Foto: In den Simien-Bergen, Nord-Äthiopien [1]
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Günther Lanier, Ouagadougou 2.11.2022[2]
Mein heutiger Titel gibt ein amharisches Sprichwort wieder[3]. Heimat der AmharInnen ist das bis zu 4.533 Meter[4] aufragende Hochland von Abessinien. Nicht nur in den besonders schönen Simien-Bergen scheint dort der Himmel nahe.
Ebendiese Simien-Berge liegen im äußersten Norden des Amhara-Gebietes. Gleich nördlich davon beginnt Tigray. Dieses Tigray und der äthiopische Staat befinden sich seit November 2020 im Krieg. Und es ist ein äußerst brutaler Krieg. Vor kurzem haben in Pretoria unter Vermittlung der Afrikanischen Union Friedensverhandlungen begonnen. Doch nach den letzten Äußerungen des äthiopischen Premierministers zu schließen, stehen die Aussichten auf einen Frieden schlecht: Abiy Ahmed beklagte die “schwerwiegende ausländische Einmischung” in die Gespräche und meinte, “ÄthiopierInnen könnten ihre Angelegenheiten trotz (sic!) internationalen Drucks auf einen Waffenstillstand selbst regeln.“[5]
Diesen souveränistischen Diskurs hält Abiy Ahmed zu einem Zeitpunkt, wo Addis auf den diversen Schlachtfeldern eindeutig im Vorteil zu sein scheint. Das politische Projekt des Premierministers – der Tigray-Krieg ist Teil davon – ist die Wiedererrichtung der amharischen Vorherrschaft im Land. Die AmharInnen hatten sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts staatsbildend betätigt und hatten Äthiopien bis 1991 dominiert. Dann kam die TPLF (Tigray People’s Liberation Front) an die Macht und führte ein föderalistisches System ein. Als sich insbesondere die Oromo immer deutlicher gegen die Dominanz der TPLF querlegten, wurde die Macht an Abiy Ahmed übergeben, vermeintlich ein Oromo (sein Vater ist Oromo), der sich aber als Vertreter amharischer Interessen oder Vorstellungen herausstellte (seine Mutter ist Amhara) und auf eine Rezentralisierung des Staates hinarbeitet. Dabei führt er nicht nur gegen Tigray, sondern auch gegen die Oromo Krieg, die im multi-ethnischen Äthiopien zahlenmäßig die größte Gruppe sind[6].
Der Kilimandscharo vor 18 Jahren, von Moshi aus fotografiert [7]
Einen umgestürzten Baum kannst du nicht reparieren[8]
Noch höher als die Simien-Berge ragt in Afrika gut 1.700 km weiter südlich der Kilimandscharo gen Himmel. Der oder vielmehr dessen Gletscher leiden seit Jahren unter dem Klimawandel. Bald wird von ihnen nichts mehr übrig sein. Kein Eis und Schnee mehr in unmittelbarer Äquatornähe, daweil war das so ein schönes Motiv für Fotos der vielen TouristInnen, die es hierherzog.
Seit über einer Woche brennt es nun an den Flanken des Kilimandscharo. Warum das Feuer ausgebrochen ist, wissen wir bisher nicht. Die klimatischen Bedingungen – Trockenheit – haben jedenfalls eine große Rolle gespielt. Mehr als 700 Menschen bemühen sich, das Feuer unter Kontrolle zu bringen – Feuerwehrleute, AnrainerInnen, Nationalpark-Beschäftigte, TouristInnenführerInnen – bisher erfolglos[9]. Schon vor zwei Jahren hatte ein Feuer, das wochenlang brannte, Tausende Hektare Waldland an den Hängen des Berges zerstört.
Nun hat Feuer zwar seit zehntausenden Jahren die Vegetation am Kilimandscharo mitgestaltet und war gegen Ende der Trockenzeit (in den Monaten Februar/März und September/Oktober) in den höheren Bereichen durchaus üblich – dass Feuer das Ökosystem bedroht, ist aber ein neues Phänomen. Die Zerstörung des Nebel- und Wolkenwaldes hat zudem mehr Auswirkungen auf das Wassergleichgewicht des Berges als das Verschwinden der Gletscher, denn solche Wälder sammeln viel Wasser aus Nebel und Wolken. Rundum hat der Bevölkerungszuwachs dazu geführt, dass Afrikas höchster Berg mittlerweile zur Gänze von landwirtschaftlichem Land umgeben ist, er somit eine ökologische Insel darstellt. Dazu kommt noch der Klimawandel, der die Verletzlichkeit des Ökosystems erhöht, welches immer schutzbedürftiger wird[10].
Nun ist “die Natur“ für Tansania auch in ökonomischer Hinsicht zweifellos ein wichtiger Faktor und ihre Unbeschädigtheit – insbesondere in den Nationalparks und anderen Schutzgebieten – lockt viele Fremde ins Land und tut der Zahlungsbilanz und dem Bruttoinlandsprodukt wohl. Dass aber mitnichten Naturschutz oberste Priorität im Land genießt, ist offensichtlich. Das 5 Mrd. USD-Projekt einer 1.440 km langen ugandisch-tansanischen Erdöl-Pipeline vom Albert-See zum Indischen Ozean wird trotz aller Kritik unverdrossen weiterbetrieben. 80% dieser 1.440 km liegen auf tansanischem Gebiet, freilich auch der Endpunkt und das Endlager am Meer in Chongoleani. Es wird sich trotz der tropischen Umgebung noch dazu um eine geheizte Pipeline handeln – das ugandische Öl ist besonders zähflüssig[11]. Das Recht Tansanias und Ugandas, die eigenen Bodenschätze zu verwerten, steht freilich außer Frage. Aber wer wird profitieren, wenn Uganda somit zu einer Tankstelle Europas und Chinas wird? Ganz sicherlich die beteiligten Firmen, Total Energies für Frankreich und CNOOC International für China. In den beiden afrikanischen Ländern wird für Angehörige der Eliten einiges abfallen. Aber darüber hinaus?
