der Togolese Sadikou Oukpedjo hat den Großen Preis der BISO 2023 erhalten [1]
* * *
Günther Lanier, Ouagadougou 22. November 2023[2]
* * *
Sie ist leider schon vorbei: Vom 4. Oktober bis zum 9. November war am Sitz der FESPACO[3] die dritte Ausgabe der Internationalen Skulpturen-Biennale von Ouagadougou/BISO[4] zu sehen. Am 9. November, unmittelbar vor dem Aufräumen, vor dem Entfernen der Exponate, konnte ich die Ausstellung im Rahmen einer von CLIF[5] organisierten Führung noch sehen. Unser Führer war niemand geringerer als der BISO-Organisator Nyaba Léon Ouédraogo – er selbst schafft keine Skulpturen, ist Fotograf.
Gemeinsam mit Christophe Person[6] hat er 2019 die BISO ins Leben gerufen. Die ersten beiden Ausgaben[7] 2019 und 2021 haben im französischen Kulturinstitut stattgefunden. Dieses steht derzeit nicht zur Verfügung – es wurde leider anlässlich des Staatsstreichs von Ibrahim Traoré vor etwas mehr als einem Jahr verwüstet und wird derzeit renoviert, was insbesondere auch wegen der dortigen gut bestückten Bibliothek ein völliges Verirren ansonsten verständlicher anti-französischer Ressentiments bedeutete[8].
das Plakat zur Ausstellung mit ihrem Titel: Le feu des origines – das Feuer der Ursprünge
Manchmal hat ein Unglück positive Auswirkungen. Der Ersatz-Ort, den Nyaba Léon Ouédraogo gefunden hat, ist in sich eine Entdeckung, findet sich im Herzen des FESPACO-Geländes doch seit Jahrzehnten ein nie endgefertigtes rundes Bauwerk. Da sollen Geister zu Werke sein: Nachdem beim Versuch des Fertigstellens immer wieder Dinge schief gegangen waren, traut sich niemand mehr an den Versuch einer Fertigstellung.
Die grobschlächtige Betonkonstruktion, die ungeschönt ihre Strukturen preisgibt, bietet jedoch einen idealen Rahmen für die BISO-Skulpturen und -Installationen.
die Kübeln am Fuß der Treppen sind vom Kameruner Barthélémy Toguo, kein BISO-Teilnehmer, sondern Vorsitzender der BISO-Jury [9]
Die bei der BISO ausstellenden KünstlerInnen wurden aus über 200 Bewerbungen ausgewählt[10]. Sie mussten ihre Exponate vor Ort schaffen. Dabei war eine Zusammenarbeit mit lokalen HandwerkerInnen und KünstlerInnen durchaus intendiert: Kunstfertigkeit und Kreativität sollten anstecken.
Immer wieder wundere ich mich, wie das Leben in Burkinas Hauptstadt Ouagadougou relativ unbeeinträchtigt weitergeht in diesen Zeiten des Terrorismus und des Krieges, wo rund die Hälfte des burkinischen Territoriums sich nicht mehr unter zentralstaatlicher Kontrolle befindet. Die BISO-Ausstellung ist ein weiterer Beweis für diese offensichtliche Resilienz des Friedenszeiten-Alltags im Angesicht von näher rückender Bedrohung und Gefahr. Ich hoffe sehr, dass wir nicht nur ohnmächtig die Augen schließen.
abermals aus dem Inneren des unfertigen Gebäudes, das sich ringförmig um die Arena schlingt
Ich begnüge mich für den Rest des Artikels mit einer Auswahl von Fotos der ausgestellten Skulpturen.
rechts hinten die Exponate des prämierten Sadikou Oukpedjo
Von der Wirklichkeit der Ausstellung bleiben ja nur mehr Wörter und Bilder. Über die Wirklichkeit triumphieren stets die Berichte über sie[11].
MigrantInnen und links hinten die Zurückgelassenen, von Boukaré Bonkoungou
die mit ihrer Tochter tanzende Tänzerin, von Hamidou Koumaré
Sadikou Oukpedjos Skulpturen aus größerer Nähe
Sébastien Boko hat dieses Mal mit Holz gearbeitet
Aïcha Snoussis Installation
holzkohle-basierte Installation von Steeve Bauras
“Flüssiges Metall“ hat der Nigerianer…
… Samuel Nnorom seine Installation genannt
Rachel Marsil, “Mit meinen Augen berührte ich die Sonne“
“Gegenseitige Hilfe“ von Mohamed Keïta
zum Abschluss noch die Doppelfigur des BISO-Preisträgers Sadikou Oukpedjo
Noch einmal zurück zum Schreiben: Der Titel der dritten BISO-Ausgabe und auch meines Artikels ist ein Zitat: Emmanuel Dongalas 1987 veröffentlichter zweiter Roman heißt Le feu des origines, das Feuer der Ursprünge.
