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Sokotra

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Foto: Blick aus der am Südrand der Insel gelegenen Dogub-Höhle gegen Süden [1]

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Günther Lanier, Ouagadougou 7. Juni 2023[2]

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54° Ost, 13° Nord. Geographisch gehört Sokotra zu Afrika, die Insel und ihre Inselgruppe gleichen Namens sitzen auf der somalischen Platte. Politisch, historisch und kulturell aber gehört Sokotra zu Arabien.

Anders als ihre Pendants vor der Westküste Afrikas – die Cabo Verde-Inseln liegen auf ähnlicher geographischer Breite – ist Sokotra überwiegend karg. Dennoch birgt es Schätze, doch glücklicherweise nicht im Boden.


Dogub-Höhle von außen [3]

Die 3.796 km2 der Inselgruppe – unwesentlich kleiner als das Burgenland oder eineinhalb Mal Vorarlberg – werden zu 96,5% von der Hauptinsel gleichen Namens eingenommen. Etwa 60.000 Menschen bewohnen den Archipel, wieder dominiert die Hauptinsel ganz klar. Sie sprechen traditionell in erster Linie Soqotri, eine semitische Sprache, die zur Untergruppe der neusüdarabischen Sprachen gehört, eine Sprache, deren Überleben von der Unesco als “ernsthaft gefährdet“ eingestuft wird[4].

Für den Lebensunterhalt sorgen in erster Linie der Fischfang, Viehzucht, Imkerei, Tabak und Datteln.

Der 100-250 km östlich des Horns von Afrika gelegene Archipel (nach Jemen sind es 350 km) ist nicht vulkanischen Ursprungs, sondern war Teil des Superkontinents Gondwana, der Afrika, Indien, Arabien und andere mehr hervorgebracht hat. Sokotra blickt auf eine sehr lange, bis in die Prähistorie zurückreichende Geschichte zurück. Seit wann die Inseln von Menschen besiedelt ist, wissen wir nicht. Funde von Oldowan-Steinwerkzeugen (weltweit gibt es keine älteren) deuten darauf hin, dass es vor sehr langer Zeit war.


Sokotra im Indischen Ozean vor der Spitze des Horns von Afrika [5]

Die strategische Lage – am Ein- oder Ausgang des Golfs von Aden – sicherte Sokotra schon früh Aufmerksamkeit im Fernhandel, auch wegen der hier geernteten Harze (Myrrhe, Weihrauch, Drachenblut/s.u.).


die kolonialen Aufteilungen rund um den Indischen Ozean im Jahr 1912 brauchen uns nicht zu kümmern; “C. Guardafui“ links unterhalb von Socotra (die englische Schreibweise der Insel) bezieht sich auf den Guardafui-Kanal, der den Golf von Aden mit dem Indischen Ozean verbindet und das afrikanische Festland von Sokotra trennt – er hat seinen Namen vom Guardafui-Kap, der Spitze des Horns von Afrika (in Puntland) [6]

Um die Zeitenwende war Sokotra Teil eines dichten Handelsnetzes, das den westlichen Indischen Ozean umspannte. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung berichtet der griechische Geograph und Historiker Agatharchides, dass sich auf den “Gesegneten Inseln“ (Sokotra) Handelsleute aus dem Gebiet der Indus-Mündung (heute Pakistan) mit solchen aus Alexandria trafen. In dem aus dem 1. Jhdt. nach der Zeitenwende stammenden, griechisch-römisch-alexandrinischen Periplus Maris Erythraei, eine Art Seehandelsführer, wird berichtet, dass die eher wenigen BewohnerInnen SiedlerInnen von der arabischen Halbinsel, aus Indien und sogar einige Kaufleute aus Griechenland waren. Der Archipel gehörte zum Königreich Hadramaut[7] (im heutigen Ost-Jemen). Etwa 200 Jahre später erzählt dann der chinesische Historiker Yu Huan in seinem Buch Weilüe von engen Verbindungen Sokotras einerseits mit Rom und andererseits mit Parthia im heutigen West-Iran[8].

Viele Jahrhunderte später, 1507, eroberten Tristão da Cunha und Afonso de Albuquerque nach heftigen Kämpfen mit den Truppen des Mahra-Sultanats (im heutigen Südost-Jemen inkl. Hadramaut) die Insel für Portugal. Doch dauerte diese Kolonisierung ob der Insel Unfruchtbarkeit und ihres Mangels an guten Ankerplätzen nur vier Jahre, dann gehörte Sokotra wieder zu Mahra. 1834 wiederholte sich diese Geschichte mit der mächtigen britischen East India Company, die hier eine Garnison stationierte, aber schon im Jahr darauf wieder abzog. 1886 schloss London mit dem Mahra-Sultan von Qishn (in Südostjemen, wo er residierte) und Sokotra einen den Archipel betreffenden Protektoratsvertrag.

