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‘zivilisiert und wild’

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Bild: frühe ägyptische Hochkultur: Tutanchamun vernichtet seine Feinde [1]

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Mariam Popal (Kürzest-Einleitung und Bildauswahl von Günther Lanier, Ouagadougou 9. Oktober 2024[2])

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Ich bringe heute eins zu eins den Wörterbucheintrag ‘zivilisiert und wild’ von Mariam Popal aus dem exzellenten kritischen Nachschlagwerk “Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache“[3]. Der kurze und prägnante Artikel bedarf meinerseits keines Kommentars. Im Anschluss gebe ich eine kleine Notiz zur Biographie Mariam Popals wieder, die mir die Autorin zukommen hat lassen. Mariam Popal gilt mein herzlicher Dank für die Erlaubnis, ihren Artikel zu publizieren[4].

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‘zivilisiert und wild’

Mariam Popal

‘Zivilisiert’ und ‘wild’ sind zwei Seiten desselben Zeichens. Sie können nicht getrennt voneinander gedacht werden, da sie in einem binären und dichotomen Verhältnis zueinander stehen, das implizit einen Kampf – oder vielleicht besser – einen Angriff zum Ausdruck bringt und diesen rechtfertigt. Die Bedeutungen des Wortpaares wurden im Deutschen bisher von weißen Erzählenden festgelegt. In der europäischen weißen Erzähltradition aber stehen die Wörter für bestimmte Zustände, welche weiße Hegemonialdiskurse widerspiegeln. ‘Zivilisiert’ steht für Weißsein; und ‘Wildheit’ für alle Attribute und Zuschreibungen, von denen sich Weißsein getrennt denkt, um Überlegenheit repräsentieren zu können. ‘Zivilisiert’ steht beispielsweise für Rationalität und ‘wild’ steht für das, was in weißen Kulturen als Irrationalität bezeichnet wird.
Die Zeichenhälfte ‘Zivilisation’ und alle ihre Wortabkömmlinge repräsentieren ausnahmslos kulturelle Repräsentationen kolonialer Machtdiskurse. Hingegen werden ‘andere’ bzw. geanderte ‘Zivilisationen’, je nach Zweck, manchmal romantisiert und dichotom und binär als historisch überholt, mindestens jedoch als rückständig und/oder bedrohlich dargestellt. ‘Wildnis’ wiederum signifiziert in kolonialen Diskursen und Vorstellungen Stummsein, Nicht-sprechen-Können, Unterlegenheit und gleichzeitig Gefahr und Bedrohlichkeit. Die Kennzeichnung ‘wild’ steht für Unmündigkeit, damit ‘Wildnis’ der Autorität der ‘Zivilisation’ unterstellt werden kann. ‘W/wild’ darf getötet werden oder auch gezähmt; ‘wild’ wird als außerhalb der Ordnung dargestellt; der ‘Wildnis’ (Ort)/der ‘Wildheit’ (Zustand) dürfen sich weiße Menschen – unter Lebensgefahr, die sie nochmals heroisieren soll – bemächtigen.
‘Wildheit’ symbolisiert Vogelfreiheit oder auch ‘Natur’, sie kann eingenommen, ‘entdeckt’, begehrt und verabscheut werden. ‘Zivilisiert’ ist farblich weiß symbolisiert – und weiß steht für Reinheit, Unschuld und Schönheit. ‘Wild’ ist in weißen Kultursymboliken farblich schwarz symbolisiert. Und Schwarz steht in widerständigen Kulturen of Color für Mut und Widerstand und Schönheit und Entschlossenheit, für Freiheit und Solidarität, für eine andere offene Weltanschauung, für eine Auflösung binärer und dichotomisierender Vorstellungen, für die Unbeschreibbarkeit des Schreibens.

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PDin Drin Mariam Popal

PDin Drin Mariam Popal ist derzeit Post-Habilitationsfellow für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Bayreuth und Assoziierte Wissenschaftlerin am Lehrstuhl für Amerikanistik der Universität Potsdam.

Sie hat an der Universität Hamburg studiert (M.A. in Nahoststudien, Neuere Deutsche Literatur/Film und Politische Theorie, Promotion mit summa cum laude).

Sie habilitierte sich in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft an der Universität Bayreuth mit einem Projekt zu Theorien der Berührung und der Arbeit des Humors als poetologische Instanzen der Intervention am Beispiel der anglophonen und frankophonen Gegenwartsliteratur.

In ihrer aktuellen Forschung beschäftigt sie sich mit den Verbindungen und Korrelationen zwischen Kritischer Theorie und postkolonialen/dekolonialen Studien; Indigenous Studies und Orientalismus(en); den BeDeutungen und Theorien von Weltliteratur; der Kontiguität von Theorie und Praxis; (fortdauernden) Fragen der Subjektivität und Studien zum ‘Humanismus’ jenseits des Digitalen; und der Politik des Lesens.

Ihre Arbeit umfasst Schwerpunkte in der Literaturtheorie, Theorien der Weltliteratur, Verbindungslinien von Philosophie, Literatur und Psychoanalyse, feministische Theorien, Queer- und Gender-Theorien sowie anglophone und frankophone, deutsch- und dari-/persischsprachige Literaturen.

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alte vs. neue Hochkultur: das Haus Frankreichs in Luxor [5]

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Endnoten:

[1] Gemälde auf Holz, 14. Jh. vor der christlichen Zeitrechnung, Foto Yann Forget Okt.2012 Ägyptisches Museum, Kairo, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Pharaoh_Tutankhamun_destroying_his_enemies.jpg.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Susan Arndt, Nadja Ofuatey-Alazard (Hg.), Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk, Münster (Unrast Verlag) 2019, p.678.

[4] Ich habe den Unrast-Verlag und die beiden Herausgeberinnen am 16. September 2024 per Mail gefragt, ob sie mit der Publikation von Mariam Popals Beitrag einverstanden sind – da seither keine Antwort kam, gehe ich davon aus, dass sie es sind.

[5] Foto des französischen Ägyptologen Théodule Devéria 1859, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Th%C3%A9odule_Dev%C3%A9ria_(French_-_(The_House_of_France,_Luxor)_-_Google_Art_Project.jpg.

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