* * *
Endnoten:
[1] Grand Prix BISO 2023 X Fondation Donwahi. Dieses und alle folgenden Fotos: Günther Lanier, 9.11.2023.
[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[3] FESPACO = Festival panafricain du cinéma et de la télévision de Ouagadougou, also panafrikanisches Film- und Fernsehfestival von Ouagadougou, findet alle zwei Jahre in der Woche statt, die von Ende Februar in den März reicht.
[4] BISO = Biennale Internationale de Sculpture de Ouagadougou.
[5] CLIF = Club International des Femmes de Ouagadougou. Zu CLIF siehe Günther Lanier, CLIF oder Aus dem Schatten treten, Ouagadougou (Africa Libre) 15.3.2023, https://www.africalibre.net/artikel/494-clif-oder-aus-dem-schatten-treten bzw. Wien (Radio Afrika TV) 15.3.2023, https://radioafrika.net/clif-oder-aus-dem-schatten-treten/.
[6] Experte in afrikanischer Kunst. Hat sich mit dem Versteigern afrikanischer Kunstwerke einen Namen gemacht. Hat vor einigen Monaten In Paris eine Galerie gegründet. Siehe das Interview mit ihm in Nicolas Michel, Christophe Person : «Nous avons besoin d’avant-gardes africaines», Jeune Afrique 7.4.2023, https://www.jeuneafrique.com/1431187/culture/christophe-person-nous-avons-besoin-davant-gardes-africaines/.
[7] Zur ersten siehe Günther Lanier, Kunst in Zeiten des Terrorismus. BISO 2019, die internationale Skulpturenbiennale von Ouagadougou, Ouagadougou (Africa Libre) 13.11.2019, https://www.africalibre.net/artikel/247-kunst-in-zeiten-des-terrorismus-oder-internationale-skulpturenbiennale-von-ouagadougou-biso-2019 bzw. Wien (Radio Afrika TV) 13.11.2019 (dort aber nicht mehr verfügbar).
[8] Zudem war das Institut français der nahezu einzige Ort in Ouagadougou, an dem außerhalb von FESPACO und anderen Filmfestivals CineastInnen hochwertige Filme sehen konnten.
[9] Die restlichen Jury-Mitglieder waren Abdoulaye Konaté (Mali), Jean Servais Somian (Côte d’Ivoire), Ky Siriki (Burkina Faso), Illa Donwahi (Côte d’Ivoire), Gauz (Côte d’Ivoire) und Hamady Bocoum (Senegal).
[10] Ausgestellt haben Rachel Marsil (Frankreich/Senegal), Boukaré Bonkoungou (Burkina Faso), Steeve Bauras (Martinique, Frankreich), Demba Camara (Côte d’Ivoire), Mélinda Fourn-Houngbo (Frankreich/Benin), Koffi Mens (Togo/Burkina Faso), Aline Poco (Frankreich/Burkina Faso), Hamidou Koumaré (Mali), Louisa Marajo (Martinique/Frankreich), Sadikou Oukpedjo (Togo/Côte d’Ivoire), Samuel Nnorom (Nigeria), Evans Mbugua (Kenia/Frankreich), Shaka (Kongo-Kinshasa), Hervé Youmbi (Kamerun), Aïcha Snoussi (Tunesien), Mohamed Keïta (Mali), Abou Traoré (Burkina Faso), Hyacinthe Ouattara (Burkina Faso), Sébastien Boko (Benin).
[11] Als Worteschmied feiert Salman Rushdie diese Tatsache am Ende seines letzten Romans “Victory City“. Dort lässt er seine Heldin Pampa Kampana ihre Chronik des mittelalterlichen südindischen Vijayanagar-Reiches folgendermaßen beschließen: Ob Königinnen und Könige gesiegt haben oder besiegt wurden, “(s)ie werden erinnert werden, so wie ich beschlossen habe, sie zu erinnern. Ihre Taten werden nur bekannt sein, wie sie niedergeschrieben sind. Sie werden die Bedeutung haben, die ich ihnen verleihe. Auch ich selbst bin fortan nichts. Alles, was bleibt, ist diese Stadt aus Wörtern. Wörter sind die einzigen Sieger.” Salman Rushdie, Victory City, New York (Random House Publishing Group/Kindle edition) 2023, p.331. Übersetzung GL.