Ende 1967 wurde Sokotra als Teil des Süd-Jemen unabhängig, 1990 im Zuge der Fusion von Süd- und Nord-Jemen Teil der Republik Jemen. Ab 2015 verstärkten die Vereinigten Arabischen Emirate im Zuge des mit Saudi-Arabien geführten Krieges gegen Jemen ihre (zuerst insbesondere humanitäre) Präsenz in Sokotra (zwei Wirbelstürme hatten die Insel heimgesucht) und besetzten es 2018 schließlich militärisch.


wo’s auf Sokotra Wasser gibt, grünt’s [9]

Die UNESCO hat Sokotra im Juli 2008 zur Weltnaturerbestätte ernannt. Es geht um Biodiversität und den überaus hohen Anteil endemischer Flora und Fauna: 37% der 825 Pflanzenarten des Archipels, 90% seiner Reptilienarten und 95% seiner Landschneckenarten gibt es sonst nirgends auf der Welt. Außerdem leben hier 192 Vogelarten (44 davon brüten auf den Inseln, 85 sind Zugvögel), darunter mehrere bedrohte Arten. Auch das marine Leben ist divers und reich: 253 riffbauende Korallenarten wurden gezählt, 730 Küstenfischarten und 300 Arten von Krabben, Garnelen und Hummern[10].

Hoffen wir, dass die Biodiversität unter dem Jemen-Krieg nicht allzu sehr gelitten hat und leidet. Schutz von Flora und Fauna gehört ja nicht zu den Prioritäten von Kriegstreibenden. Wenn ich die diesbezügliche Unesco-Grafik zum Bedrohungsintensitätskoeffizienten (Threat Intensity Coefficient) richtig lese, so hat Unesco selbst die Bedrohung ab 2012 und vor allem ab 2014 als stark steigend eingeschätzt, mit zwei Höhepunkten 2019 und 2021 und auch seither ist die Bedrohung nur unwesentlich weniger geworden[11].


ein mittelalter Drachenblutbaum um 1900 [12]

Drachenblut (oben bereits en passant erwähnt) bezeichnet das rotbraune Naturharz des auf Sokotra endemischen Drachenblutbaums (dracaena cinnabari). Plinius, dem Älteren, und seinen ZeitgenossInnen kurz nach der Zeitenwende war es bekannt, er nannte es sanguis draconis und schrieb der angeblichen Mischung von Elefanten- mit Drachen-Blut magische Eigenschaften zu. Auf der arabischen Halbinsel und über sie hinaus wurde und wird es als Heilmittel geschätzt. Auf Sokotra selbst wird oder wurde es außer für medizinische Zwecke auch zum Wollfärben, zum Herstellen von Klebstoff und zur Verzierung von Keramik und Häusern verwendet.


ein ausgewachsener Drachenblutbaum (dracaena cinnabari) [13]

Nur der Drachenblutbaum, dracaena cinnabari, nicht aber die Drachenbäume sind auf Sokotra endemisch. Wie die ca. 120 anderen Arten gehört er zu den Spargelgewächsen.

Auch von den Flaschenbäumen gibt es eine auf Sokotra endemische Art, die größte ihrer Gattung, adenium obesum subsp. socotranum, sie wird auch Sokotra-Wüstenrose genannt. Sie erinnert entfernt an bestimmte Baobabarten. Bis über zwei Meter Durchmesser erreicht sie – und etwas das Doppelte an Höhe. Und sie blüht wunderbar blass- bis dunkelrosa, manche dieser Flaschenbäume fast rot, mit einer Unzahl von Blüten, die bis zu 13 cm messen[14].


die Sokotra-Wüstenrose [15]

Ein weiterer auf Sokotra endemischer Baum – und der hat nirgends anders nähere Verwandte – ist der Gurkenbaum, dendrosicyos socotranus, ein Kürbisgewächs. Bis zu 6 oder 7 Meter wird er hoch, sein Stamm mit einem Durchmesser bis zu 1 Meter wirkt im Vergleich zur kleinen Krone überproportioniert. Der Stamm speichert Wasser, somit ist der Baum ziemlich dürreresistent. Seine orange-roten Früchte sind fleischig, eiförmig mit spitzen Enden, auch das Fruchtfleisch ist orange-rot, wenn es reif ist[16].


