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Makroplastikmüll global und in Afrika

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Marievale-Vogelreservat: ein Fleckenhalsotter (Hydrictis maculicollis) spielt mit einer leeren Wasserflasche [1]

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Günther Lanier, Ouagadougou 25. September 2024[2]

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Mikroplastik ist Plastik bis zu einer Größe von 5 Millimeter – alles darüber ist Makroplastik.

Die Verschmutzung unserer Umwelt mit Makroplastik ist ein Riesenproblem. Ich referiere heute eine Studie[3], die ein Inventar des weltweiten Makroplastikmülls erstellt hat – wobei mein Schwerpunkt freilich Afrika ist.

Auf Basis der Analyse von Daten aus 50.702 Gemeinden (“municipalities“) schätzen die Autoren die jährliche Plastikverschmutzung auf 52,1 Millionen Tonnen. Dass es da ein massives Problem gibt, ist auch der UNO aufgefallen und so werden mittlerweile Verhandlungen geführt, die eine Resolution des UNO-Umweltprogramms UNEA[4] vom 2.3.2022 umsetzen und einen bindenden Vertrag ausarbeiten sollen.

Als “Plastikverschmutzung“ (im Original emission) wird der Übergang von Plastik aus einem (egal, ob gut oder schlecht) gemanagten in einen nicht-gemanagten, also unkontrollierten Zustand definiert. Die Studie hat einerseits Plastikschutt und andererseits offen verbranntes Plastik einbezogen[5], die jeweils für circa die Hälfte der Plastikverschmutzung verantwortlich sind (Verbrennen für 57% und Plastikschutt für 43%). Fünf Quellen von Plastikmüll wurden unterschieden: nicht gesammelter Müll; Wegwerfen von Abfällen (littering); Sammelsysteme (wenn Müll nicht fachgerecht gemanagt wird); unkontrollierte Entsorgung; und schließlich Ausgemustertes beim Müllsortieren und -wiederaufbereitung.

Dabei ist das Nicht-Sammeln von Müll weltweit bei weitem die wichtigste Plastikverschmutzungsquelle (68%, also etwas mehr als zwei Drittel). Ein Viertel (25%) entsteht durch unkontrollierte Entsorgung. Nur 3% steuert das Wegwerfen bei und je 2% das nicht fachgerechte Müllentsorgen und das Ausmustern bei Wiederaufbereitung und Sortieren von Plastikmüll.

Das von Joshua W. Cottom, Ed Cook, Costas A. Velis[6] erstellte Inventar will eine solide Basis für Maßnahmen zur Abhilfe schaffen, für nationale Strategien, Aktionspläne sowie die Verpflichtungen, die auf UNO-Mitgliedsländer im Rahmen des hoffentlich bald fertigverhandelten Plastikverschmutzungsvertrags zukommen.

In absoluten Zahlen liegt Indien weltweit an der Spitze, was Plastikverschmutzung betrifft.

 
länderweise Aufschlüsselung der Makroplastikverschmutzung weltweit – in Millionen Tonnen – violett zeigt die in absoluten Zahlen am wenigsten plastikverschmutzenden Länder an, dunkelblau ist schon schlechter, hellblau noch schlechter, grün furchtbar und gelb am furchtbarsten

Die diesbezüglichen zehn hotspots sind nach dem bereits erwähnten und in der Karte mit inset bedachten Indien (es bringt 9,3 Millionen Tonnen Müll jährlich auf die Waagschale), mit deutlichem Rückstand Nigeria[7] (3,5 Mio t) und Indonesien (3,4 Mio t), an vierter Stelle China (2,8 Mio t), dann Pakistan (2,5 Mio t), Bangladesch (1,7 Mio t), Russland (ebenfalls 1,7 Mio t), Brasilien (1,4 Mio t), Thailand (1,0 Mio t) und an zehnter Stelle Kongo-Kinshasa (ebenfalls mit 1,0 Mio t).

Es ist zwar wichtig, über diese absoluten Zahlen Bescheid zu wissen, zeigen sie doch an, wo Interventionen am dringendsten oder wichtigsten sind, doch können bei dieser hotspot-Betrachtung nur große Länder an der Spitze stehen. Was Indien betrifft, so werden dort die Abfälle von 19% der Bevölkerung oder 255 Millionen Menschen nicht gesammelt, das verursacht etwas über die Hälfte der Makroplastikabfälle (53%), der Rest geht auf das Konto des Verbrennens des Plastikmülls.


jährliche Pro-Kopf-Makroplastikverschmutzung weltweit im Jahr 2020 – je heller, umso weniger, je röter, umso ärger

Um die Größe der Bevölkerung der jeweiligen Länder herauszurechnen und somit die Intensität der Makroplastik-Verschmutzung zu zeigen, ist eine Pro-Kopf-Betrachtung angezeigt. Die soeben wiedergegebene Weltkarte zeigt die resultierenden Werte, und zwar für subnationale Einheiten. Diese sind bei einem Weltkarten-Maßstab aber meist nicht sichtbar. Daher gibt es im Studien-Anhang kontinentweise Darstellungen. Trotz dem deutlich höheren Anfall von Plastikabfällen ist kein einziges der Hocheinkommensländer unter den 90 ärgsten Makroplastikverschmutzern – was freilich am meist 100%igen Einsammeln und der kontrollierten Entsorgung liegt.

Die Pro-Kopf-Werte ergeben ein sehr anderes Bild als die absoluten Zahlen. Der Welt größter Verschmutzer, Indien, rückt mit einem Wert von 6,64 kg/Kopf/Jahr auf Platz 127 und China, der absolut viertgrößte Verschmutzer, findet sich mit 1,97 kg/Kopf/Jahr gar auf einem der hintersten Plätze, der 153., um genau zu sein. Der weltweit fünftgrößte Verschmutzer Russland ist hingegen auch bei den Pro-Kopf-Werten mit seinen 11,71 kg/Kopf/Jahr ein hotspot.

