z.B. mit verschiedenen Rindern (Holstein, Jerseys, Braunvieh) und kreuzten sie mit einheimischen Zebu-Rindern. Pasteurisierte Milch wird im klostereigenen Geschäft ebenso verkauft wie Marmeladen. Obstbau ist wichtig, insbesondere Zitrusfrüchte und Mangos.


die dichtbelaubten und immergrünen Mangobäume sind ideale Schattenspender [11]

 
wie eine Idylle aus anderen Zeiten

In den 1990er Jahren bahnten sich grundlegende Veränderungen an[12]. Die burkinische Regierung wollte, was die Landwirtschaft betrifft, endlich Fortschritte sehen und statt auf Klein- und MittelbäuerInnen setzte sie mehr und mehr auf input- und kapitalintensive Methoden. Eine neue Klasse entstand: die Agrobusinessmen und -women.

Diese neue Art von LandwirtInnen – oft aus der Stadt und ohne viel Ahnung von Landbau oder Viehzucht – wollten Land und zwar viel. Das erwarben sie von denen, die ihnen ihr “Eigentum“ anboten. Rundherum ließen sie Mauern errichten, das sichert ihren Besitzanspruch.


ganz massive Mauern…

2009 wurde auch die Gesetzeslage an die neuen Gegebenheiten angepasst. Das Gesetz 034-2009 begründete ein neues Recht an Grund und Boden, welches – den Vorstellungen des Globalen Nordens entsprechend – Privatbesitz ermöglichte und favorisierte. Schon zuvor war es zu Verkäufen gekommen, oft illegal, ohne dass die Landherren (tẽngsoaba) oder andere betroffene Familienmitglieder zu Rate gezogen wurden. Insbesondere junge Männer verschleuderten Familienbesitz – z.B., um sich ein Moped zu kaufen[13].

Mit dem neuen Gesetz begann ein Wettlauf um kaufbares, erwerbbares Land. Das in Koubri gehörte aufgrund der exzellenten Versorgung mit Wasser zum begehrtesten. Allein 2009/10 stellten die Behörden der Gemeinde 161 Besitzurkunden aus, die Hälfte davon für “neue LandwirtInnen“ aus der Hauptstadt. Die zu Beginn unheimlich niedrigen Preise explodierten – zwischen 2014 und 2019 verzwanzigfachten sie sich[14].

Verkaufbares Land wurde rar. Und so begannen Männer mit mehr oder weniger oder auch gar keinem Anspruch auf Landbesitz das “Geschenk“ zu bereuen, das den BenediktinerInnen 1961 gemacht worden war.


die Mauer am Südrand des (Benediktinerinnen-)Klostergebietes, dahinter ist es nicht mehr weit zum mittleren der drei südlichen Stauseen

 
Stacheldrahtrollen gegen Besitzstörung

Waren sie mit dem ursprünglichen Arrangement vollauf zufrieden gewesen und ging es ihnen auch weiterhin nur um Nutzung und nicht Besitz, so sahen sich die BenediktinerInnen zwecks Erhalts des Status quo gezwungen, ihren Titel dem neuen Gesetz gemäß im Grundbuch zu verankern[15].

Um Übergriffen vorzubeugen, wurden Maschendrahtzäune errichtet, meist aber gleich Mauern gebaut und die waren meist sehr hoch und oft mit Stacheldraht versehen.

Kapitalismus in Reinkultur?

Die BenediktinerInnen haben sich zu wehren gewusst. “Durch die Finger“ schauen vor allem Klein- und MittelbäuerInnen, für deren Produktion kein Land mehr übrig ist.

Das Verhältnis der beiden Klöster zur umgebenden Bevölkerung ist heute jedenfalls viel angespannter als in der Vergangenheit. Es werden zwar nach wie vor Sozialprojekte betrieben und nach wie vor gibt es in den Klöstern Beschäftigungs- und somit Verdienstmöglichkeiten. Aber die alte Harmonie ist dahin. Sogar von Landraub und von Enteignung ist manchmal die Rede. Viele trauern der guten alten Zeit nach[16].

