Foto: bei den Staatsmeisterschaften in Pabré am 26.12.2021[1]
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Günther Lanier, Ouagadougou 8.6.2022[2]
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Vergangenen Samstag war es wieder so weit: Im Lokal des Vereins zur Förderung der Bildenden Künste (APAP) am westlichen Rand des Zentrums von Ouagadougou zeigte Harouna Marané neue Fotos – rund um Pferde.
Pferde sind in Burkina Faso von herausragender symbolischer Bedeutung. So heißt die Fußball-Nationalmannschaft “Die Hengste“ und die haben gestern ihr zweites Match der Qualifikationsphase für die Afrika-Meisterschaften gegen eSwatini 3 zu 1 gewonnen. Am Freitag – während Österreich überraschend Kroatien 3 zu 0 besiegte – hatten die Hengste im ersten Gruppen-Match die Kapverden 2 zu 0 geschlagen.
Einer der Gründe für das hohe Ansehen der Pferde ist zweifellos, dass die Mossi – die zahlenmäßig circa die Hälfte der Burkinabè stellen – vor vielen Jahrhunderten die Eroberung ihres Reiches ihrer militärischen Überlegenheit, nämlich ihrer Kavallerie verdankten.
Der bei weitem verbreitetste Name unter den Mossi ist Ouédraogo – und das heißt Pferdemann, also Hengst. Auch beim alle zwei Jahre stattfindenden Filmfestival FESPACO heißt der Hauptpreis “Goldener Hengst“ (Etalon d’or).
bei den Staatsmeisterschaften in Pabré am 26.12.2021[3]
Doch auch außerhalb des Mossi-Gebietes sind Pferde KulturträgerInnen. So zum Beispiel in Barani, im äußersten Nordwesten des Landes, in einem Gebiet, in dem vor allem Peulh leben. Auf der Basis alter Traditionen wurde dort alljährlich das Kultur- und Pferde-Festival von Barani (FECHIBA)[4] veranstaltet.
Doch nicht mehr – dieses Festival ist Opfer des Terrorismus geworden[5]. Viel zu nahe liegt Barani an der malischen Grenze. Und aus Mali ist der Djihadismus seit 2015/16 auf Burkina übergeschwappt. Mittlerweile häufen sich Attacken sogar in der Provinzhauptstadt Nouna und haben sich bis vor die Tore Dédougous, der Hauptstadt der Region Boucle du Mouhoun ausgebreitet.
Das hat mich auch bewogen, das Zitat zu den Maschinengewehren in meinen heutigen Titel aufzunehmen. Vergessen wir einerseits nicht, dass Harouna Marané und seine KollegInnen ihren Beruf zum Teil in unsicheren Gebieten ausüben. Darüber hinaus will ich jedoch abermals darauf hinweisen, dass ein Erfolg rein militärischer Lösungen des Terrorismus-Problems von vornherein auszuschließen ist[6].
Das Zitat in meinem Titel – genaugenommen müsste es lauten: “Ein Fotoapparat ist stärker als eine AK47 – seid vorsichtig, wie ihr ihn verwendet“[7] – stammt von Mike Ndumiso Mzileni, dem am 1. Juni im Alter von 80 Jahren verstorbenen südafrikanischen Meister-Presse- und Musik-Fotografen, für den ich hoffe, dass ihm die Erde leicht sein wird. In seinem Sinn gilt es für Harouna und Co, sich der Wirkung bewusst zu sein, welche die von ihnen “geschossenen“ Fotos haben können und diese entsprechend einzusetzen. Was den dynamischen Harouna betrifft, habe ich keinerlei Zweifel, dass er das tatsächlich tun wird.
Poster zur Ausstellung “Terre de Cheval“, wörtlich “Pferde-Erde“ oder “Erde für Pferde“ im APAP
Die aus der burkinischen Fahne gebastelte Maske des Pferdes im linken unteren Teil des Posters erinnert an Harounas Ausstellung zum Leben in Ouagadougou hinter den Masken, als die Pandemie noch Panik verursachte – eine Zusammenstellung von Fotos, die in gewissem Sinn verwandt waren mit denen seiner früheren Ausstellung zum Leben hinterm Schleier[8]. Zumindest seit er an der Gemeinschaftsfotoausstellung zum 2014er burkinischen Volksaufstand teilgenommen hat – vorher kannte ich ihn nicht – eine Ausstellung, die in München ihre Vernissage feierte, danach unter anderem in Wien, noch nie aber in Burkina selbst zu sehen war – geht Harouna seinen Weg zum Meisterfotografen beständig und verlässlich und trotz der erheblichen vor allem ökonomischen Probleme, die künstlerischem Tun in Zeiten von Terrorismus, Covid und stark steigenden Lebensmittelpreisen im Weg stehen.
Nun hat er vom burkinischen Amt für geistiges Eigentum (BBDA)[9] eine kleine Finanzierung für seine “Terre de Cheval“/“Erde der Pferde“-Ausstellung erhalten, gerade genug, um seine Fotos drucken zu lassen, einen Ausstellungsraum zu finden und eine kleine Feier zur Vernissage auszurichten.
Ort der Ausstellung ist – wie bereits erwähnt – der Verein zur Förderung der Bildenden Künste (APAP)[10], den die Malerin Suzanne Ouédraogo (sic!) im Jahr 2000 gegründet hat[11]. Naanego heißt das Zentrum auch. “Naanego“, auch “naoonego“, ist das Hauptwort zu “naane“, das bedeutet schaffen, kreieren, erfinden, modellieren.
bei den Staatsmeisterschaften in Pabré am 26.12.2021[12]
Es geht Harouna Marané um sehr viel mehr als um Wettkämpfe bei seinen “Terre de Cheval“/“Erde der Pferde“-Fotos. Auch Dressur – mögen die Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule in Wien es ihm verzeihen – ist nur ein Randthema.