Leicht selbstkritisch erklären die Studien-Autoren, dass sie Plastikabfall-Exporte nicht einbezogen haben. Zur Erklärung geben sie an, dass solche Exporte zum einen stark zurückgegangen sind (die zehn größten OECD-Länder exportierten 2022 immer noch 1,7 Millionen Tonnen in Nicht-OECD-Länder und die Türkei, auch wenn das deutlich unter dem 2017er Wert von 5,4 Mio t an jährlichen Exporten liegt). Offenbar trägt das aber nur 0,03 Mio t zur Makroplastikverschmutzung bei und sei somit vernachlässigbar – auch wenn der logische Schluss daraus gar optimistisch scheint: dass fast die ganzen 1,7 Millionen Tonnen in Nicht-OECD-Länder exportierte Plastikabfälle ordnungsgemäß entsorgt werden.

Hier nun die Pro-Kopf-Werte für Afrika in höherer Auflösung. Südsudan, Angola und Namibia springen ins Auge. An Groß- und Riesen-Städten heben die Studienautoren Lagos (Nigeria), Juba (Südsudan) und Nouakchott (Mauretanien) hervor. Ein kurzer Vergleich zwischen Hamburg (Deutschland) und Mogadischu (Somalia) zeigt himmelhohe Unterschiede – 0,02 kg/Kopf/Jahr gegenüber 13,63 kg/Kopf/Jahr, also 680-mal so viel –, zeigt aber gleichzeitig, wieviel Potential Verbesserungen des Abfall-Managements in sich bergen.


jährliche Pro-Kopf-Makroplastikverschmutzung in Afrika – je heller, umso weniger, je röter, umso ärger

In den meisten afrikanischen Staaten trägt das Verbrennen etwas weniger zum Makroplastikverschmutzung bei als Plastikschutt. Offenbar wird in vielen ländlichen Gegenden Müll viel weniger verbrannt als in den Städten.

Um im Globalen Süden Verbesserungen zu bewirken, wäre es am Allerwichtigsten, (Makroplastik-)Müll vollständiger einzusammeln, sorgt nicht-eingesammelter Müll in Niedrigeinkommensländern doch für 80% der Makroplastikmüllverschmutzung.

Was Afrika betrifft, warnen die Studien-Autoren: “Angesichts des vorherzusehenden Bevölkerungswachstums ist es denkbar, dass sich Sub-Sahara-Afrika mit einer Verschmutzungsrate von 12,01 kg pro Kopf pro Jahr in den nächsten paar Jahrzehnten zu der Welt größter Quelle von Plastikverschmutzung entwickelt.“

Es gilt gegenzusteuern.

 
an einem Strand in Accra gesammelter Plastikmüll [8]

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Endnoten:

[1] Etwa 50 km ostsüdöstlich von Jo’burg, in Gauteng. Foto Derek Keats 2.6.2018, zugeschnitten GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Spotted_necked_otter,_Hydrictis_maculicollis,_at_Marievale_playing_with_a_plastic_bottle_like_a_dog_plays_with_a_ball_(40865743540).jpg.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Joshua W. Cottom, Ed Cook, Costas A. Velis, A local-to-global emissions inventory of macroplastic pollution, Nature Nr.633 vom 4.9.2024, pp.101-108, herunterladbar auf https://www.nature.com/articles/s41586-024-07758-6.

[4] United Nations Environment Programme. Die UNEA-Resolution 5/14 vom 2. März 2022 heißt End plastic pollution: towards an international legally binding instrument. Sie ist verfügbar unter https://wedocs.unep.org/bitstream/handle/20.500.11822/39812/OEWG_PP_1_INF_1_UNEA%20resolution.pdf. Die Studie mitsamt ihrer fantastischen Grafiken ist dankenswerterweise gemeinfrei.
Die Studie selbst ist nicht lang (8 Seiten plus Methodologisches und vor allem Grafiken im Anhang), noch geraffter findet sich ihr Inhalt in Joshua W. Cottom, Ed Cook, Costas A. Velis, Plastic pollution hotspots pinpointed in new research – India ranks top due to high levels of uncollected waste, The Conversation 6.9.2024, https://theconversation.com/plastic-pollution-hotspots-pinpointed-in-new-research-india-ranks-top-due-to-high-levels-of-uncollected-waste-237798.

[5] Wobei in zweiterem Fall die Masse vor dem offenen und unkontrollierten Verbrennen einberechnet wird und nicht die Rückstände und Gase, die beim Verbrennen entstehen.

[6] Alle drei arbeiten sie an der Leeds-Universität, Costas Velis als Lektor zu Systemen der Ressourcen-Effizienz, Ed Cook als wissenschaftlicher Mitarbeiter/Forscher zu Systemen zirkulärer Ökonomie für Plastikabfälle, Josh Cottom als wissenschaftlicher Mitarbeiter/Forscher zu Plastikmüll.

[7] Zu Nigerias Plastikmüll-Problem siehe Wale Fatade (der commissioning editor von The Conversation fasst in dem Artikel die Artikel von “5 Interview-PartnerInnen” zusammen), Nigeria is the world’s 2nd biggest plastic polluter: expert insights into the crisis, The Conversation 12.9.2024, https://theconversation.com/nigeria-is-the-worlds-2nd-biggest-plastic-polluter-expert-insights-into-the-crisis-238799.

[8] Foto Amuzujoe 11.1.2020, zugeschnitten GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Plastic_waste_009.jpg.

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