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Eine Auszeichnung zur Belohnung und eine andere, um den Weg zu weisen

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Fotos: links Ilwad Elman, in der Mitte Thomas Sankara als Monument, noch verhüllt, rechts Fartuun Adan [1]

* * *

Günther Lanier, Ouagadougou 19.10.2022[2]

* * *

Beide Auszeichnungen wurden in einem von Terrorismus geprägten Kontext verliehen. Sonst haben sie nicht viel gemein.

Einer der heurigen Right Livelihood Awards – besser bekannt unter dem Namen “alternative Nobelpreise“ – ging an Fartuun Adan und Ilwad Elman für ihr Fördern von “Frieden, Entmilitarisierung und Menschenrechten in Somalia angesichts von Terrorismus und geschlechtsspezifischer Gewalt“[3].

Es handelt sich um Mutter (Fartuun Adan) und Tochter (Ilwad Elman). Sie wirken insbesondere im Rahmen einer NGO mit dem Namen “Elman Peace“, benannt nach Elman Ali Ahmad, dem Ehemann Fartuun Adans und Vater Ilwad Elmans. Die NGO gründeten die Eltern 1990. Bald danach ging Fartuun Adan aus Sicherheitsgründen mit ihren Töchtern nach Kanada. Die Gefahr sollte sich als sehr real erweisen: Elman Ali Ahmad starb 1996 bei einem Anschlag südlich der somalischen Hauptstadt Mogadischu[4]. 2006 ließ die Mutter ihre Töchter in der Sicherheit ihres kanadischen Exils zurück und kehrte in ihre Heimat zurück und nahm die Arbeit in der Elman Peace-NGO wieder auf. 2010 kehrte auch Ilwad Elman nach Somalia zurück und engagierte sich an der Seite ihrer Mutter in der Elman Peace-NGO.


Fartuun Adan 2013 [5]

Ihre Arbeit stieß international auf Anerkennung. 2013 erhielt die Mutter einen der vom US-Außenministerium alljährlich vergebenen International Women of Courage Awards, 2014 folgte der Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung. Ihre Tochter erhielt 2020 den Deutschen Afrika-Preis. Im selben Jahr wurde sie von Forbes als eine der 50 einflussreichsten Frauen Afrikas gelistet und BBC wählte sie als eine ihrer “100 Women“.

Der alternative Nobelpreis wirkt wie eine logische Folge. “Mit ihrer Organisation Elman Peace haben Mutter und Tochter innovative und kulturspezifische Ansätze entwickelt, die Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt unterstützen, ehemalige Kindersoldat*innen resozialisieren sowie Frauen und Jugendlichen berufliche Bildung und das Erlernen von Führungskompetenzen ermöglichen.“ Elman Peace befähigt Frauen, “sich gleichberechtigt an den Prozessen zu beteiligen, die ihr Wohlergehen sichern.“[6]


Ilwad Elman 2015 [7]

Ein Satz der Webseite der Elman Peace-NGO hat mich darin bestätigt, die Ereignisse des 15. Oktober 2022 in Ouagadougou mit dem Alternativen Nobelpreis der beiden Somalierinnen in Verbindung zu bringen: “Die Fackel des Aktivismus wurde (von den Eltern) an ihre Tochter Ilwad Elman weitergereicht“[8].

Am 35. Todestag Thomas Sankaras – ermordet am 15. Oktober 1987 im Auftrag seines Nachfolgers Blaise Compaoré – erhielt der neue Staatschef Ibrahim Traoré bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit seiner Ernennung zum Präsidenten des Landes in der burkinischen Hauptstadt die Fackel der Revolution überreicht, die – so die Symbolik – Thomas Sankara einst entzündet hatte.

Etwas über zwei Wochen vorher – am Freitag, den 30. September – hatten Ibrahim Traoré und seine Männer in einem Staatsstreich[9] die Macht ergriffen. Am Montag darauf dankte sein Vorgänger Paul Henri Sandaogo Damiba ab, der selbst erst am 24. Jänner 2022 mittels Putsches an die Macht gekommen war[10] und setzte sich nach Togo ab.


Ibrahim Traoré [11]

Ibrahim Traoré ist nur unwesentlich älter als die knapp 33-jährige alternative Nobelpreisträgerin Ilwad Elman[12]. Mit 34 ist er genauso jung wie Thomas Sankara, als der 1983 an die Macht kam, ebenfalls mittels Staatsstreichs.

