Foto: Eine Frau facht ihr Kochfeuer an. Botswana [1]
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Günther Lanier, Ouagadougou 3.8.2022[2]
Kürzlich hat das World Economic Forum die 2022er Ausgabe seines Gender Gap Reports veröffentlicht[3].
Dieses Weltwirtschaftsforum – bekannt vor allem für seine hochkarätigen, in nicht-Covid-Zeiten alljährlichen Davoser Treffen – hat keinerlei umstürzlerischen Ambitionen. Es vertritt in erster Linie die Interessen großer Unternehmen[4].
So ist es wenig überraschend, dass sich hinter dem Gender Gap Report kein Feminismus verbirgt. Vielmehr sei es eine Verschwendung, die “Ressource Frau“ weniger zu nutzen als möglich, sie sozusagen brachliegen zu lassen.
Frau mit Kleinkind am Feld. Tansania [5]
Dieser Ansatz interessiert wiederum mich nicht. Dennoch ist der “Geschlechterkluftbericht“ nützlich, ermöglicht er doch einen internationalen Vergleich der Benachteiligung von Frauen.
Der Geschlechterkluftindex des Weltwirtschaftsforums setzt sich aus vier Komponenten zusammen: Ökonomie – Bildung – Gesundheit – Politik. Jeder dieser Subindizes ist abermals über alle Grenzen hinweg vergleichbar.
Der ökonomische Subindex besteht z.B. aus fünf Werten, die ersten beiden sind die Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen und die Gleichheit der Entlohnung zwischen Männern und Frauen für gleiche Arbeit.
Die Tabelle zeigt – in alphabetischer Reihenfolge (siehe weiter unten für eine Reihung nach dem Rang) – zunächst den Indexwert jedes Landes, in den darauffolgenden Spalten dann die Werte der vier Subindizes[6]. 0 ist jeweils das schlechtestmögliche, 1 das bestmögliche Resultat. Die letzten beiden Spalten zeigen den Rang weltweit und innerhalb Afrikas. N.g. bedeutet “nicht gereiht“ und k.A. “keine Angaben“.
Weltweit sind mittlerweile 146 Länder im Geschlechterkluftindex erfasst – in Afrika sind es leider nur 40 der 55 Staaten.
Generell sind bei Bildung und Gesundheit die Unterschiede wesentlich geringer als bei Ökonomie (der eigentliche Name ist “Ökonomische Teilhabe und Gelegenheit“) und Politik (eigentlicher Name “Politisches Empowerment“).
Herstellen von Palmöl, Nigeria [7]
Was die Politik betrifft, fließen drei Werte in den Subindex ein: der Frauenanteil im Parlament, der Frauenanteil unter den MinisterInnen und das Verhältnis der Jahre mit einer Staatschefin gegenüber den Jahren mit einem Staatschef während des letzten halben Jahrhunderts.
Männer beim Dame-Spiel, Simbabwe [8]
Für den Bildungssubindex zählen die Alphabetisierungsrate sowie die Raten beim Schulbesuch auf primärer, sekundärer und tertiärer Ebene. Den Gesundheitsindex determinieren das Verhältnis weiblicher zu männlicher Geburten sowie die “Gesundheitserwartung“, also die durchschnittlich zu erwartenden gesunden Lebensjahre.
Diese zweite Tabelle enthält keine neuen, sondern nur anders arrangierte Daten – die afrikanischen Länder sind nach dem Ergebnis im Geschlechterkluftindex gereiht.
Dass Ruanda – mit dem welthöchsten Frauenanteil im Parlament – am besten abschneidet, kommt wenig überraschend. Weltweit belegt es hinter Island, Finnland, Norwegen, Neuseeland und Schweden den 6. Platz. Weniger geläufig dürfte im Allgemeinen sein, dass ihm Namibia fast ebenbürtig ist – es “schlägt“ Ruanda in den ersten drei Subindizes, nur in der Politik unterliegt es.
Die nordafrikanischen Länder reihen sich hinten ein, Tunesien auf Platz 26 (von 40 gereihten) steht noch recht gut da, Algerien erreicht nur den 37. Rang. Die drei afrikanischen Staaten, wo die Kluft zwischen den Geschlechtern nach Messung des Weltwirtschaftsforums am größten ist, sind aber Mali, Tschad und Kongo-Kinshasa.
Hausarbeit. Nigeria [9]
Wie üblich, wollte ich auch heute Fotos zu meinem Thema. Auf Wikimedia brauchte ich nicht lange zu suchen. “African women“ lieferte mir eine beeindruckende Reihe passender Bilder, auch wenn “African men“ weniger ergiebig war. Die Kluft zwischen den Geschlechtern lässt sich mit Fotoapparaten genauso gut erforschen und dokumentieren wie mit Statistiken. Auch Absenzen können laut schreien – kein Mann beim Abwaschen im Hinterhof und keine Last auf dem männlichen Moped… Beides in Nigeria, Rang 28 von 40 im Index.
Es arbeite die Frau… Nigeria [10]
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Endnoten:
[1] Foto Nglazi 17.7.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:African_woman_blowing_on_fire.jpg.
[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[3] World Economic Forum, Global Gender Gap Report 2022. Insight Report. Cologny/Genf (WEF) Juli 2022, herunterladbar auf https://www.weforum.org/reports/global-gender-gap-report-2022/.
[4] Die tausend Mitglieder sind typischerweise transnational agierende Firmen mit über 5 Mrd USD Umsatz.
[5] Foto Jameserickuzwa 6.10.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:African_Woman-james_Kuzwa.jpg.
[6] Für den Gesamtindexwert und die Ränge gibt es im Gender Gap Report auf p.25 eine Übersichtstabelle für Subsahara-Afrika und auf p.24 eine zu Westasien und Nordafrika. Die Subindexwerte sind auf pp.72ff auf den jeweiligen Länderseiten zu finden.
[7] Foto Iwuala Lucy 19.3.2022, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:An_African_Woman,_happily_engaged_in_her_palm_oil_processing_02.jpg.
[8] Foto Nokhuthula 10.3.2019 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:African_men_relaxing.jpg.
[9] Foto Nosakhare Okuons 12.4.2022, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:African_woman._Her_work,_Her_home.jpg.
[10] Foto Periye 4.1.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:African_Woman_transporting_crops_on_her_motorcycle.jpg.