Das Podium der Pressekonferenz, die HandiFashion am 23. April 2024 ankündigte: links Koba Boubacar Dao, Moderator der Presskonferenz und Generalsekretär der NGO Claire-Vision[1]; in der Mitte Marie Claire/Reine Akoandambou, Präsidentin von Claire-Vision und Organisatorin des Festivals; rechts Sam Sinaï, Vorstandsmitglied von Claire-Vision[2]
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Günther Lanier, Ouagadougou 22. Mai 2024[3]
(da es mit der Webseite Probleme gab, konnte ich den Artikel erst am 27.5.2024 hochladen)
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Menschen mit und auch ohne Behinderung machen und präsentieren Mode: Kleidung, Frisuren, Schmuck. Und sie machen Musik. Und tanzen.
Ein Fest der Inklusion.
Es war am Samstagabend des 4. Mai. Ort des Geschehens: das Restaurant Koupadjana[4], etwas westlich des Zentrums der burkinischen Hauptstadt, in der Nähe des Nationalmuseums, unweit des Boulevard Thomas Sankara.
Nicht nur schwarz, sondern auch Frau und dazu noch die Behinderung: Wir könnten sagen, dass Marie Claire Akoandambou alltäglich drei “Handikaps“ am eigenen Körper erlebt. Das “Handi“ in “HandiFashion“ kommt von “handicap“ – auf Französisch “Behinderung“.
HandiFashion ersetzt die alten Klischees von Almosen abhängiger, passiver Opfer durch eindrückliche neue Bilder (und Töne und Wörter) von dynamischen, aktiv das soziale Leben mitgestaltenden Menschen, die sich ihren gleichberechtigten Platz schaffen, wenn er ihnen verwehrt werden sollte. Begonnen hat der Event mit den Worten: “Ça décale à gauche, ça décale à droite, ça décale partout“. Behinderung als stolzer Beitrag statt als Schande, die versteckt werden muss: “Es läuft links aus der Spur, es läuft rechts aus der Spur, es läuft überall aus der Spur“.
Vor allem aber schön: die Musik, die Frisuren, der Schmuck, die Kleider. Feier-Modus, wenn auch bescheiden, den widrigen Umständen und Zeiten zum Trotz.
Dem Club 0,7% von MitarbeiterInnen des österreichischen Außenamtes ein großes Dankeschön – der Club 0,7% hat HandiFashion finanziert, so wie 2023 schon die Karawane zur inklusiven Erziehung[5] Und ein ganz besonders herzliches merci vielmals an Michael König. Er ist Chef des österreichischen Kooperationsbüros in Ouagadougou, Mitglied im Club 0,7% – ohne ihn als Mittler hätte HandiFashion 2024 nie stattgefunden.
Hier ein Bericht vom Abend des 4. Mai im Restaurant Koupadjana in Bildern.
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HandiFashion Samstag 4. Mai 2024, 20h, Restaurant Koupadjana
Es begann mit einer Programmänderung. Angekündigt – auch auf dem Plakat – war gewesen, dass es um 19h ein Dinner geben würde. Da wäre kaum jemand schon da gewesen. Stattdessen gab es dann nach dem Mode-Defilee ein Buffet, bei dem die Ergebnisse einer Ausbildung in inklusivem, interkulturellem Kochen zu degustieren waren. Die Ausbildung hatte am Event-Ort selbst – schließlich ein Restaurant – untertags stattgefunden.
Das degustierende HandiFashion-Publikum war nach der Modeschau auch von der Küche begeistert – aber das ist hier nicht unser Thema.
Es ist angerichtet & der Laufsteg ist bereit. Im Laufe des Abends erwies sich der rote Teppich als wenig adäquat: Nicht am Boden fixiert, kam er so mancher und so manchem zwischen die Beine oder Rollstuhlräder, wurde schließlich entfernt. Foto GL.
Hier ist noch Boubacari Kéré am Wort, der Moderator des Defilees. Aber gleich wird er an Reine übergeben für die Eröffnungsrede. Foto Landry Poyga (ab hier sind alle Fotos, so nicht anders angegeben, von ihm).
Der erste musikalische Beitrag des Abends kam von Sam Sinaï (siehe Podium der Pressekonferenz) – natürlich Playback; Live-Musik-Begleitung kann sich in Burkina kaum wer leisten.
Dann war Amity Méria am Wort, eine burkinaweit sehr bekannte Sängerin, die Reine seit ihrem Debüt als Sängerin unterstützt hat. Sie war die Patin der Veranstaltung.
Und endlich ging es los mit der Modeschau.
Dieser Mannequin ist auch im europäischen Ausland als Tänzer und Schauspieler bekannt. Général Solo Beton alias Souleymane Démé hat in GriGris die Hauptrolle gespielt, dem Film von Mahamat-Saleh Haroun, der 2013 für die Goldene Palme in Cannes nominiert war.
Was die Kleider betrifft, wurden Kreationen von Dao Man und Reine Akoandambou gezeigt.
