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Kosten von Verruf und Vorurteil auf internationalen Finanzmärkten

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Graffiti, Athen 2015, da wurde Griechenland von Berlin & Co mit seinen Schulden erpresst [1]

* * *

Günther Lanier, Ouagadougou 6. November 2024[2]

* * *

Wer sich bei einer Finanzinstitution Geld borgt, verspricht, es mit Zinsen zurückzuzahlen.

Doch wie viel Zinsen er oder sie zahlen muss, hängt insbesondere davon ab, wie kreditwürdig sie oder er ist. Ist jemand nur vorübergehend illiquid oder sind Sicherheiten vorhanden, werden die Zinsen niedrig sein – Leute ohne Reserven oder Einkommen werden hingegen hohe Zinsen, vielleicht sogar Wucherzinsen, zahlen müssen.

Im Wesentlichen gilt das auch für Länder. Das sogenannte “Länderrisiko“ muss abgegolten werden – je höher es ist, umso höher die Zinsen. Z. B. müssen Washington oder Wien beim Bedienen auf den internationalen Finanzmärkten aufgenommener Schulden weniger tief in die Taschen greifen als Juba oder Khartum[3].

Solch Länderrisiko kann von der kreditgebenden Finanzinstitution selbst beurteilt und dann bepreist werden. Es gibt aber auch Rating-Agenturen, die das tun. Die beiden berühmtesten sind Moody’s und Standard & Poor, beides US-amerikanischen Unternehmen[4]. Diese haben für LaiInnen etwas komplizierte “Noten“systeme entwickelt:

Trading Economics ist keine Rating-Agentur, sondern ein Unternehmen, das ökonomische Daten liefert, unter anderem hat es auch ein Länderrating entwickelt. Wie es selbst schreibt, ist dieses unmittelbar verständlich, geht es doch von 100/vollwertig bis 0/nichts wert[5].

Ein Land erhält nicht automatisch von Moody’s und Standard & Poor sein Rating. Für den Zugang zu den internationalen Finanzmärkten bedeutet ein solches Rating nur dann eine Erleichterung, wenn es nicht allzu schlecht ausfällt.

Anzumerken ist, dass diese Benotungen den Rating-Agenturen beträchtliche Macht verleihen, können sie doch entscheiden, ob ein Kredit zustande kommt, und wenn, wie hohe Zinsen dafür zu zahlen sind.


Bedeutung der Rating-“Noten” siehe Tabelle oben, SD = teilweise Zahlungsunfähigkeit (selective default) [6]

Über zwanzig der in der Tabelle alphabetisch angeordneten afrikanischen Länder haben nicht einmal von Trading Economics ein Rating bekommen, 25 haben ein Standard & Poor- und 28 ein Moody’s-Rating. Am besten schneidet Botswana ab, am zweitbesten Mauritius. Doch sogar diese beiden sind nur Mittelklasse. Am schlechtesten schneiden Ghana, Sambia (nur bei Standard & Poor) und Äthiopien ab, da sie sich partieller Zahlungsunfähigkeit schuldig gemacht haben[7]. Aber wie gesagt, ist das Rating Afrika betreffend unvollständig.

Vor kurzem wurde eine Studie veröffentlicht, die den Medien einen Teil der Schuld an den hohen Kosten zuweist, die für den Schuldendienst afrikanischer Länder anfallen[8]. Die gemeinnützige Organisation Africa No Filter und das Beratungsunternehmen Africa Practice haben ein paar afrikanische Länder mit Ländern anderer Kontinente mit vergleichbaren ökonomischen fundamentals (das sind die wichtigsten die Wirtschaft betreffenden Daten) und die Berichterstattung der internationalen Medien rund um Wahlen verglichen. Dass Ägypten, Kenia, Nigeria und Südafrika in den Medien sehr viel schlechter wegkommen, die erdrückende Mehrheit der Artikel Negatives berichten, schafft oder bestärkt negative Stereotype – und diese fließen in die wirtschaftlichen Beurteilungen und somit auch in die Ratings der betreffenden afrikanischen Länder ein. Und so müssen diese auf Auslandsschulden höhere Zinsen zahlen.

In dem Bericht werden die Zusatzkosten für die vier genauer untersuchten Länder auf ganz Afrika hochgerechnet. Die Studie kommt dabei auf die erkleckliche Summe von 4,2 Milliarden USD – “Voruteilsprämie“ wird sie treffend genannt.

Nun, diese 4,2 Mrd USD enthalten bei aller Wissenschaftlichkeit zweifellos einen beträchtlichen Teil an Schätzung, Pi mal Daumen, wie es so heißt. Dennoch ist die Zahl meines Erachtens interessant, gibt sie dem allseits üblichen Einfärben von Nachrichten doch eine zähl- und messbare Dimension.