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die lantana camara stammt ursprünglich von den Antillen oder aus Zentralamerika, mittlerweile gibt es sie überall in den Tropen; hübsch – aber laut Internationaler Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) handelt es sich um eine der hundert ärgsten invasiven Pflanzenarten weltweit…

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Pax – Frieden – ist das Motto der BenediktinerInnen; noch bevor es darum geht, zu beten und zu arbeiten. Nicht nur in Koubri und Burkina scheint dieser Frieden immer schwieriger zu verwirklichen.

* * *

Endnoten:

[1] So nicht anders vermerkt: Alle Fotos dieses Artikels von Günther Lanier zwischen 30. März und 2. April 2024. Hier war am Karsamstagabend die Osterkerze der Nonnenklosterkirche von Koubri gerade am Feuer entzündet worden; Bemühungen waren zugange, den Weihrauch in seinem Fass zum Rauchen zu bringen.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Issaka Dahani, Georges Compaoré, Aménagement de la commune périurbaine de Koubri: Superposition de territoires adminstratif et coutumier, Akofena – Revue scientifique des Sciences du Langage, Lettres, Langues & Communication, 2021, 2 (6), pp.315-326, https://hal.science/hal-03214954.

[4] 5e RGPH (Cinquième Recensement Général de la Population et de l’Habitation du Burkina Faso). Synthèse des résultats définitifs, INSD 2022, Ouagadougou 2022.

[5] Schwester Thérèse-Marie, Schwester Brigitte, Historique du monastère des bénédictines de Koubri, https://benedictines.bf/histoire/historique-du-monastere-des-benedictines-de-koubri auf der Webseite des Klosters fokussieren Pius XII (1939-58), Thierry Yaméogo, Monastères africains et conflits fonciers. Le cas de l’abbaye Saint-Benoît des bénédictins de Koubri (Burkina Faso), in: Cahiers d’études africaines 2021/3 (Nr.243), pp.641-659, Éditions de l’Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (EHESS), https://journals.openedition.org/etudesafricaines/34879 hingegen erwähnt auch Johannes XXIII (1958-62), von dem 1962 das 2. Vatikanische Konzil einberufen wurde.

[6] Laut ebd., p.644 haben dabei die päpstliche Enzyklika Fidei Donum (1957) und das 2. Vatikanischen Konzil die Hauptrollen gespielt.

[7] Und zwar gegenüber den Benediktinerinnen von Pradines.

[8] Bis 1984 hieß Burkina Faso Obervolta, so wie zu Kolonialzeiten. Erst zu Zeiten der Revolution (1983-87) trennte man sich vom kolonialen Landesnamen.

[9] Siehe die Karte in Thierry Yaméogo, a.a.O., p.646 um zu sehen, wie wassermäßig bevorzugt die Gegend ist.

[10] Inzwischen sind drei große Staudämme im Südwesten, Süden und Südosten des Klosters dazugekommen. So wasserbegünstigt ist wohl kaum ein anderes Gebiet in der Trockensavanne.

[11] Dieses und das folgende Foto sind vom 31.12.2023. Die Mangobäume haben sich kaum geändert, nur das Gras darunter ist noch trockener.

[12] Die Revolution wurde ab 1987 zunächst “rektifiziert“. Ab Anfang der 90er Jahre wurden unter Blaise Compaoré Programme der Bretton Woods-Institutionen umgesetzt.

[13] Einzig das Dorf Naaba Zana hat sich laut Thierry Yaméogo nicht am Landverkaufen beteiligt. Siehe Thierry Yaméogo, a.a.O., p.650. Die Frage ist, ob sich das seit der Feldforschung des Autors 2017/18 geändert hat.

[14] Thierry Yaméogo, a.a.O., p.651, inhaltlich exzellent, steht mit Zahlen auf Kriegsfuß. Von 250.000 auf 5.000.000 F Cfa pro Hektar (381 Euro auf 7.622) nennt er eine 20%ige Steigerung.

[15] Seit 2007 hatten sie sich darum bemüht, 2010 war es vollbracht. Ebd., p.647.

[16] Siehe ebd., pp.652ff.

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