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Erfreuliches aus Namibia

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Foto: Vize-Premierministerin Nandi-Ndaitwah Netumbo (zweite von links) empfängt den indischen Präsidenten Shri Pranab Mukherjee [1]

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Günther Lanier, Ouagadougou 30.11.2022[2]

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Läuft alles nach Plan, so wird 2024 eine weitere Frau in die Riege der fast ausschließlich männlichen afrikanischen PräsidentInnen eindringen. Derzeit muss sich Tansanias Samia Suluhu Hassan bei AU-Gipfeltreffen und ähnlichen Ereignissen sehr einsam vorkommen[3].

Vorgestern Montag wurde Nandi-Ndaitwah Netumbo zur Vize-Präsidentin der Regierungspartei SWAPO gewählt. Zieht sich der derzeitige Präsident Hage Geingob am Ende seines zweiten Mandats vom Partei-Vorsitz zurück, so wird sie nachrücken und bei den Wahlen die Kandidatin der Partei sein, die seit der Unabhängigkeit die Geschicke des Landes steuert und das vorerst wohl weiter tun wird, auch wenn sie zuletzt weniger dominant war.


Netumbo Nandi-Ndaitwah wohl in Estland [4]

Dass eine Frau am präsidialen Thron sitzt, hat Signalfunktion und Symbolwert, bedeutet aber freilich keineswegs automatisch frauenfreundliche oder fortschrittliche oder gar feministische Politik. Siehe Ellen Johnson Sirleaf. Und noch viel mehr siehe Margaret Thatcher. Namibias zukünftige Präsidentschaftskandidatin kann jedoch sehr wohl auf ein Engagement für Frauen verweisen, war von 1996 an Generaldirektorin für Frauenangelegenheiten im Büro des Präsidenten (mit Ministerinnen-Rang) und dann insbesondere 2000-05 des Landes erste Frauenministerin.

Ist der Frauenanteil im namibischen Parlament seit den 2019er Wahlen mit 44% erfreulich hoch, so ist das sicher auch auf die interne SWAPO-Regel aus 2013 zurückzuführen, wonach für alle Parteistrukturen eine 50-Prozent-Frauenquote gilt. Bisher gibt es das strenge und in Sachen Gleichberechtigung allein wirklich effiziente Zebra- oder Reißverschlussprinzip SWAPO-intern allerdings nur bei Lokalwahlen[5]. Beim Durchsetzen dieser Bestimmungen war Netumbo Nandi-Ndaitwah sicher federführend[6].


Außenministerin Netumbo Nandi-Ndaitwah in London [7]

Netumbo Nandi-Ndaitwah hat am 29. Oktober ihren 70. Geburtstag gefeiert. Der marxistischen South-West Africa People’s Organisation (SWAPO) – damals keine Partei, sondern eine Befreiungsbewegung – gehört sie seit 1966 an, da war sie 14[8]. Als sie 1974 als 22-Jährige ins Exil nach Sambia ging, war sie Vorsitzende der SWAPO-Jugendliga von Owamboland im äußersten Norden des Landes. 1976-78 fungierte sie in Lusaka (Sambia) als Vize-, 1978-80 als Haupt-Repräsentantin der SWAPO fürs zentrale Afrika, dann übersiedelte sie nach Dar es Salaam (Tansania) und war dort bis 1986 für die namibische Freiheitsbewegung für Ostafrika und die Afrikanische Union zuständig. Die folgenden Jahre widmete sie sich in erster Linie Akademischem: War sie 1975-76 in Moskau ausgebildet worden (und hatte ihre Abschlussarbeit zu Arbeit und Praxis in einer kommunistischen Jugendbewegung geschrieben), so wandte sie sich nunmehr nach Großbritannien und erwarb dort zunächst in Glasgow ein Diplom in Öffentlicher Verwaltung und Management, dann eines in Internationalen Beziehungen und einen Master in Diplomatie an der Keele-Universität (südlich von Manchester).

