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Der großwildmordende Nobelpreisträger

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Foto: Ernest Hemingway auf seiner Farm in Kuba [1]

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Günther Lanier, Ouagadougou 15. November 2023[2]

* * *

Seinen Literatur-Nobelpreis hat Hemingway vor 69 Jahren bekommen, 1954 war das. Ich habe in meiner Jugend ein paar Bücher von ihm gelesen, darunter dasjenige, für das er den Pulitzer- und den Nobelpreis bekam: Der alte Mann und das Meer (The Old Man and the Sea, 1952).

Vor kurzem bin ich wieder auf ihn gestoßen – eine kurze Passage in Alberto Moravias “Afrikanische Promenaden“[3] beschäftigt sich mit ihm.

Moravia war ein großer Reisender, war öfter in Afrika unterwegs, hielt sich für einen großen Afrika-Kenner. Unter anderem stattete er Nationalparks gerne Besuche ab, schwelgte dann in Reflexionen über das Paradies auf Erden[4] und das harmonische Zusammenleben von Menschen und Tieren[5].

So eine Herangehensweise unterscheidet sich freilich gründlich von der Hemingways, war dieser doch begeisterter und bekennender Großwildjäger.


Löwin im Virunga-Nationalpark nahe Rwindi [6]

Alberto Moravia ruhte sich im Camp de la Rwindi im Virunga-Nationalpark von den Strapazen eines Vormittags aus, den er mit der Suche nach LöwInnen und anderen Tieren im hohen Gras verbracht hatte. Allzu anstrengend dürfte es nicht gewesen sein, denn er hatte sich im Land Rover herumkutschieren lassen. Dieses Hotel Camp de la Rwindi ist mittlerweile geschlossen: Es liegt knapp 100 km Luftlinie nördlich von Goma und zöge heutzutage sicher, wäre es offen, mehr schwerbewaffnete RebellInnen an als zahlende GästInnen.

Den vor allem für seine Berggorillas bekannten Virunga-Nationalpark gibt es seit 1969. Damals wurde der älteste afrikanische Nationalpark, der seit 1925 bestehende Albert-Nationalpark, unter Kongo-Kinshasa, Uganda und Ruanda aufgeteilt.


Bernhard zur Lippe-Biesterfeld, Prinzgemahl der niederländischen Königin Juliana, 1973 auf Fotosafari im Virunga-Nationalpark [7]

Moravia ruht sich also aus[8]. Und er hat als Reiselektüre Hemingways “Die grünen Hügel Afrikas“[9] mit dabei und reflektiert[10].

