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Henna und Freiheit

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Foto: Braut mit hennageschmückten Händen, Tansania [1]

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Günther Lanier, Ouagadougou 25.5.2022[2]

* * *

Die BBC-Journalistin Mary Harper[3] hat in Cambridge und an der SOAS (School of Oriental and African Studies) studiert. Sie berichtet seit den frühen 1990ern aus Afrika, ist in der British Broadcasting Company mittlerweile zur Afrika-Redakteurin aufgestiegen. Ihr Hauptinteresse gilt Somalia und dem Horn von Afrika. Sie hat zwei Bücher veröffentlicht: Everything You Have Told Me is True: The Many Faces of Al Shabaab, London (Hurst) 2019[4] sowie sieben Jahre davor Getting Somalia Wrong? Faith, War and Hope in a Shattered State, London (Zed Books) 2012.

An den Wochenenden wird das werktägliche BBC Africa Live in einer sehr reduzierten Form als BBC Africa Latest Updates betrieben. Dort gibt es jedoch mehr Platz als sonst für etwas längere Artikel, die nicht brandaktuell sind, Letters from Africa zum Beispiel oder From Our Own Correspondent. Am vergangenen Samstag spätnachts (um 23h09) war dort ein Artikel von Mary Harper zu finden, What beauty parlours reveal about Somali women[5]. Ein kleines Juwel von einem Artikel – er öffnet ein Fenster auf eine Welt, zu der wir sonst kaum Zutritt haben, Männer sowieso nicht.


In einem Schönheitssalon in Mogadischu [6]

Henna ist vielseitig und weitverbreitet.

Der Hennastrauch ist ganz überwiegend unbewaffnet, also stachellos – obwohl das bei Pflanzen nicht gerade eine auffällige oder seltene Eigenschaft ist, wurde es als Beiwort seinem lateinischen Namen hinzugefügt: Lawsonia inermis – der erste Namensteil kommt vom schottischen Arzt Isaac Lawson. Der hatte 1735 die erste Auflage von Carl von Linnés Systema Naturae kofinanziert. Und Linné hatte zum Dank eine Gattung der Pflanzenfamilie der Weiderichgewächse (Lythraceae) Lawsonia genannt.


Lawsonia inermis [7]

“Der Hennastrauch ist ein duftender, laubabwerfender, reich verzweigter Strauch oder kleiner Baum mit steifen, breit ausladenden Zweigen, der Wuchshöhen von 1,5 bis 8 Metern erreicht. (…) Die dünne Rinde hat eine weißliche bis gräulich-braune Farbe.
Die kurz gestielten Laubblätter sitzen gegenständig an den Zweigen angeordnet. Die fast sitzenden bis kurz gestielten, kahlen, ganzrandigen, eiförmigen bis verkehrt-eiförmig oder elliptischen, dünnledrigen Blätter sind an beiden Enden spitz und feinstachelspitzig, 8 bis 44 mm lang und 2 bis 20 mm breit. (…)
Die Hauptblütezeit des Hennastrauchs reicht von Oktober bis November, er kann aber die meiste Zeit des Jahres blühen. In endständigen, großen, sympodial verzweigten, 3 bis 22 cm lang rispigen Blütenständen stehen viele Blüten zusammen. Die Blütenstiele sind 2 bis 3,5 mm lang. Die zwittrigen, radiärsymmetrischen, vierzähligen Hennablüten mit doppelter Blütenhülle sind nur wenige Millimeter klein und sie duften unterschiedlich stark.“[8]

Der Hennastrauch braucht Wärme und viel Licht. Frost verträgt er nicht.


Lawsonia inermis [9]

Wo Henna herkommt oder zuerst kultiviert wurde, wissen wir nicht. Es ist in der “Alten Welt“ zumindest seit der Antike bekannt und wurde wegen seines Duftes (Blüten, Öle) oder seiner färbenden Eigenschaften geschätzt und verwendet. Gefärbt wurden und werden Haare oder Haut, insbesondere die von Füßen und Händen, z.B. in Indien, Nord- und Ostafrika. Unter den ägyptischen Mumien waren manche henna-bemalt.

Zum Herstellen der Farbe werden die Blätter getrocknet (nicht in der Sonne, sondern an einem schattigen, dunklen Ort, sonst verlieren sie den Farbstoff) und dann gemahlen. Wird dem Henna Indigo beigemischt, so ändert sich die resultierende Farbe von hellem Orange bis zu dunklem Mahagonirotbraun zu Schwarz. Vor der Verwendung wird das Pulver mit Wasser angerührt. Nach dem Auftragen dauert es mehrere Stunden, bis die Farbe von eiweißhaltigen Stoffen (Haut, Haare, Wolle, Seide) “aufgezogen“ (das ist der Fachterminus) wird.


Vor der Anwendung unauffällig: Henna-Pulver [10]

In ihrem Artikel vom letzten Samstag berichtet Mary Harper von Schönheitssalon-Besuchen in Somalia, Somaliland und in Little Mogadishu, einem somalidominierten Viertel Nairobis, wo sie sich, meist in Begleitung einer Freundin, mit Henna bemalen lässt.

