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Vom Geliebten zum Mörder. Der Umgang mit genderbasierter Gewalt in verschiedenen Ländern Afrikas.

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Femizide sind in Österreich bedauerlicherweise ein brandaktuelles Thema. Während Österreich im deutschsprachigen Raum bei Femiziden die traurige Spitze hält (31 im Jahr 2020 und nach derzeitigem Stand 14 im Jahr 2021), hat Südafrika Schätzungen zufolge sogar die höchste Femizid-Rate weltweit. Und nicht nur in Österreich und Südafrika sind die Zahlen mehr als besorgniserregend: laut der UNODC wurden im Jahr 2017 täglich 137 Frauen* von dem eigenen Partner oder engen Familienmitgliedern umgebracht – Tendenz steigend. Weltweit werden mehr Menschen „persönlich“ ermordet, als bewaffneten Konflikten zum Opfer fallen. Die Morde werden zu über 90% von Männern begangen. Laut der Weltbank werden weltweit 38% der Morde an Frauen von deren (Ex-)Partnern begangen und 35% aller Frauen haben sexuelle Gewalt erlebt. Diese Zahlen beziehen sich jedoch lediglich auf die offiziell gemeldeten Fälle, weshalb davon auszugehen ist, dass die tatsächlichen Fallzahlen sehr viel höher sind. Wie äußert sich diese weltweite und eben auch in Österreich sehr dominante Problematik eigentlich in afrikanischen Ländern? Wie wird damit umgegangen und welche lokalen Protestbewegungen gibt es?

In einigen afrikanischen Staaten – darunter Sierra Leone, Liberia und Nigeria – wurde in Bezug auf sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt offiziell der Notstand ausgerufen, während die Bewohner*innen anderer Länder auf dem Kontinent – darunter jene Namibias und Südafrikas – nach wie vor dafür kämpfen.

Powerfrauen erwirkten Reformen in Sierra Leone

Im Februar 2019 erklärte Sierra Leones Präsident Julius Maada Bio offiziell den Notstand und ermöglichte es der Regierung somit, neue Regulationen einzuführen, ohne das Parlament zu konsolidieren. Sierra Leone hat laut der „African Development Bank Group“ die meisten offiziellen Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung auf dem afrikanischen Kontinent. Der Druck seitens der Bevölkerung wurde größer und Bewegungen wie „Black Tuesday“ oder „Hands Off Our Girls“ haben höchstwahrscheinlich stark dazu beigetragen, juristische Änderungen zu erwirken.

„Black Tuesday“ ist eine von der Sierra-leonischen Journalistin Asmaa James gegründete Initiative, die sich dafür einsetzt, das Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen zu stärken. 30 NGOS, CBOs und Vereine organisierten eine Demonstration in Sierra Leones Hauptstadt Freetown. Zudem wurde sowohl on- als auch offline als Zeichen der Solidarität sowie einer Forderung nach Veränderung auf nationaler Ebene schwarz getragen. Die „Hands Off Our Girls“-Kampagne wurde von der First Lady Sierra Leone, Fatima Maada Bio, initiiert und vorangetrieben. Gemeinsam mit anderen afrikanischen First Ladies hat sie die „Hands Off Our Girls“-Aktion gegen Vergewaltigung und Kinderehe und für Geschlechtergerechtigkeit bei der UN-Generalversammlung vorgebracht.

Ob die Legislative während des Notstands getätigte Reformen langfristig halten können werde, war jedoch fraglich – also wurde dieser im Juni zurückgezogen und ein vollständig ausgearbeitetes Legislativprogramm vorgelegt. Einige Änderungen, die infolgedessen erwirkt werden konnten, sind beispielsweise, dass die Mindeststrafdauer für Vergewaltigung von fünf auf fünfzehn Jahre erhöht wurde und die Bestimmungen für als Straftat geltende Akte ausgeweitet wurden. Zudem können jetzt auch unter 14-Jährige für sexuelle Straftaten angeklagt werden. Außerdem wird im Falle einer sexuellen Penetration bei Minderjährigen nun eine lebenslange Haftstrafe verhängt.

Vergewaltigungen in Liberia und Nigeria 2020 als nationaler Notfall deklariert

Auch der President Liberias, George Weah, hat 2020 bezüglich Vergewaltigungen den offiziellen Notstand ausgerufen sowie Vergewaltigungen zu einem nationalen Notfall erklärt. Dem ist ebenfalls eine Demonstration mehrerer tausender Liberier*innen in der Hauptstadt Monrovia vorangegangen. Bei der Demonstration wurde laut RFI mit Tränengas gegen die Demonstrierenden vorgegangen, die jedoch weiter an ihren Forderungen festhielten. In Liberia gibt es eine „Gender and Security Sector National Taskforce“. Es wurde zudem diskutiert, ob Vergewaltiger eine chemische Kastration als Strafe bekommen sollen. Der Chairman der regierenden Partei, Mulbah Morlu, sowie Ex-Außenministerin Olubanke King Akerele sprachen sich dafür aus.