dendrosicyos socotranus [17]

Ich verabschiede mich für heute mit dem Foto einer endemischen Vogelart, einem Sokotra-Star-Weibchen. Hoffen wir, dass der Krieg im Jemen bald wirklich zu Ende ist. Sogar Inseln weitab von jedem Rummel werden immer wieder in Mitleidenschaft gezogen.


onychognathus frater [18]

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Endnoten:

[1] Zur Lage auf Sokotra siehe https://sitesavisiter.com/s?as=mapa&fk=3663251634. Foto Gerry & Bonni 1.11.2011, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dogub_cave_(6408235377).jpg?uselang=de.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Foto Stefan Geens 26.6.2009, https://sitesavisiter.com/s?as=foto&fk=3663251634.

[4] Siehe z.B. https://www.endangeredlanguages.com/lang/5410. Die Unesco-Online-Publikation Atlas of the World’s Languages in Danger ist nicht mehr aktiv – siehe http://www.unesco.org/new/en/culture/themes/endangered-languages/atlas-of-languages-in-danger/.

[5] Die Satellitenkarte ist leider extrem unscharf. Für eine erste Lokalisierung sollte sie reichen. Erstellt von NordNordWest am 23.12.2009, zugeschnitten und überarbeitet inklusive Pfeil hinzugefügt GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Indian_Ocean_satellite_image_location_map.jpg.

[6] Karte aus dem von John Bartholomew & Co. beim Edinburgh Geographical Institute 1912 herausgebrachten Atlas, zugeschnitten und überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Indian_Ocean_in_1912.jpg.

[7] Aus Hadramaut stammt ursprünglich die Familie Abdulrazak Gurnahs, des 2021er Literaturnobelpreisträgers “aus Sansibar“. Siehe Günther Lanier, Abdulrazak Gurnah: Ein Literatur-Nobelpreis für den Indischen Ozean, Ouagadougou (Africa Libre) 15.12.2021, https://www.africalibre.net/artikel/107-ein-literaturnobelpreis-fur-den-indischen-ozean. Dort schrieb ich: “Der Ursprung der Gurnahs liegt aber nicht in Sansibar, sondern im östlichen Jemen, im Hadramaut-Tal, um noch genauer zu sein in der Stadt Al-Dis Al-Charqiya. Die Hadramis waren seit jeher in Seefahrt und Handel stark vertreten, waren in Indien, in Südostasien und im östlichen Afrika präsent. Als Abkömmling der Hadrami wird sein Nobelpreis als arabischer oder gar als hadramischer beansprucht.“

[8] Yu Huan gilt als guter Historiker dürfte aber nie aus seinem Wei herausgekommen sein.

[9] Foto blackseav 5.2.2010, keine genaueren Ortsangaben, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Socotra_-_panoramio_-_blackseav_(2).jpg.

[10] S. UNESCO, World Heritage Convention, Socotra Archipelago, o.A. o.J., https://whc.unesco.org/en/list/1263/.

[11] Der Indikator misst die Frequenz, mit der das World Heritage Committee über die Weltnaturerbestätte beraten hat. Die Werte des Sokotra-Archipels variieren zwischen 0 bis 2012 und circa 70 im Jahr 2019 und liegen 2023 noch immer nahe 50. Siehe https://whc.unesco.org/en/list/1263/indicators/.

[12] Foto Henry Ogg Forbes 1998/99 aus Henry Ogg Forbes (Hg.), The Natural History of Sokotra and Abd-el-Kuri, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dragon%27s-Blood_Tree.jpg.

[13] Foto Boris Khvostichenko 11.1.2008, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Socotra_dragon_tree.JPG.

[14] Ich habe kein gemeinfreies Foto eines blühenden Baumes gefunden, zu sehen gibt es sie am Netz genug, z.B. auf https://www.sciencephoto.com/media/24777/view/desert-rose-tree.

[15] Oder adenium obesum subsp. socotranum, Foto Rod Waddington 20.11.2013, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bottle_Tree,_Socotra_Island_(10958518454).jpg.

[16] Siehe auch https://tenrandomfacts.com/cucumber-tree/.

[17] Foto Gerry & Bonni 1.11.2011, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cucumber_tree_(6407165121).jpg.

[18] Foto Rod Waddington 1.9.2013, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Socotra_Starling_(Onychognathus_frater)_female.jpg?uselang=de.

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