Inklusion: Auch Nicht-Behinderte…
… können Eleganz.
Dao Man ist ein bekannter Designer, sein Geschäft hat er im Sanyiri-Viertel, östlich von SIAO und Flughafen.
Während Dao Man für Männerkleidung bekannt ist, arbeitet Reine Akoandambou – im Vergleich zu ihm freilich eher eine Anfängerin – vor allem an Modellen für Frauen. Eine ideale Ergänzung.
Der Zugang zum Laufsteg scheint nicht wirklich barrierefrei gewesen zu sein.
And the cat is walking… (der Laufsteg wird ja auch Catwalk genannt).
Sam Sinaï hilft der jüngsten unter den Mannequins auf die Sprünge.
Welch’ schönes Paar: der Tänzer und die Sängerin.
Halbzeit (nach der 1. Hälfte des Defilees): Reine mit einer Hälfte der Mannequins (Foto GL).
Nach insistierendem Drängen war auch Designer-Star Dao Man zu einem kurzen Erscheinen auf der HandiFashion-“Bühne“ bereit. Hier mit fünf Mannequins (Foto GL).
Solo Beton, als Mannequin engagiert, gab bei einer Tanzeinlage seinen unter anderem aufgrund des oben erwähnten GrisGris-Films berühmten Maschinengewehr-Tanz zum Besten.
Dabei ruht sein ganzes Gewicht auf seinem guten Bein…
… während er sein “wehes“ in ein Maschinengewehr verwandelt (diese drei Fotos von GL – bitte die schlechte Qualität zu entschuldigen).
Es wurde sehr viel getanzt an diesem HandiFashion-Abend, mit Krücken, im Rollstuhl, mit eineinhalb Beinen und sogar Nicht-Behinderte schwangen ihre Tanzbeine. Ganz rechts in Schwarz einer der beiden professionellen Tänzer, die Reine bei den meisten ihrer Bühnenauftritte begleiten. Er und Solo Beton boten in der Folge auch noch ein Tanz-Duett. Doch hier zwei andere, keine Profis, aber ebenso tanzbegeistert:
Etwas abseits des Laufstegs…
Geht diese junge Frau in Gelbgrün an dir vorbei und du siehst, wie es mir passiert ist, nur ihren Oberkörper, glaubst du, es ist ein acht- oder neunjähriges, eher solid gebautes Mädchen.
Ihre Beine scheinen sie nur gerade eben noch zu tragen.[6]
Doch wie sie tanzt!!!
Es war ein überaus würdiger Abschluss der Darbietungen des HandiFashion-Abends. Danach kam noch eine kurze Dankes-Ansprache der Veranstalterin, Reine Akoandambou – Dank an die Mitwirkenden, die GeldgeberInnen will heißen den Club 0,7%, Dank an das Publikum.
Dann blieb nur mehr das Buffet zu eröffnen.
Abseits des Laufstegs, parallel zu ihm, aber unter freiem Himmel… Foto GL.
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Der “Königin der Behinderung“, wie sie sich selbst gerne nennt (Reine bedeutet Königin) ein großes Merci und weiter alles Gute!
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Endnoten:
[1] Außerdem ist er unter anderem Präsident von SAGES = Société des Auteurs, des Gens de l’Ecrit et des Savoirs.
[2] In ganz Burkina bekannt für ein etwa zwanzig Jahre altes Lied zur Kinderlähmung. Er selbst hat sie nicht gehabt; er hat nur einen Arm. Foto GL.
[3] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[4] Die HandiFashion Veranstalterin Marie Claire Akoandambou (Künstlerinnenname Reine Akoandambou) ist nicht nur Sängerin, Komponistin, Designerin, die Friseurin “mit den goldenen Fingern“, in der Zivilgesellschaft engagiert (in erster Linie, aber nicht nur in Fragen, die Menschen berühren, die wie sie mit Behinderungen leben), sondern auch eine exzellente Köchin und nunmehr seit vielen Jahren zuerst Kiosk- und dann Restaurant-Managerin.
[5] Siehe Günther Lanier, Die Königin und die Musik im Dienst von Impfungen und Inklusion, Ouagadougou (Africa Libre) 31.5.2023, https://www.africalibre.net/artikel/510-koenigin-und-musik-im-dienst-von-impfungen-und-inklusion bzw. Wien (Radio Afrika TV) 31.5.2023, https://radioafrika.net/die-konigin-und-die-musik-im-dienst-von-impfungen-und-inklusion/
[6] Diese sechs Fotos sind wieder von GL – ich ersuche abermals, die schlechte Qualität zu entschuldigen. Der Fotograf hat diesen Tanz offenbar verschlafen.
Auf Bild 4 und 5 ist im Hintergrund eine weitere Person zu sehen: In Burkina, wenn Dir eine Tänzerin oder ein Tänzer gefällt, gehst du auf die Bühne und tanzt mit, sozusagen eine ehrerbietende zweite Stimme. Hier ist es Maria, die kleine Schwester von Reine, die das tut.