Bergregenwald am Kilimandscharo [12]
Schnell zu laufen ist unwichtig, wenn du auf dem falschen Weg unterwegs bist[13]
Ein Wasser-Thema wird auf dem gestern Dienstag in Algiers begonnenen Gipfel der Arabischen Liga Thema sein: Auf Antrag Kairos wird es um die Wasser-Aufteilung des Nilwassers gehen. Noch aus kolonialen Zeiten gibt es da Verträge, die dem Land am Unterlauf ein entscheidendes Mitspracherecht über die Verwendung der Nilwasser durch die stromauf liegenden Länder zugesteht. Die lassen sich diese “Oberhoheit“ in Sachen lebensspendendes Nass jedoch nicht länger gefallen. Insbesondere Äthiopien setzt sich bei der Befüllung des GERD, des Großen Äthiopischen Renaissance-Staudammes[14], über die ägyptischen Wünsche nonchalant hinweg. Immer wieder wird dessentwegen von Kriegsgefahr geredet oder geschrieben – diesbezügliche, kaum verhohlene Drohungen hat es aus al-Sisis Mund jedenfalls gegeben.
Was die Umwelt betrifft, wird Ägypten schon nächste Woche der 27. Ausgabe der UNO-Klimakonvention, der COP 27[15], den Austragungsort zur Verfügung stellen, nämlich Scharm-el-Scheich, eine Hafenstadt am Roten Meer auf der Sinai-Halbinsel.
Die Mitschuld Afrikas am Klimawandel ist zwar minimal (sie wird auf 3% geschätzt), Klimawandelfolgen ist der Kontinent jedoch in höherem Maß als alle anderen ausgesetzt, auch weil die Mittel meist nicht da sind, um sich zu schützen. Auch der vor 13 Jahren von den reichen Ländern eingerichtete Grüne Klimafonds ist nie richtig in die Gänge gekommen. Dass gerade afrikanische Staaten auf die Erschließung von Erdöl- und Erdgasfeldern verzichten sollen, damit die globalen Klimaziele erreicht werden können – siehe die ugandisch-tansanische Erdölpipeline –, ist freilich eine Zumutung. Doch auch wenn es afrikanische Hydrokarbonprodukte sein sollten: Unter deren globalen Folgen wird Afrika am meisten leiden.
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Endnoten:
[1] Foto A. Davey 28.10.2007, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Simien_Mountains_Landscape,_Ethiopia_(2466094405).jpg.
[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[3] Meine Quelle ist BBC Africa Live vom 20.9.2022 um 6h33. Dort auf Englisch: “For the one who sits, the sky seems near”. BBC gibt als Quelle für das Sprichwort “Ebenezer in China” an.
[4] Diese höchste Erhebung des Hochlandes von Abessinien und somit Äthiopiens, der Ras Dejen (auf Deutsch oft Ras Daschän, auf Englisch Ras Dajen), liegt im Simien-Gebirge.
[5] BBC, Ethiopia peace talks marred by foreign interference – PM, BBC Africa Live 1.11.2022 um 7h47.
[6] Siehe dazu insbes. Asafa Jalata, Tigray has resisted Ethiopia’s far greater military might for two years – here’s why neither side is giving in, The Conversation 16.10.2022, https://theconversation.com/tigray-has-resisted-ethiopias-far-greater-military-might-for-two-years-heres-why-neither-side-is-giving-in-192252.
[7] Foto Lone Vassnos 12.10.2004, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kilimanjaro_viewed_from_Moshi.jpg?uselang=de.
[8] Ein Spruch der Beti. Meine Quelle ist BBC Africa Live vom 30.5.2022 um 4h29. Dort auf Englisch: “One cannot repair a fallen tree”. BBC gibt als Quelle für das Sprichwort Sandrine Mengue Essomba in Yaoundé, Kamerun an.
[9] Siehe insbes. diverse BBC Africa Live-Artikel, zuletzt Alfred Lasteck, Tanzania orders probe as Kilimanjaro fire rages on, BBC Africa Live 31.10.2022 um 12:19.
[10] Siehe Andreas Hemp, Kilimanjaro: Fires shaped the mountain’s unique environment – now they threaten it, The Conversation 11.11.2020/aktualisiert am 24.10.2022, https://theconversation.com/kilimanjaro-fires-shaped-the-mountains-unique-environment-now-they-threaten-it-149286.
[11] Dickens Olewe. Cop 27: Uganda-Tanzania oil pipeline sparks climate row, BBC 23.10.2022, https://www.bbc.com/news/world-africa-63212991.
[12] Foto Jorge Láscar 22.3.2009, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lascar_Montane_rainforests_biome_(4466414438).jpg?uselang=de.
[13] Ein Chichewa-Sprichwort. Meine Quelle ist BBC Africa Live vom 21.5.2021. Dort auf Englisch: “Walking fast is of no importance if you’re on the wrong path”. BBC gibt als Quelle für das Sprichwort Maxwel Gopani in Mosambik an.
[14] GERD = Great Ethiopian Renaissance Dam. Siehe dazu Günther Lanier, Die Wiedergeburt Äthiopiens aus einem Staudamm, Ouagadougou (Africa Libre) 21.10.2020, https://www.africalibre.net/artikel/191-die-wiedergeburt-aethiopiens-aus-einem-staudamm.
[15] COP = Conference of the Parties.