1989, im Jahr vor der Unabhängigkeit, kehrte sie nach Namibia zurück. Seit 1990 gehört sie dem Parlament an. Zudem war sie zunächst Vizeaußenministerin und hat dann diverse Regierungsämter ausgeübt. 2012 wurde sie Außenministerin und seit 2015 ist sie zudem Vize-Premierministerin.


Netumbo Nandi-Ndaitwah [9]

Will Netumbo Nandi-Ndaitwah als Präsidentin ab 2024 reüssieren, so wird sie nicht umhinkönnen, ihre Partei zu redynamisieren. Freiheitsbewegungen tun sich allerorts schwer, den Schwung und die Begeisterung aus der Zeit des Kampfes für die Unabhängigkeit in die Zeit nach der Machtergreifung hinüberzuretten[10]. Werden dann – in Namibia nicht viel anders als z.B. in Simbabwe oder Südafrika – wichtige Ämter für Korruption missbraucht[11], so lässt auch die anfänglich selbstverständliche Unterstützung des Volkes an den Wahlurnen nach. So hat die SWAPO 2019 ihre Zweidrittelmehrheit im Parlament verloren und Hage Geingob hat für sein zweites Mandat als Präsident nur wenig mehr als 50% der Stimmen erhalten.

Zynisches Ausnutzen von Macht hat auch den Umgang der namibischen Regierung mit der Frage des deutschen Genozids an Ovaherero und Nama 1904-08 geprägt[12]. Um meinen Artikel vom 9. November 2022 zu zitieren: “Der deutsche Staat weigert sich beharrlich, die Verantwortung für Schandtaten seiner früheren Inkarnationen – sei es die Kolonialmacht Deutschland oder das Dritte Reich – zu übernehmen, egal, ob sein Gegenüber Namibia oder Griechenland oder Tansania oder Polen oder Kamerun oder Italien[13] heißt.“ Als wäre das nicht schlimm genug, hat Namibia bei Verhandlungen mit Deutschland letztes Jahr die Betroffenen bzw. ihre Nachkommen, also Ovaherero und Nama, übergangen und einer “Gemeinsamen Erklärung“ zugestimmt, die einem nahezu vollständigen Ausverkauf gleichkommt: Gegen fortgesetzte deutsche Entwicklungshilfe akzeptierte Windhoek, dass Berlin die wirkliche Anerkennung des Völkermords verweigert und von vornherein Reparationsleistungen ausschließt[14].

Angesichts der heftigen Reaktionen nicht nur unter Ovaherero und Nama musste Windhoek allerdings zurückrudern und bis heute steht die parlamentarische Bestätigung dieser sogenannten Versöhnungsvereinbarung mit Berlin aus. Stattdessen wurde namibischerseits ein Neuverhandeln gefordert[15]. Im Land bereiten inzwischen Ovaherero Traditional Authority und Nama Traditional Leaders Association eine Klage gegen die Versöhnungsvereinbarung vor – diese breche Namibias Verfassung ebenso wie Völkergewohnheitsrecht[16].

Umso erfreulicher war die Nachricht, dass am 23. November, also am Mittwoch voriger Woche, das Curt von François-Denkmal von seinem prominenten Platz in der namibischen Hauptstadt entfernt worden ist[17].


Curt von François vor 1895 [18]

Darum hatte sich seit 2020 eine Dekolonialisierungsinitiative namens “A Curt Farewell“ bemüht – deren Name ein auf dem Vornamen von François’ basierendes Wortspiel ist, heißt “curt“ auf Englisch doch soviel wie schroff, knapp, kurzerhand. Und der Abschied war dann tatsächlich kurz und bündig.

Der Sohn eines deutschen Generals – die Familie war hugenottischen Ursprungs, deshalb der französische Name – war 1889 als Befehlshaber einer kleinen Truppe deutscher Kolonialsoldaten nach Namibia gekommen. Im Jahr darauf hatte er in Windhoek einen militärischen und administrativen Stützpunkt errichtet und dort insbesondere den Bau der “Alten Feste“ in die Wege geleitet.