Was die Voreingenommenheit der Ratingagenturen gegenüber Afrika betrifft, so gibt es von UNO-Seite seit über einem Jahr schon eine Schätzung, wie viel sie Afrika kostet[9]: nämlich mehr als drei Mal so viel wie die von den Medien verursachten Schäden.

Beruhten Ratings auf fundamentals – also auf ökonomischen Fakten – statt auf subjektiven Einschätzungen der Beurteilenden, so würden afrikanische Länder Zugang zu zusätzlichen 31 Milliarden USD an Finanzierungen gewinnen und müssten auf ihre Auslandsschulden 14,2 Milliarden USD weniger an Zinsen zahlen.

Ungeheuerlich.


“Oxi” (sprich: ochi) heißt in Griechenland[10] nicht nur “nein“, es bedeutet Widerstand – auch gegen die Berliner und Brüsseler Erpressung [11]

* * *

Endnoten:

[1] Foto Zigomitros Athanasios 14.7.2015, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Currency_Graffiti.jpg.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Wobei nicht nur Staaten beim Geldausborgen fürs Länderrisiko zahlen – eine kenianische Bank oder ein sonstiges kenianisches Unternehmen wird bei einer Kreditaufnahme jenseits der Grenzen nicht nur für sein betriebswirtschaftliches Risiko Zinsen zahlen, sondern auch für das Risiko, das dadurch entsteht, dass Bank oder Unternehmen in Kenia aktiv sind. Das Länderrisiko fließt somit bei der Kreditaufnahme ins Gesamtrisiko mit ein.

[4] Diese bewerten nicht nur das Länderrisiko – ihr Hauptgeschäft ist das Rating von Unternehmen.

[5] Die beiden Tabellen sind auf Basis von https://tradingeconomics.com/country-list/rating?continent=africa erstellt. Ich hoffe, die Informationen sind richtig und aktuell (ich habe kein Datum der letzten Aktualisierung gefunden).

[6] Tabelle erstellt auf Basis von https://tradingeconomics.com/country-list/rating?continent=africa.

[7] Sehen wir ab von diesem “besonderen Umstand“ der Zahlungsunfähigkeit, dann sind Niger, Mali und Mosambik die schlechtest-gereihten.

[8] Africa Practice für Africa No Filter, The Cost of Media Stereotypes to Africa. The relationship between media, investment and economic development, Okt.2024, herunterladbar auf https://africapractice.com/stereotypical-media-narratives-deprive-africa-and-fdi-community-of-billions-annually-new-study-reveals/.
Auf die Spur gebracht hat mich ein Guardian-Artikel: Caroline Kimeu, Negative stereotypes in international media cost Africa £3.2bn a year – report, The Guardian 17.10.2024, https://www.theguardian.com/global-development/2024/oct/17/media-stereotypes-africa-higher-interest-report-payments-on-sovereign-debt.

[9] United Nations Development Programme (UNDP), Lowering the Cost of Borrowing in Africa – The Role of Sovereign Credit Ratings, 3.4.2023, herunterladbar auf https://www.undp.org/africa/publications/lowering-cost-borrowing-africa-role-sovereign-credit-ratings.
Auf die Spur gebracht hat mich Carlos Lopes, African countries can’t resolve their debt crisis under a system rigged against them, The Conversation 5.5.2024, https://theconversation.com/african-countries-cant-resolve-their-debt-crisis-under-a-system-rigged-against-them-228905.

[10] Ob Griechenland auch unter einem vorurteilsbedingt zu niedrigen Rating leidet, weiß ich nicht. Unter seinen GläubigerInnen hat es jedenfalls auch beträchtlich gelitten. Andererseits wurde es von Berlin für die Nazi-Zeit noch immer nicht entschädigt. Aber das ist ein anderes Thema – das gehört zu meinem Artikel der Vorwoche und zum deutschkolonialen Namibia (sowie Tansania).

[11] Am griechischen Nationalfeiertag am 28. Oktober wird alljährlich ein historisches “Oxi” gefeiert – am 28.10.1940 hatte Mussolini Athen aufgefordert, die Einrichtung von italienischen Militärstützpunkten auf griechischem Boden zuzulassen. Das wurde verweigert.
Hier ein “Oxi“ aus der Zeit der griechischen Militärdiktatur auf den Ruinen des Johanniter-Kastells in Archangelos, Rhodos. Foto Piotrus 27.5.2009, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Archangelos059.JPG.

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