Im Herzen der Ausstellung steht das Verhältnis der Menschen zu den Pferden. Es sind nicht nur Buben oder Männer…
GLs Foto von Harouna Maranés Foto, 4.6.2022, APAP
Hier ist vielleicht der rechte Ort, um einen der ganz Großen der Fotografie zu zitieren, Henri Cartier-Bresson: “Dass Fotos mit der Kamera gemacht werden, ist eine Täuschung… sie werden mit dem Auge, dem Herzen und dem Kopf gemacht.“[13] Harouna Marané, kommt mir vor, folgt diesem Prinzip.
Foto Harouna Marané[14]
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Zum Abschluss noch mein persönliches Lieblingsfoto dieser Ausstellung – dieses eine menschenlos.
GLs Foto von Harouna Maranés Foto, 4.6.2022, APAP
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Endnoten:
[1] Foto Harouna Marané. Pabré liegt wenige Kilometer nördlich der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou.
[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[3] Foto Harouna Marané.
[4] FECHIBA = FEstival Culturel et HIppique de BArani (FECHIBA). Für ein kurzes Video siehe https://youtu.be/r0hTyeS5J_k.
[5] Ich glaube, dass das Festival 2018 zum letzten Mal stattgefunden hat, genauer genommen vom 5. bis 7. April 2018 – für die Jahre danach habe ich am Netz keinerlei Spuren gefunden. 2018 war die 17. Auflage des FECHIBA.
[6] Ich habe zu diesem Thema mehrere Artikel publiziert. Siehe z.B. Günther Lanier, Hat Mauretanien ein Wunderrezept? Ouagadougou (Africa Libre) 5.1.2022, https://www.africalibre.net/artikel/85-hat-mauretanien-ein-wunderrezept-, ders., Mehr und mehr enttäuschen die Früchte die Versprechen der Blüten. Weitere Überlegungen zu ungeeigneten Rezepten gegen Terrorismus, Ouagadougou (Africa Libre) 16.6.2021, https://www.africalibre.net/artikel/149-mehr-und-mehr-enttauschen-die-fruchte-die-versprechen-der-bluten, ders., Wo es keine Perspektive gibt. Boko Haram oder das Versagen des Anti-Terror-Kampfes, Ouagadougou (Africa Libre) 28.4.2021, https://www.africalibre.net/artikel/160-boko-haram-oder-das-versagen-des-antiterrorkampfes, ders., Warum heuert eineR als TerroristIn an? Ouagadougou (Africa Libre) 24.3.2021, https://www.africalibre.net/artikel/165-warum-einer-als-terroristin-anheuert, ders., Ökonomie des Sahel-Terrorismus. Fokus Gourma-Liptako, Solidarwerkstatt, Linz 23.12.2019, https://www.solidarwerkstatt.at/international/oekonomie-des-sahel-terrors, ders., Unter Generalverdacht. Die Fremden in unserem Inneren, Ouagadougou (Africa Libre) 27.3.2019, https://www.africalibre.net/artikel/280-unter-generalverdacht-oder-die-fremden-in-unserem-inneren.
[7] Im Original: “‘A camera is more powerful than an AK47,’ he admonished; be responsible in how you employ it.” Gwen Ansell, Legendary Mike Mzileni captured South Africa’s history and also its musical stars, The Conversation 7.6.2022, https://theconversation.com/legendary-mike-mzileni-captured-south-africas-history-and-also-its-musical-stars-184493.
[8] Ich kenne Harouna Marané seit 2017. Siehe Günther Lanier, Die Unabhängigkeit der Kunst. Oder: Wer braucht schon ein Thema? Ouagadougou (Africa Libre) 3.11.2021, https://www.africalibre.net/artikel/109-die-unabhangigkeit-der-kunst, ders., Das Leben hinter den Masken. Harouna Marané in Ouagadougou, als es noch Angst vor “der Krankheit“ gab, Ouagadougou (Africa Libre) 2.12.2020, https://www.africalibre.net/artikel/182-das-leben-hinter-den-masken-oder-harouna-marane-als-es-noch-angst-vor-der-krankheit-gab, ders., Den Blick brechen. Fotografieren gegen Vorurteile, Ouagadougou (Africa Libre) 12.6.2018, https://www.africalibre.net/artikel/323-den-blick-brechen-oder-fotografieren-gegen-vorurteile.
Was die Ausstellung zum Volksaufstand von Ende 2014 bzw. den sie begleitenden Katalog betrifft siehe Günther Lanier, Fotos aus dem Land der Integren: Peter Stepan (Hg.), Der Volksaufstand in Burkina Faso, Oktober 2014. Für eine gerechtere Welt. Eine Buchbesprechung, Deutsch-Burkinische Freundschaftsgesellschaft, Burkina Info 2-2017, Karlsruhe, Dezember 2017.
[9] Bureau Burkinabè des droits d’auteurs, wörtlich also das burkinische Büro für AutorInnenrechte.
[10] APAP = Association pour la Promotion des Arts Plastiques.
[11] Mehr dazu unter http://courantsdefemmes.free.fr/Assoces/Burkina/APAP/apap.html.
[12] Foto Harouna Marané.
[13] “It is an illusion that photographs are made with the camera … they are made with the eye, heart and head.” Zitiert im oben erwähnten gestrigen The Conversation-Artikel von Gwen Ansell.
[14] Foto 8. Juni 2021 oder früher.