“(…) in dem Buch müssen wir unterscheiden zwischen dem ästhetisierenden Teil einer Literatur, die der dekadenten Sorte angehört und Aktion, Gewalt und den Tod verherrlicht und dann einem Teil der einfachen und direkten Repräsentation.
Aus dieser (…) Unterscheidung folgt meines Erachtens eine Teilung von Hemingways Persönlichkeit in drei Modalitäten der Beziehung zum Wirklichen: seine Beziehung zur Natur, seine Beziehung zu den Tieren und seine Beziehung zu den Menschen. Die erste Modalität ist nicht ästhetisierend, die anderen beiden schon, obgleich auf verschiedene Art.
Beginnen wir mit der ersten. Was für ein unvergleichlicher, außergewöhnlicher Maler der afrikanischen Natur ist Hemingway doch! Dank der Jagd hat er diese Natur nicht so sehr gesehen und bewundert als bis ins letzte Detail erforscht und entdeckt, in ihrer anonymen Vielfalt, unvorhersehbar in den Erscheinungsformen, im vieldeutigen und zufälligen Mysterium, in ihrer majestätischen, unergründlichen Gleichgültigkeit. Wenn der Ästhetizismus, wie ich glaube, tatsächlich eine Form des Konsums ist, dann “konsumiert“ Hemingway die afrikanische Natur nicht. Wenn er sagt, ein Baum ist schön, bezieht er seine Schönheit nicht auf sich, er begnügt sich damit, ihr Vorhandensein festzustellen. Daher kommt es, dass es in Die grünen Hügel Afrikas keine ‘Bravourstücke’ zur Natur gibt, sondern nur eine Unzahl von eigenständigen Notizen, die für uns letztlich ganz Afrika[11] nachbilden.
Ganz anders ist die Beziehung zu den Tieren, sie ist durch den Ästhetizismus der Gewalt, des Blutes und des Todes bestimmt. Es besteht kein Zweifel, dass Hemingway von der Jagd begeistert war, dass er ein Jagdexperte war, aber die zwanghafte Art, wie er versucht, diese persönliche Vorliebe auf die Ebene einer Art Weltsicht zu erhöhen, ist literarisch, auf eine überaus dekadente Art literarisch. Textlich löst das Sichten des bescheidensten Warzenschweins oder des allergewöhnlichsten Perlhuhns[12] bei Hemingway in Die grünen Hügel Afrikas unweigerlich den Reflex des Mordes aus.
Und was für eine literarische Gefälligkeit beim Beschreiben der getroffenen Ziele, wenn das Vollmantelgeschoss des Springfield-Gewehrs den Halswirbel einer Antilope zum Bersten bringt! Und was für ein Rasen des stilechten Jägers, der er ist, wenn der Schuss danebengeht oder ein Rivale besser geschossen hat als er! In seiner Beziehung zu Tieren ist Hemingway nicht so sehr Sportler als Ästhet der Vernichtung, süchtig nach Blut und Tod. Hier will ich anmerken, dass es interessanterweise die Angeberei ist, die für die Vermittlung zwischen der Jagd-Wirklichkeit und dem Ästhetizismus des Jägers sorgt. Wie Hemingway in seiner kürzlich veröffentlichten Korrespondenz behauptet, im Krieg zweiundzwanzig Deutsche getötet zu haben, so schmückt er auch, wenn er von den Tieren seiner Safari spricht, die Ereignisse mit übermäßiger Prahlerei aus, wir könnten meinen, er wolle die Gewissensbisse für den Mord kompensieren.
Schließlich offenbart auch seine Beziehung zu den Menschen, die in Die grünen Hügel Afrikas die afrikanischen Führer und seine europäischen Begleiter[13] sind, dass es sich um Literatur handelt in dem Sinn, dass Hemingway sich nicht kennt oder, was aufs Gleiche hinausläuft, vorgibt, sich nicht zu kennen, und von sich selbst ein zumindest peinliches Porträt zeichnet, wenn auch wahr ist, dass er es in allen seinen Büchern mehr oder weniger wiederholt hat.
Natürlich sind die Afrikaner in Wirklichkeit keine Sklaven und die Europäer keine Speichellecker, doch sie sind es, weil Hemingway sie – zumindest auf den Seiten seines Buches – so haben will. Paternalistisch und kapriziös, sentimental und aggressiv, benötigt Hemingway in seiner Beziehung zu den Menschen ein drittes Element, das dieselbe Funktion erfüllt wie die Angeberei bei den Tieren, und das ist der Alkohol. Dank der Bier- oder Whisky-Flasche kann Hemingway bis zum bitteren Ende seinen üblichen synkopierten Dialog mit den afrikanischen Führern und seinen europäischen Begleitern artikulieren, wobei er stets das Gleichgewicht wahrt zwischen arrogantem Anspruch und der schlichtweg aggressiven Vertraulichkeit des Haustyrannen. Was für eine eigenartige, unpassende Figur, dieser Hemingway!“


junger Gorilla in Jomba [14]

* * *

Endnoten:

[1] FotografIn unbekannt, kein Datum, John F. Kennedy Library, Columbia Point, Boston, MA, 02125-3398, leicht zugeschnitten GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ernest_Hemingway_at_the_Finca_Vigia,_Cuba_-_NARA_-_192663.jpg.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Im Original “Passeggiate africane“, © 1987. Soviel ich weiß, gibt es von dem Buch keine deutsche Übersetzung. Mir ist per Zufall eine französische Version “Promenades africaines“, Paris (arléa) 1993 in die Hände gefallen. Ich nenne diese französische Ausgabe in der Folge “Moravia“, übersetze aus ihr und Seitenangaben beziehen sich auf sie.

[4] Moravia, pp.20-25.

[5] Ebd., p.21.

[6] Foto Ad Meskens Juli 1989, zugeschnitten GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rwindi_42.jpg.

[7] Foto Rob Mieremet 16.8.1973, leicht zugeschnitten GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Prins_Bernhard_maakt_foto_safari_in_Zaire_in_nationale_park_Virunga,_Bestanddeelnr_254-9355.jpg.

[8] Moravia, p.85.

[9] Im Original “The Green Hills of Africa”, 1935 erschienen. Darin werden des Autors Jagderlebnisse von Anfang 1934 vor allem im heutigen Tansania beschrieben.

[10] Ich übersetze hier folgend Moravia, pp.86-88.

[11] Dieses Über-ganz-Afrika-Schreiben ist typisch für Moravias Buch und macht m.E. seine größte Schwäche aus.

[12] Hier irrt die insgesamt flüssige und gut zu lesende französische Übersetzung: Das italienische faraone bedeutet in diesem Kontext nicht pharaon (Pharao), sondern Perlhuhn.

[13] Hier wird zumindest in der französischen Übersetzung nur die männliche Form verwendet, obwohl Hemingways Frau in dem Buch eine wesentliche Rolle spielt. Bei den Führern/Afrikanern nehme ich an, dass es sich tatsächlich nur um Männer gehandelt hat.

[14] Foto Radio Okapi 12.9.2004, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Adolescent_gorille_%C3%A0_Jomba,_pr%C3%A8s_de_Goma,_2003.jpg.

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