In Nigeria haben alle 36 Landeshauptmänner und Landeshauptfrauen 2020 gesammelt den offiziellen Notstand wegen Vergewaltigungen ausgerufen. Sie verlangen striktere Bundesgesetze sowie die Implementierung von Sexualstraftäter-Registern in allen Bundesländern. Das erste nationalweite Sexualstraftäter-Register wurde im November 2019 veranlasst. In dem westafrikanischen Land wurde unter dem Hashtag #WeAreTired nach den Morden an Vera Uwaila Omosuwa (22) und Barakat Bello (18), die innerhalb von zwei Tagen getätigt wurden, protestiert. Zudem haben sexuelle Gewalt und die Anzahl an Frauenmorden innerhalb des Staatsgebiets zugenommen. In Kaduna werden laut dem „UN children’s fund“ jeder vierte Junge und jedes zehnte Mädchen unter 18 Opfer sexueller Gewalt. Landesweit sind es laut einer UNICEF-Studie aus dem Jahr 2014 10% aller Jungen und 25% aller Mädchen unter 18.

Südliches Afrika

Schätzungen zufolge hat Südafrika die höchste Femizid-Rate weltweit – und im Unterschied zu den oben angeführten Ländern noch keinen Notstand ausgerufen. Der südafrikanische Staat befindet sich in einer Krise bezüglich geschlechtsspezifischer Gewalt: in dem geringen Zeitraum von 27. – 31. März 2020 wurden 2300 diesbezügliche polizeiliche Anklagen getätigt. Ein Jahr zuvor wurde Uyinene Mrwetayana von einem Postangestellten vergewaltigt und brutal ermordet. Als die 19-Jährige Ashitandile Zozo in Zusammenarbeit mit anderen deshalb Proteste organisierte, wurde sie daraufhin selbst mutwillig getötet. Des Weiteren wurde an 51% der südafrikanischen Frauen Gewalt während oder in Folge einer Beziehung getätigt. Im Juni 2020 folgten auf die Ermordung Tshegofatso Pules (28) landesweite Proteste. Um gegen geschlechtsspezifische Gewalt Widerstand zu leisten, wurden in Südafrika beispielsweise die Hashtags #EndTheFemicide, #TotalShutDown und #AmInext verwendet. Auch in dem Nachbarland Namibia kam es unter dem Hashtag #ShutItAllDown zu Online- und Offline-Protesten gegen Femizide und die Gewalt an Frauen. In beiden Ländern kämpfen Organisationen und Zivilpersonen nach wie vor für die Verbesserung der Situation.

Corona verschärft die Situation

Covid-19 und die im Zuge der Pandemiebekämpfung implementierten Lockdowns wirkten sich sehr negativ auf die Gewalt an Frauen* und Kindern aus. Da das eigene zu Hause der gefährlichste Ort für Frauen* ist, und sich Frauen* in sehr vielen Teilen der Welt auf Grund von Covid-19 nun noch mehr als zuvor dort aufhielten, ist dies wenig überraschend. Auch das südliche Afrika ist davon stark betroffen. Wie bereits erwähnt wurden in Südafrika während der ersten Woche des Lockdowns 2300 Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt bei der lokalen Polizei gemeldet – und Mitte Juni, also etwa drei Monate später, sind bereits 21 Frauen* und Kinder von ihren Partnern ermordet worden. In Zimbabwe wurden in den ersten 11 Tagen des Lockdowns 764 Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt gemeldet. Am 13. Juni 2020 waren es bereits 2768. Auch in Sambia erhöhte sich die genderbasierte Gewalt während des ersten Jahresviertels 2020 und in Madagaskar kommt zu all dem noch eine Nahrungsmittelkrise hinzu. Während des Lockdowns wurde es von Gewalt betroffenen Frauen* im südlichen Afrika erschwert, sich an Unterstützungsorganisationen oder Individuen zu wenden, da diese nicht als „essenzieller Service“ anerkannt wurden. Außerdem werden Beschwerden, die bei der Polizei eingereicht werden, oft nicht ernst genommen. Frauen* und Mädchen werde zudem oft eingeredet, dass ein es ein Zeichen von Liebe wäre, wenn ein Mann sie schlägt, so eine Aktivistin in Mosambik.

Der Kampf für eine gerechtere Welt geht weiter

Wie dieser Beitrag veranschaulicht, gibt es in Bezug auf genderbasierte Gewalt noch sehr viel zu tun, und zwar in allen Teilen der Welt. Die Coronakrise hat die globalen Missstände auch in diesem Kontext noch intensiver dargelegt. Potenzielle politische Lösungen könnten unter anderem sein, schärfere Strafen für Vergewaltigungen und jegliche Form der genderbasierten Gewalt aufzuerlegen, Gewaltschutzzentren und Frauenhäuser auszuweiten sowie – und dieser Punkt ist sowohl global als auch gerade in Österreich noch sehr verbesserungswürdig – Aufklärungsarbeit bei potenziellen zukünftigen Tätern zu leisten. Sprich: bei Buben und jungen Männern. Es wäre wünschenswert, dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst zu Femiziden und genderbasierter Gewalt kommt, anstatt diese erst als Problem anzuerkennen, nachdem weltweit schon tausende Frauen* ermordet wurden und es noch immer werden. Einige erwähnte Beispiele haben jedoch auch gezeigt: wenn wir die Augen nicht verschließen und protestieren, können wir langfristig unter Umständen eine positive gesellschaftliche Veränderung in eine bessere Richtung bewirken. Es zumindest zu versuchen, ist das Mindeste, was wir sowohl für die Gewalt- und Todesopfer als auch für alle Frauen*, „Queers“, Transpersonen und zuletzt auch uns selbst tun können.

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