Eine der Schrifttafeln am nun entfernten Curt von François-Denkmal in Windhoek [19]

Seither galt der seit 1891 Reichskommissar Deutsch Südwest-Afrikas als Gründer Windhoeks, obwohl die Nama ebendort um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Siedlung gegründet hatten, sie soll zeitweise um die 30.000 EinwohnerInnen gehabt haben, war später jedoch überfallen und zerstört worden. So hat Curt von François Windhoek bestenfalls neugegründet. Dass aber Einheimische und ihre Taten gegenüber denen der Eroberer wenig oder gar nicht zählen, ist spätestens seit der “Entdeckung“ Amerikas durch Columbus offensichtlich.

Die Verherrlichung Curt von François’ mittels Denkmals stammt aus 1965. Namibia war da schon lange keine deutsche Kolonie mehr, sondern südafrikanisches Protektorat. Unter der Apartheid-Herrschaft scheint ein Ausblenden der Nama selbstverständlich.

1893 befehligte Curt von François einen Angriff auf die Nama-Festung Hornkranz – unter der Führung Hendrik Witboois weigerten sich die Nama, die deutsche “Schutzherrschaft“ anzuerkennen. Bei diesem Angriff wurde mit großer Brutalität vorgegangen – unter den 80 toten und etwa ebenso viel verletzten Nama überwogen Frauen und Kinder.

Ein Vorbote des deutschen Genozids 1904-08 an Ovaherero und Nama…


früheres (bis 23.11.2022) Curt von François-Denkmal in Windhoek [20]

Das Hornkranz-Massaker hätte längst Grund genug für die Entfernung des Denkmals von der Independence Avenue sein müssen.

Dieses Denkmal soll in Zukunft in der in ein Museum umgewandelten Alten Feste gezeigt werden. Dort wird es gemeinsam mit dem Reiterdenkmal ausgestellt werden, das 1912 zu Ehren der in Afrika gefallenen Soldaten der deutschen Schutztruppe errichtet und 2009 umgesiedelt und 2013 schließlich ganz entfernt worden war. “Mit der entsprechenden Hintergrundinformation versehen, können die beiden Denkmäler dort als Attraktion für lokale und überseeische BesucherInnen dienen und Aufklärung leisten, was die düstere Kolonialgeschichte des Landes betrifft.“[21]

* * *

Endnoten:

[1] Foto (indisches) President’s Secretariat 15. oder 16.6.2016 (widersprüchliche Angaben: Sie empfängt ihn angeblich am Hosea Kutako-Flughafen am 15.6., das Foto aber sei vom 16.6.2016), https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_President,_Shri_Pranab_Mukherjee_being_received_by_the_Deputy_Prime_Minister_of_the_Republic_of_Namibia,_Ms._Nandi-Ndaitwah_Netumbo_on_his_arrival,_at_Hosea_Kutako_International_Airport,_in_Namibia_on_June_15,_2016.jpg.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Äthiopiens Präsidentin Sahle-Work Zewde “zählt nicht“, denn in Äthiopien gibt es – eine ziemliche Ausnahme in Afrika – kein Präsidialsystem, dort übt der Premierminister die Macht aus.

[4] Foto Estnisches Außenministerium 22.1.2019, zugeschnitten GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kohtumine_Namiibia_v%C3%A4lisministriga_(39874308663).jpg.

[5] Siehe die Gender Quotas Database für Namibia: https://www.idea.int/data-tools/data/gender-quotas/country-view/223/35.

[6] Vergleiche auch das Interview mit ihr, das Gretchen Bauer 2002 geführt hat: Netumbo Nandi-Ndaitwah, Minister of Women Affairs and Child Welfare, on gender equality in Namibia, Institute for Public Policy Research (IPPR) August 2002, https://ippr.org.na/wp-content/uploads/2010/06/Int6.pdf.

[7] Foto Foreign and Commonwealth Office 26. 2.2015, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Netumbo_Nandi-Ndaitwah(cropped).jpg.

[8] Die Informationen zu ihren politischen Tätigkeiten entnehme ich vor allem https://opm.gov.na/deputy-prime-minister.

