Das erste Buch von Christl Clear, Let me be Christl Clear, ist am 13. September beim Verlag Kremayr & Scheriau erschienen.
Muss man Christl Clear überhaupt vorstellen? Influencerin, Digital Creator und nun auch noch Buchautorin. Wer die 38-jährige Wienerin mit nigerianischen Wurzeln nicht kennt, meidet wohl Social Media wie der Teufel das Weihwasser oder sollte sich schleunigst Kapitel 9 – „The Internet“ – zu Gemüte führen. Wie wichtig ein diverses Feed nicht nur für das eigene Wohlbefinden, sondern auch die Sichtbarmachung verschiedener Lebensrealitäten ist, bringt Christl gewohnt prägnant auf den Punkt.
Erwartungen
„So, und bevor ihr jetzt auf die nächste Seite blättert und in meine Gedanken eintaucht: Schraubt doch bitte eure Erwartungen runter.“ schreibt sie in der Einleitung. Eine Bitte, die nicht notwendig gewesen wäre, denn das Buch, das Mitte September erschienen ist, ist genau das: ein Eintauchen in ihre Gedanken. Das entspricht voll und ganz Christl Clears Charakter und macht das Buch ehrlich, spontan und ungeschliffen. Eingebettet in wunderschöne Illustrationen von Leni Charles und aufgelockert durch pink hinterlegte sowie fett gedruckte Statements, behandeln die Kapitel Kernthemen der Influencerin – und zwar auf genau ihre Art. Das ist auch gut so, denn Statements wie „Wer im Jahre 2021 immer noch nicht verstanden hat, wie wichtig Diversität ist, der möchte es nicht verstehen. Ganz einfach“ würde man am liebsten nicht nur fett drucken, sondern gleich in ganz Wien plakatieren.
Zwischen Rückblick und Gegenwart
Diese Bezüge tragen neben dem ehrlichen und lockeren Ton auch zur Aktualität des Buches bei. Denn neben zahlreichen Rückblicken in die Vergangenheit der Autorin, holen einen beim Lesen auch aktuelle gesellschaftliche Ereignisse ein. Doch auch hier schafft es Christl, die Waage zwischen Klartext und Positivität im Lot zu halten. Und beweist hiermit erneut, dass Gesellschaftspolitik nicht hochtrabend, trocken oder belehrend sein muss. Warum Antirassismus-Arbeit essenziell ist, was es mit intersektionalem Feminismus auf sich hat oder wie man rücksichtsvoller mit Menschen mit Depressionen umgeht, verpackt Christl in eine kurzweilige Lektüre. Was nicht heißt, dass diese Kapitel spurlos an einem vorbeigehen. Durch den Einblick in ihre persönliche Erfahrungen und das Eingestehen eigener Unzulänglichkeiten, geht der Prozess der Auseinandersetzung weiter – auch wenn man das Buch bereits zugeklappt hat.
Die coole große Schwester
Ganz persönliche Momente teilt die selbsternannte ehemalige „Queen of Fuckboy-Dating“ aber auch bei Themen wie Liebe, Sex oder Arbeit. Und diese ungeschönten Auszüge sowie die gewohnt peppige Sprache führen dazu, dass sich die Lektüre nicht wie ein Selbsthilfe-Ratgeber, sondern ein Gespräch mit der coolen älteren Schwester anfühlt, die man vielleicht nie hatte. Eine Schwester, die nicht perfekt ist und dazu steht, Beyoncé zitiert und sich einfach nichts gefallen lässt. Dass Christl auch ruhige Töne anschlagen kann, wissen ihre Followers bereits. Dies beweist sie nicht nur über den Verlauf des Buches, sondern insbesondere auch im letzten Kapitel. Um was es darin geht, sei hier nicht verraten. Soviel jedoch vorweg: Es erzielt jenes Gefühl, das sich bei vielen der ungeschönten und ehrlichen Einblicke, die Christl gewährt, einstellt: das Gefühl nicht allein zu sein.
Die nächste Lesung von Let me be Christl Clear findet am 06. Oktober um 19:00 Uhr im Thalia Wien, Mariahilfer Straße 99, 1060 Wien statt.
Titelbild: Christl Clear nach der Lesung im Volksgarten Pavillon – freundlicherweise zur Verfügung gestellt von den Clears