Statement ADEPT & Radio Afrika TV zu Ukraine
declaration de ADEPT & Radio Afrika TV sur l’Ukraine
Seit dem Einmarsch von Russland in die Ukraine am 24. Februar, herrscht dort Panik und Chaos. Tausende Menschen versuchen verzweifelt dem bewaffneten Konflikt zu entfliehen und versuchen das Land mit allen Mitteln zu verlassen. Dabei gibt es eine „natürliche“ Reihenfolge der Prioritäten, so wie von in der Ukraine lebenden Afrikanerinnen und Afrikanern selbst unter dem Hashtag #AfricansInUkraine veröffentlicht wird: zuerst weiße Frauen und Kinder. Dann weiße Männer. Zuletzt mit etwas Glück schwarze Frauen und Kinder und letztendlich schwarze Männer.
Ich habe mit einer nigerianischen Studentin videotelefoniert, die gerade in der Ukraine um ihr Leben bangt. Sie erzählt, dass sie und andere Afrikaner von Weißen aus Zügen geschubst wurden, in Gebäude nicht reingelassen wurden und allesamt ziemlich verstreut und verloren sind.
— Malcolm Ohanwe (@MalcolmOhanwe) February 27, 2022
Immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer suchen Schutz in der EU und machen sich auf den Weg in die Nachbarländer. In Polen seien bisher mehr als 100.000 Flüchtlinge angekommen, bis zu einer Million werden erwartet. Die Wartezeiten, um über die polnische Grenze zu gelangen sind lang, die Temperaturen sind niedrig. Die Flucht Schwarzer Menschen gestaltet sich hingegen als komplizierter. Auf den sozialen Plattformen und in den internationalen Medien häufen sich Berichte von Rassismus seitens der ukrainischen Polizei und Armee.
„Sie lassen Schwarze nicht einsteigen“
Über 20% der internationalen Studierenden in der Ukraine kommen aus Afrika, die meisten von ihnen aus Ägypten, Nigeria und Marokko. Weil die Flughäfen geschlossen sind, können sie nicht in ihre Herkunftsländer zurück und stecken nun in der Ukraine fest. Sowohl die marokkanische und die ägyptische Regierung haben in Hinblick auf die angespannte Situation schnell reagiert. So wurden marokkanische Studierende schon bereits vor 2 Wochen dazu aufgefordert die Ukraine zu verlassen. Die ägyptische Botschaft koordiniert seit über einer Woche die Rückkehr ihrer Studierenden aus der Ukraine.
Viele afrikanischen Studentinnen und Studenten drücken ihre Angst aus und fühlen sich allein gelassen. Ihr Wunsch die Ukraine zu verlassen wird behindert und das hat nur einen Grund: Rassismus.
„Einige Leute haben versucht in die Busse einzusteigen, aber sie lassen Schwarze grundsätzlich nicht einsteigen. Sie geben den Ukrainern und Ukrainerinnen den Vorrang“
erzählt ein britischer Staatsbürger afrikanischer Herkunft dem Business Insider Sky.
Solche Aussagen häufen sich. Haben es einige geschafft die polnische Grenze zu erreichen, werden viele wegen fehlender Visa nicht durchgelassen, obwohl die polnische Regierung versichert hat, dass alle Flüchtlinge aus der Ukraine nach Polen kommen können, unabhängig der Nationalität.
Man ist auf sich allein gestellt
„Viele afrikanische Regierungen haben keinen Sinn für Verantwortung gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern“,
sagte ein Mitarbeiter des US-Zentrums für ‚African Prosperity‘.
Nigerianische Studentenvereinigungen in der Ukraine klagen über nicht beantwortete Anrufe bei der nigerianischen Botschaft in Kiew.
„Alles was sie sagen ist die Website zu checken, aber das letzte Update auf der Website ist vom 26. Januar. Jede/r ist absolut auf sich allein gestellt.“ so ein nigerianischer Student gegenüber Al Jazeera.
so ein nigerianischer Student gegenüber Al Jazeera.
Donnerstag veröffentlichte die nigerianische Botschaft eine Mitteilung, in der sie nigerianische Staatsangehörige dazu drängte Ruhe zu bewahren, wachsam zu bleiben und verantwortlich für die eigene Sicherheit zu sein.
Ghana evakuiert
Nachdem ein ukrainischer Zug, der ghanaische Studierende beförderte, von Russen angegriffen wurde, wurden Sorgen bezüglich ihrer Sicherheit ausgedrückt. Zum Glück konnten alle Betroffenen unverletzt entkommen. Vergangenen Freitag gab das Auswärtige Ministerium Ghanas dann bekannt, dass sie in Kontakt mit ghanaischen Studierenden stünde. Es wurde beschlossen sie in die Nachbarländer Moldawien, Belarus, Slowakei und Ungarn zu evakuieren.