Damit enden meines Wissens jedoch die Parallelen zwischen den beiden.

Insbesondere hat Traoré keinerlei politische Erfahrung – Sankara war zuvor unter anderem schon Premierminister gewesen.

In seinen ersten Wortmeldungen sagte Ibrahim Traoré überaus Vernünftiges. Beteuerte, dass ihm nicht an der Macht liege. Er hätte nur seine Pflicht getan, indem er das Land von Damiba befreit hatte – der hätte nicht nur nichts gegen die terroristischen Attacken weitergebracht (der Zentralstaat kontrolliert nur mehr die Hälfte “seines“ Territoriums), er hätte zudem mit seiner Politik (Einladung des kurz vorher wegen der Ermordung Thomas Sankaras zu lebenslang verurteilten Blaise Compaoré in die burkinische Hauptstadt, um Damiba zu beraten; Postenschacher zugunsten ihm Nahestehender sowie von Leuten Blaise Compaorés).

Diese “Analyse“ war zwar alles andere als originell, sie sprach “dem Volk“ aber aus der Seele. Für den Rest der bis 2024 laufenden Übergangszeit (für dann wurden demokratische Wahlen versprochen – ein Versprechen, das Traoré offenbar zu halten gedenkt) solle eine die “lebendigen Kräfte“ des Landes abbildende Nationalversammlung[13] den Übergangspräsidenten – durchaus auch einen Zivilisten oder eine Zivilistin – bestimmen.

Die Kundgebungen der begeisterten UnterstützerInnen des neuen Juntachefs haben jeglichem Ansinnen, jemanden anderen als Traoré selbst an die Staatsspitze zu befördern, verunmöglicht. Die Nationalversammlung hat ihn per Akklamation einstimmig zum Präsidenten gewählt[14].

Am Tag darauf, bei seinem ersten Outing als designierter (wenn auch noch nicht vereidigter) Staatspräsident begab sich Ibrahim Traoré zum vor ein paar Jahren am Ostrand des Zentrums der burkinischen Hauptstadt errichteten Thomas Sankara-Monuments und gedachte öffentlich und publikumswirksam des genau 35 Jahre zuvor in nächster Nähe ermordeten Revolutionärs.

Bei der Zeremonie wurde ihm von Oberst Pierre Ouédraogo, dem Präsidenten des Internationalen Thomas Sankara-Memorial-Komitees, die “Fackel der Revolution“ überreicht[15].

Das ist ein Auftrag. Des Volkes, oder zumindest “der Straße“. Trotz aller frustrierten Erwartungen, trotz aller nicht gehaltenen Versprechen gibt es nach wie vor eine beeindruckende Bereitschaft zur Hoffnung.

Ibrahim Traoré wird sich schwertun, in diese übergroßen Kleider hineinzuwachsen. Es ist ihm alles nur erdenkliche Glück zu wünschen!


Thomas Sankara als Monument, hier noch verhüllt [16]

Vergessen wir nicht, dass es nicht reichen wird, es dem wunderbaren Revolutionär auf dem burkinischen Thron gleichzutun. Denn Thomas Sankara, dem unlängst in einer Hommage bescheinigt wurde, ganz einfach “eine Majestätsbeleidigung“ gewesen zu sein, neben dem, wie François Mitterrand meinte, man “nicht ruhig schlafen und kein reines Gewissen haben“ konnte[17], dieser brillante Thomas Sankara hat einst versagt und wurde ermordet[18].

Ob heute die Bedingungen für eine Revolution besser sind als Mitte der 1980er Jahre?

* * *

Endnoten:

[1] Foto links: Ilwad Elman 23.10.2012, Foto Eunice Lau, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ilwad_Elman_2012_by_Eunice_Lau_in_her_fim_Through_the_Fire_(cropped).png. Foto Mitte: Thomas Sankara als Monument, noch verhüllt, Foto GL 18.2.2020, Ouagadougou/Conseil de l’Entente. Foto rechts: Fartuun Adan, Foto 8.3.2013 bei den International Women of Courage Awards, Foto U.S. Department of State, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fartuun_Adan_of_Somalia_1_-_2013_International_Women_of_Courage_Award_Winner.png.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Right Livelihood, Awarded 2022. Fartuun Adan und Ilwad Elman, https://rightlivelihood.org/de/2022-announcement/l1/.