“Als ich zum ersten Mal einen somalischen Schönheitssalon besuchte, war da etwas Eigenartiges an der Frau, die die Tür aufmachte. Ich habe ein paar Sekunden gebraucht bis mir klar geworden ist, dass sie keinen Hidschab trug und ihre üppigen schwarzen Haare bis unter ihre Schultern hinab wallten. ’Ah! Zieh’ diesen Blödsinn aus’, sagte sie, sobald ich drinnen war und half mir, mich meines Kopftuchs und anderer Kleidungsstücke zu entledigen. Als wir bei der untersten Schicht anlangten, raffte sie meinen Unterrock zusammen und stopfte ihn in meine Unterhose, damit ich herumgehen konnte, ohne drüber zu stolpern. Dann führte sie mich in einen Raum, wo Frauen und Mädchen im Zustand unterschiedlich starker Entkleidung herumlungerten. Manche trugen eng anliegende Jeans und bauchfreie Tops, die sonst unter ihren Abayas verborgen blieben, den langen Kleidern, die sie in der Öffentlichkeit tragen. Ich verbrachte dort einen wunderbaren Nachmittag, wir redeten über halales[11] Dating, Napfkuchen und wie du mehr oder weniger gezwungen bist, jedes Jahr ein Baby zu produzieren, wenn Du nicht willst, dass sich dein Mann eine zweite Frau zulegt. Noch dazu sollten diese Babys lieber Buben sein.“[12]

Nur durch eine Wand getrennt von der Straße, nur eine Tür von der Öffentlichkeit entfernt, wo ganz andere Gesetze gelten, wo die hier fabrizierten kunstvollen Frisuren und exquisiten Henna-Malereien unter Kopftüchern und langen Kleidern verborgen werden, finden somalische Frauen – und britische Journalistinnen, die sich dorthin wagen – hier einen Raum der Freiheit und der Solidarität.


Henna-Frucht [13]

Ich erinnere mich an eine Ethnologie-Vorlesung – in den späten 1970ern hieß sie noch Völkerkunde -, in der es um schwarze Menschen ging, allerdings auf einem anderen Kontinent: Es handelte sich um eine Einführung in die Ethnologie Australiens. Da berichtete der vortragende Experte von einem Volk, das unter WissenschaftlerInnen lange als extrem patriarchalisch galt. Das änderte sich schlagartig, als dort eine Forscherin tätig wurde. Ihr stand nämlich der Zugang zur Welt der Frauen offen.

Den vielen Wissenschaftlern davor war die Hälfte dieser fremden Welt entgangen und sie hatten wohl auch keine Energie darauf verwendet, jenseits ihrer männlichen Wissenschaft Unentdecktes auch nur zu vermuten, es war ihnen schlicht nichts abgegangen.

Das gilt wohl weltweit: Männliches steht viel zu sehr und allzu oft unwidersprochen im Mittelpunkt.

Was Somalia betrifft, gibt es ein interessantes Buch, das uns die Augen öffnen kann, so wir das wollen, was die Möglichkeiten von Frauenleben betrifft: eine Autobiographie eines somalischen Mädchens – beziehungsweise war sie, als sie ihre Autobiographie erzählte, eine Frau:

Aman. Die Geschichte eines somalischen Mädchens. So wie Aman sie Virginia Lee Barnes und Janice Boddy erzählte[14].

Was wäre die Welt ohne Bücher?


Lawsonia inermis, Tamil Nadu, Indien [15]

* * *

Endnoten:

[1] Foto Daniel Msirikale 22.11.2015, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bridal_Details.jpg.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Informationen von ihrer Webseite (http://www.maryharper.co.uk/pages/home.html). Hier die Adresse ihres Blogs: http://mary-harper.blogspot.com/ – dort hat sie jedoch seit 25. Nov. 2020 nichts mehr hochgeladen.

[4] Siehe die Verlagswebseite https://www.hurstpublishers.com/book/everything-you-have-told-me-is-true/. Dort heißt es unter anderem: “An intimate look at everyday life under, within and alongside a notorious terrorist group”.

[5] Siehe https://www.bbc.com/news/world-africa-61379487.

[6] Foto AMISOM/Mukhtar Nuur 19.1.2022, Detail: GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:AMISOM_Progress_photos_-_Mogadishu_(51835618623).jpg

[7] Bild aus einem Buch über die Flora der Philippinen aus den 1880er Jahren, extrahiert von Ayacop, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lawsonia_inermis_Blanco_part.png.

[8] Zitiert aus https://de.wikipedia.org/wiki/Hennastrauch.

[9] Foto Dinesh Valke 11.7.2009, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lawsonia_inermis_(3709419835).jpg.

[10] Foto Andrey “A.I.” Sitnik, ohne Datum, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Henna_for_hair.jpg.

[11] Halal = nach islamischem Recht erlaubt. Bitte mir das Deklinieren des laut Duden indeklinablen “halal“ zu verzeihen, aber halal Dating klingt auf Deutsch falsch.

[12] Übersetzung GL.

[13] Foto SKsiddhartthan 17.11.2018, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Henna_fruit.jpg.

[14] Etwas frei übersetzt von GL. Im Original: Aman. The Story of a Somali Girl by Aman as told to Virginia Lee Barnes and Janice Boddy, London (Bloomsbury) 1994.

[15] Foto Yercaud-elango 9.2.2015, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lawsonia_inermis-1-yercaud-salem-India.JPG.

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