Bereits am Dienstag sollen aber 250 ghanaische Studenten und Studentinnen sicher nach Polen transportiert werden. Dort sollen sie dann 15 Tage Zeit haben, um weiter ihre Ausreise zu planen. Der Vorsitzende der ghanaischen Studentenvereinigung betonte allerdings, dass sie sich selbst organisieren würden. Der eingeschränkte Zugang zu Bankautomaten jedoch, erschwere den Prozess.
Unbegrenzte Aufnahme in der EU
Die EU stellt klar, dass nicht nur ukrainische Staatsangehörige aufgenommen werden, sondern auch afrikanische Studentinnen und Studenten. Es wird mit Millionen Flüchtlingen gerechnet, was den sogenannten „Flüchtlingssommer“ von 2015, in dem rund eine Million Schutzsuchende aus Syrien nach Europa kamen, weit überschreiten könnte. Damals weigerten sich nationalkonservative Staaten wie Polen, Ungarn oder Österreich Asylsuchende aufzunehmen. Doch das soll sich jetzt ändern.
Vor einigen Wochen baute Polen an der Grenze zu Belarus eine Befestigung, um Flüchtlinge & Asylsuchende aus Irak, Afghanistan oder andere Migranten vom Grenzübertritt abzuhalten. Jetzt bekommt jede geflüchtete Person Zuflucht. Lagen ändern sich schnell. https://t.co/OnMkII4WWM
— Malcolm Ohanwe (@MalcolmOhanwe) February 28, 2022
Vor einigen Wochen baute Polen an der Grenze zu Belarus eine Befestigung, um Flüchtlinge & Asylsuchende aus Irak, Afghanistan oder andere Migranten vom Grenzübertritt abzuhalten. Jetzt bekommt jede geflüchtete Person Zuflucht. Lagen ändern sich schnell.
Die Grenzen seien auch für Menschen aus Drittstaaten offen, stellte EU-Kommissarin für Inneres und Migration, Ylva Johannson klar, nachdem afrikanische Flüchtende an den polnischen Grenzen schikaniert worden waren.
„Denen muss auch geholfen werden. Außerdem können Schutzbedürftige in der EU auch Asylanträge stellen.“
Bisher gibt es kein Hilfsgesuch seitens der polnischen Behörden und die deutsche Innenministerin Nancy Faeser lobte Polens Flüchtlingslogistik. Vor einigen Wochen klang das allerdings noch ganz anders, als Polen begann eine Befestigung an der Grenze zu Belarus zu errichten um Flüchtende aus Irak, Afghanistan und anderen Ländern abzuhalten. Woher kommt dieser Sinneswandel, der scheinbar die ganze EU erreicht hat?
‚European refugees welcome‘
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser spricht von einem „totalen Paradigmenwechsel“ und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verspricht einen Empfang mit offenen Armen, für alle Flüchtlinge aus der Ukraine.
Wieso muss erst ein Krieg in Europa ein Umdenken bei den EU-Mitgliedsstaaten anregen?
Vielleicht liegt es daran, dass die Ukraine geografisch nicht so weit weg liegt und uns der Konflikt deshalb näher erscheint. In unserer global vernetzten Welt könnte uns dieser Grund unwahrscheinlich erscheinen, jedoch wird geographische Nähe zu Katastrophen – egal ob es Naturkatastrophen oder Konflikte sind – immer intensiver wahrgenommen, da man die physische Nähe dazu fast am eigenen Leib spürt.
Dass die Solidarität mit Ukrainerinnen und Ukrainern aufgrund ihres europäischen und (mehrheitlich) weißen Hintergrunds ebenso ein Faktor ist, kann sich nach der EU- Flüchtlingspolitik der letzten Jahre, wohl kaum leugnen lassen.
Quellen:
Nur raus aus der Ukraine | Aktuell Europa | DW | 26.02.2022
“You’re on your own”: African students stuck in Ukraine seek refuge or escape route | Reuters
Nigerian students stranded in Ukraine amid Russian invasion | Features News | Al Jazeera
Thousands of African students are stuck in Ukraine | Africa | DW | 24.02.2022
Racismo encurrala afrodescendentes na Ucrânia | BANTUMEN
Ghanaian students in Ukraine to be transported to Poland – MyJoyOnline.com
Train carrying Ghanaian students in Ukraine attacked by Russians – Ablakwa reveals (ghanaweb.com)
EU will unbegrenzt Ukraine-Flüchtlinge aufnehmen | Europa | DW | 27.02.2022