[4] Dabei handelte es sich laut Webseite der NGO um “a political, execution style assassination“. Für den ganzen Absatz siehe http://elmanpeace.org/about/.

[5] Porträtfoto Fartuun Adans in Vorbereitung der International Women of Courage-Preisverleihung 2013. Foto State Department der USA 4.3.2013, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fartuun_Adan_-_Somalia_-_International_Women_of_Courage_Award_2013.jpg.

[6] Beide Zitate: https://rightlivelihood.org/de/2022-announcement/l1/.

[7] Ilwad Elman anlässlich eines Treffens von US-Außenminister Kerry mit VertreterInnen der somalischen Zivilgesellschaft, Foto U.S. Department of State 5.5.2015, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ilwadelman2_(cropped).jpg.

[8] Im Original: “The torch of activism was passed to their daughter, Ilwad Elman“ – http://elmanpeace.org/about/.

[9] Eigentlich handelte es sich mehr um eine Palastrevolte als um einen Putsch. Der neue starke Mann ist genauso wie sein gestürzter Vorgänger Damiba Chef der MPSR/Mouvement patriotique pour la sauvegarde et la restauration, der patriotischen Bewegung zum Schutz und zur Wiederherstellung (was für ein Name!).

[10] Er stieß allerdings einen gewählten Präsidenten vom Thron, wobei das Gewähltsein im Volksempfinden nicht unbedingt die Rechtmäßigkeit einer Herrschaft erhöht.

[11] Ibrahim Traoré beim Treffen mit den GeneralsekretärInnen der Ministerien, Foto EKokou 2.10.2022, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ibrahim_Traor%C3%A9.jpg.

[12] So habe ich doch noch eine weitere kleine Parallele zwischen den beiden Auszeichnungen gefunden.

[13] Diese, die “forces vives“ versammelnden “Assises nationales“ haben am 14. Oktober stattgefunden.

[14] Auch sonst haben sich die “lebendigen Kräfte“ der Nationalversammlung als überaus unterwürfig gegenüber den neuen Autoritäten des Landes erwiesen – siehe dazu z.B. Boureïma Ouédraogos Leitartikel im gestern erschienenen Le Reporter vom 15.10.2022 sowie ebd. ders., 35 ans après l’assassinat de Thomas Sankara: Le MPSR 2 réussira-t-il la restauration de la Révolution?

[15] Siehe z.B. Yaya Boudani, Burkina: le capitaine Traoré reçoit le flambeau de la révolution au pied de la statue de Sankara, RFI 16.10.2022 um 4h44, https://www.rfi.fr/fr/afrique/20221016-burkina-le-capitaine-traor%C3%A9-re%C3%A7oit-le-flambeau-de-la-r%C3%A9volution-au-pied-de-la-statue-de-sankara. Für des Französischen Mächtigen sei jedoch ein sehr viel interessanterer Artikel von Bruno Jaffré empfohlen: Chute du LCL Damiba: Bruno Jaffré revient sur un “coup d’Etat doublé d’une insurrection populaire“, Lefaso.net, 16.10.2022 um 15h18, https://lefaso.net/spip.php?article116690. LCL = Lieutenant-Colonel/Oberstleutnant.

[16] Foto GL 18.2.2020.

[17] Arnold Schölzel, Der unflexible Herr Sankara. Am 15. Oktober 1987 wurde der afrikanische Revolutionär ermordet. Jetzt gibt es ein Urteil, keine Aufklärung und einen Besuch des Mörders in Burkina Faso, Junge Welt 15.10.2022 p.15, https://www.jungewelt.de/artikel/436724.geschichte-afrikas-der-unflexible-herr-sankara.html.

[18] Ich würde provokativer postulieren, dass er sich von Blaise Compaoré (bzw. von dessen Leuten), seinem Freund und der Nr.2 der Revolution, ermorden ließ. Siehe dazu Günther Lanier, Land der Integren. Burkina Fasos Geschichte, Politik und seine ewig fremden Frauen, Linz (guernica Verlag) 2017, pp.243-279 (nur beim Verlag erhältlich unter [email protected]).

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