[9] Foto Emmanuel Berrod/World Intellectual Property Organization 31.5.2022, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Netumbo_Nandi-Ndaitwah_Namibia%27s_Deputy_Prime_Minister_(sq_cropped).jpg.

[10] Siehe dazu auch Günther Lanier, Freiheitsbewegungen: Lasst sie nur ja nicht an die Macht! Ouagadougou (Africa Libre) 9.2.2022, https://www.africalibre.net/artikel/96-freiheitsbewegungen–lasst-sie-nur-ja-nicht-an-die-macht-.

[11] Zum Fishrot-Skandal siehe Günther Lanier, Tierisches. Der lebendigste Teil der Umwelt, Ouagadougou (Africa Libre) 20.11.2019, https://www.africalibre.net/artikel/246-tierisches-oder-der-lebendigste-teil-der-umwelt.

[12] Siehe dazu insbesondere Günther Lanier, Sind die PostbotInnen Herero, dann ist Deutschland nicht zu Hause. Deutscher Krieg gegen Herero und Nama, revisited, Ouagadougou (Africa Libre) 24.1.2018, https://www.africalibre.net/artikel/344-sind-die-postbotinnen-herero-dann-ist-deutschland-nicht-zu-hause. Mit dem Thema beschäftigt sich auch Günther Lanier, Lassen Sie uns doch einfach in Frieden! Offener Brief an die EU-Kriegstreiberin Nr.1, Ouagadougou (Africa Libre) 8.5.2019, https://www.africalibre.net/artikel/274-lassen-sie-uns-doch-einfach-in-frieden-oder-offener-brief-an-die-eukriegstreiberin-nr-1.

[13] Was die deutsche Weigerung betrifft, Reparationen und Entschädigungen zu zahlen, publiziert German Foreign Policy immer wieder vernichtende Artikel, zuletzt: Das Recht des Täters, GFP 28.10.2022, https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9067.

[14] Siehe dazu auch Sevim Dagdelens Gastvortrag an der Universität von Namibia in Windhoek: Kontinuitäten der Unterwerfung. Koloniale Vergangenheit – neokoloniale Gegenwart? Internationale Beziehungen im Lichte von Krieg, Sanktionen und Völkerrecht, Junge Welt 18.11.2022, https://www.jungewelt.de/artikel/439022.neokolonialismus-kontinuit%C3%A4ten-der-unterwerfung.html.

[15] BBC, Namibia wants to renegotiate Germany reparations deal, BBC Africa Live 27.10.2022 um 14h44.

[16] Siehe German Foreign Policy, Schweigegeld statt Entschädigung (II), GFP 11.11.2022, https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9080.

[17] Farouk Chothia, Namibia pulls down German colonial officer’s statue in Windhoek, BBC Africa Live 23.11.2022 um 14h03, https://www.bbc.com/news/world-africa-63728105 oder auch DerStandard, Statue von deutschem Kolonialherrn in Namibia abgebaut, DerStandard 23.11.2022 um 15h13, https://www.derstandard.at/story/2000141136365/namibia-statue-von-deutschem-kolonialherrn-abgebaut.

[18] Aus Hugo von François, Nama und Damara. Deutsch Süd-West-Afrika, p.6, zugeschnitten GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nama_und_Damara_pg006_Curt_von_Fran%C3%A7ois.jpg.

[19] Die anderen beiden sind auf Englisch und Afrikanns. Foto Pemba.mpimaji 20.12.2016, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Curt_von_Fran%C3%A7ois-Denkmal_in_Windhoek_02.jpg.

[20] Foto Pemba.mpimaji 20.12.2016, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Curt_von_Fran%C3%A7ois-Denkmal_in_Windhoek_06.jpg.

[21] Henning Melber, Namibia pulls down German colonial statue after protests – who was Curt von François? The Conversation 25.11.2022, https://theconversation.com/namibia-pulls-down-german-colonial-statue-after-protests-who-was-curt-von-francois-195334.

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