Vergangenen Freitag wurde die Ausstellung Ana Hoffner ex-Prvulovic* & Belinda Kazeem-Kamiński eröffnet. Nach zweimaliger Verschiebung aufgrund der Pandemie, laden die beiden in Wien lebenden Künstler*innen nun in die kunsthalle wien ein. Die präsentierten Werke schaffen eine kritische Auseinandersetzung mit Machtregimen. Und doch bieten die beiden Einzelausstellungen unterschiedliche Perspektiven und Schwerpunkte. Kazeem-Kamiński – Autorin, Künstlerin und Wissenschaftlerin – setzt hierbei auf Schwarze feministische Theorie, aus der sich ihre künstlerische Praxis speist.
„Bei dem bleiben, was schmerzt“
Für ihre fotografische Auseinandersetzung mit diesen Thematiken wurde Kazeem-Kamiński diesen Monat mit dem Camera Austria-Preis der Stadt Graz ausgezeichnet. Ausgangspunkt für zahlreiche fotografischen Arbeiten der Künstlerin sind hierbei Stätten der Erinnerung: Archive und Museen. Dass diese oft Träger der dominanten Geschichtsnarrative sind, wird in Kazeem-Kamińskis Werken deutlich. Durch Überklebungen und Collage-Techniken stellt sie den weißen Blick infrage, wie die Künstlerin in einem Interview ausführt. Allerdings geht in diesen zyklischen Arbeitsprozessen der Erinnerungsaspekt nicht verloren. In Kazeem-Kamińskis Ansatz wird dem Kolonialismus und seinen fortdauernden Folgen gedacht. „Bei dem bleiben, was schmerzt“ ist der Zugang der Künstlerin. Durch das Aufrechterhalten der Erinnerung tritt sie auch in Austausch mit ihren Vorfahren und ebnet somit den Weg zu einer gemeinsamen künstlerischen Praxis.
Freiheit als unvollständiges Projekt
Mehrere dieser Fotografien sind auch in der Ausstellung der kunsthalle wien zu sehen. In der dreiteiligen Fotoserie „In Search of Red, Black, And Green“ spürt die Künstlerin dem Thema Freiheit nach. Die Schwarze Titelfigur der Bilder hat den Blick nach vorne gerichtet. Die Farbkombination erinnert an Flaggen neugegründeter Nationalstaaten im Rahmen der Dekolonisierung. Ein Stück Freiheit wurde somit bereits in der Vergangenheit erlangt. Dennoch macht Kazeem-Kamiński deutlich, dass das Projekt Freiheit keinesfalls abgeschlossen ist – ein Thema, dass sich durch zahlreiche Werke der Künstlerin zieht. Vergangenheit und Zukunft, Erinnerung und Gegenwart stehen oft nebeneinander. Das Streben nach Freiheit geht weiter.
Erinnerung ohne Vervollständigung
Auch das Motiv der Flagge kann als roter Faden in den ausgestellten Werken verortet werden. In „To Let Them Know We Think About Them“ verwendet Kazeem-Kamiński die Flagge als Anker der Erinnerung. Im Gedenken einer Gruppe westafrikanischer Darsteller*innen, die Ende des 19. Jahrhunderts als Teil einer Ausstellung nach Wien gebracht wurden, hat die Künstlerin diesen Menschen ein Denkmal geschaffen. Gemeinsam mit dem ghanaischen Flaggenhersteller Baba Issako versucht sie einen Zugang zur Vergangenheit, der Leerstellen zulässt. Dem Drang, Lücken zu vervollständigen, möchte Kazeem-Kamiński nicht nachgeben. Denn ein Abschließen mit dem Geschehenen ist nicht möglich. Vielmehr geht es darum, die sich bis in die Gegenwart erstreckende Vergangenheit stets neu zu verhandeln.
Zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Ein Anliegen, dass die Künstlerin auch in ihren filmischen Arbeiten aufgreift. In der Videoserie „Fleshbacks“ wechselt das Bild prompt zwischen Wien und der ghanaischen Hauptstadt Accra. Zwischen hier und da, Vergangenheit und Gegenwart. Ein Ansatz, der dazu führt, dass die Grenzen zwischen diesen Orten und Temporalitäten zunehmend verschwimmen. Die Grenzverschiebung ist ein Projekt, dem sich Kazeem-Kamiński kontinuierlich annimmt. Bezugnehmend auf die österreichische Kolonialvergangenheit, thematisiert sie die Zurschaustellung Angelo Solimans. Mittlerweile eine historische Figur, wurde er im 18. Jahrhundert versklavt und vom afrikanischen Kontinent entführt. Bekannt wurde Soliman für seine Tätigkeit im Dienst des Fürsten von Liechtenstein. Nach seinem Tod wurde er ausgestopft und ausgestellt. Diese Verschiebung vom Menschen zum Objekt macht Kazeem-Kamiński auf kritische Weise sichtbar. Indem sie Besitztümer Solimans künstlerisch aufgreift, bricht sie mit dem objektifizierenden Blick. Dass jedoch auch die Ausstellung von Objekten nicht unproblematisch sein kann, zeigen aktuelle Diskurse rund um afrikanische Ausstellungsstücke in zahlreichen europäischen Museen.
Die AusstellungAna Hoffner ex-Prvulovic* & Belinda Kazeem-Kamiński ist noch bis 06. Februar 2022 in der kunsthalle wien zu sehen.
Dieses Jahr finden Sonntagsführungen durch die Ausstellung am 07. und 21. November sowie am 05. Dezember statt.
Titelbild: Ausstellungsansicht: Belinda Kazeem-Kamiński, Kunsthalle Wien 2021, Foto: www.kunst-dokumentation.com