Foto/Scan: südafrikanisches Visum, erteilt beim Grenzübertritt aus Swaziland/eSwatini [1]
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Günther Lanier, Ouagadougou 9. April 2025[2]
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Wie schön, wie angenehm: Ländergrenzen, die sich auflösen; Reisefreiheit!
Zum Beispiel innerhalb der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS (auf Französisch CEDEAO) oder im Schengen-Raum.
Wie halten es afrikanische Länder in Zeiten erneuten globalen Mauerbaus – gegen Menschen vor allem, neuerdings auch gegen Güter – mit der Reisefreiheit für Angehörige anderer afrikanischer Länder? Wo doch immer wieder von Panafrikanismus die Rede oder Schrift ist: Verhält sich der afrikanische Kontinent solidarisch? Trotzt er zumindest in seinem Inneren der globalen Tendenz zur Abschottung?
Migration ist sowohl entsenderInnenseits[3] als auch empfängerInnenseits[4] eine ökonomische Wohltat, daran besteht vonseiten der Wissenschaften wenig Zweifel. Ein The Conversation-Artikel analysierte Ende 2024 Haltungen und Widerstände gegenüber solcher Personenfreizügigkeit. Er fand, was Afrika betrifft, drei Haupthindernisse: Visa; Ablehnung und Ressentiments in aufnehmenden Gemeinschaften; und aufseiten reicher Länder das Fokussieren auf Rückkehr und Rückführungen von MigrantInnen und ein Investieren in die “Entwicklung“ der Entsendeländer, um einer Migration vorzubeugen[5].
Schauen wir uns die Situation an, was innerafrikanische Visa betrifft. Ich stütze mich dabei auf den Africa Visa Openness Index (AVOI), also den Visumsoffenheitsindex Afrikas, der alljährlich von Afrikanischer Union und Afrikanischer Entwicklungsbank-Gruppe im Africa Visa Openness Report, also dem Visumsoffenheitsbericht Afrikas, veröffentlicht wird[6]. Seine letzte Version sah Ende November 2024 das Licht der Welt.
Lassen wir uns übrigens von großen Ankündigungen nichts vormachen. Als Kenias Präsident Ruto 2023 Visa-Freiheit für alle AfrikanerInnen verkündete, bedeutete das in Wirklichkeit eine Verringerung der Visa-Offenheit seines Landes, wurden doch in Wirklichkeit elektronische Visa eingeführt – und die waren auch für Angehörige von Ländern Vorschrift, die zuvor frei einreisen konnten (wie zum Beispiel Äthiopien und Dschibuti)[7].
namibisches Visum in südafrikanischem Pass [8]
Was den Index betrifft, ist er sehr einfach konstruiert: Er kennt drei Kategorien der Visa-Freiheit bzw. -Unfreiheit: visumsfreie Einreise, Visum bei Ankunft (visa on arrival), Visumspflicht (egal, ob das ein “wirkliches“ oder ein E-Visum ist). Nun wird für jedes afrikanische Land die Zahl der afrikanischen Länder gezählt, die in diese drei Kategorien fallen; die drei Prozentsätze werden für die Kategorie visumsfreier Einreise mit 1 multipliziert, mit 0,8 für Visa bei Ankunft und mit 0 für die Kategorie mit Visumspflicht. Das ergibt einen Wert zwischen 0 (alle AfrikanerInnen brauchen ein Visum zur Einreise) und 1 (niemand braucht ein Visum)[9].
Hier nun die 55 afrikanischen Länder gereiht nach ihrer Offenheit, zuerst als Grafik, dann als Tabelle[10].
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Ganz offen sind also Benin, Gambia, Ruanda und die Seychellen.
Die Westsahara – Mitglied der Afrikanischen Union – ist angeführt, für sie gibt es aber keine Werte, da ihre Staatlichkeit weitgehend theoretischer Natur ist.
Das sehr wohl existierende – aber von niemandem anerkannte – Somaliland ist hingegen nicht Teil dieser Statistik. Was afrikanische Länder betrifft, werden Visa bei Ankunft für Angehörige Marokkos, Südafrikas, Tunesiens und der Mitglieder der Regionalorganisation IGAD[11] (Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan, Südsudan und Uganda) ausgestellt. Das entspricht einem Indexwert von 0,166 und Somaliland würde mit diesem Wert in der Tabelle in Afrika hinter Gabun und vor Marokko auf dem 43. Platz rangieren.
Endnoten:
[1] Fotografiert oder gescannt von Monocletophat123 am 27.1.2014, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:South_Africa_visa.png.
[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[3] Die Rücküberweisungen von AfrikanerInnen im Ausland übertreffen die Gelder der Entwicklungszusammenarbeit um ein Vielfaches.
[4] Den ivorischen Kakao-Sektor gäbe es wohl nicht mehr, wären da nicht die burkinischen MigrantInnen. Und was den Gesundheitssektor in vielen Ländern des Globalen Nordens betrifft, wäre er ohne migrantische Arbeit in einem sehr traurigen Zustand.
[5] Siehe Franzisca Zanker, Amanda Bisong, African migrants can drive growth in their home countries – but three barriers stand in the way, The Conversation 3.12.2024, https://theconversation.com/african-migrants-can-drive-growth-in-their-home-countries-but-three-barriers-stand-in-the-way-243625.
[6] Herunterladbar auf https://www.visaopenness.org/.
[7] Siehe Basillioh Rukanga, Kenya less open to visitors despite visa-free policy – report, BBC 26.11.2024, https://www.bbc.com/news/articles/cy5l6yddd62o.
[8] Aus dem eigenen Pass eingescannt von HelenOnline im Jahr 2002, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Namibian_visa.jpg.
[9] Die Gewichtung bedeutet eine sehr ähnliche Behandlung von kein Visum und Visum bei Ankunft – ich hätte einen größeren Unterschied gemacht.
[10] Erstellt aufgrund der Daten des zitierten Visumsoffenheitsindexes, p.44; die Grafik ist der auf p.14 nachgebildet.
[11] IGAD = Intergovernmental Authority on Development. Quelle: http://www.slimmigration.com/visa-section/.