Radio Afrika TV

Ebenbürtig und christlich: das Königreich Kongo im 15. und 16. Jahrhundert

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on whatsapp
Share on email
Share on print
  • Home
  • Ebenbürtig und christlich: das Königreich Kongo im 15. und 16. Jahrhundert

Bild: die Hauptstadt des Königreichs Kongo, 1766 [1]

* * *

Günther Lanier, Ouagadougou 27. November 2024[2]

* * *

Aus dem Kikongo[3] übersetzt bedeutet Kongo dya Ntotila oder Wene wa Kongo “Königreich Kongo“. Dieses hat zwei heute bestehenden Ländern als Namensspender gedient, lag aber überwiegend im modernen Angola.

Seine historischen Beziehungen zur einstigen Weltmacht Portugal und auch zum Vatikan strafen alles Lügen, was uns zum Verhältnis Afrika-Europa beigebracht worden ist.

1483 kam es zu einem ersten Kontakt von “VertreterInnen“ der beiden Kontinente. Diogo Cão, einer der damals im Dienst der portugiesischen Krone aktiven Entdecker, beauftragt, die Westküste Afrikas südlich des Äquators weiter zu erforschen, war mit seinen zwei Karavellen bis zur Zaire-Mündung gesegelt und hatte dort seinen ersten Padrão gepflanzt: eine mit einer Inschrift versehene Stele zum Markieren der Entdeckung, die erste aus Stein[4].


an der Zaire-(heute: Kongo-)Mündung nach der Padrão-Errichtung – dass Cão & Co. hier nicht die Ersten waren, war wohl allen klar… [5]

Von Inbesitznahme oder Eroberung konnte keine Rede sein – statt auf “Wilde“, die zu zivilisieren gewesen wären, stieß man auf ein durchorganisiertes, reiches, wohl regiertes Land.

Diogo Cão fuhr den Zaire (heute Kongo genannt) aufwärts – er hielt ihn für schiffbar und glaubte, dass er den Weg nach Indien öffnete[6]. João (Johann) II, Cãos König, freute sich, gegenüber Papst Innozenz VIII. im Dezember 1485 prahlen zu können, seine Schiffe lägen vor den Toren Indiens.

Nach Portugal zurückgekehrt, wurde Cão 1484 zum Ritter geschlagen und erhielt für seinen Verdienste ums Vaterland fortab einen Jahressold von 1.000 Real.

Schon 1485 brach er noch einmal gen Süden auf, erreichte abermals den Zaire, brachte drei der vier bei der ersten Reise gekidnappten Kongolesen zurück nach Hause (der vierte, Getaufte, kehrte erst fünf Jahre später mit der Expedition von Gonçalo de Sousa zurück) und nahm die Besatzungsmitglieder wieder auf, die er zwei Jahre zuvor ausgesandt hatte, um andere afrikanische Könige in der Umgebung zu (be)suchen. Cãos zweite Reise war weniger überschwänglich als die erste, musste er doch zur Kenntnis nehmen, dass der Zaire ihn doch nicht nach Indien führen würde und auch, dass Afrika sich viel weiter als gedacht nach Süden erstreckte[7].

 
Das Königreich Kongo auf einer Karte aus 1668 [8]

Ich entschuldige mich vielmals, kein Bildmaterial zu verwenden, das die Bakongo-Sicht des ersten Treffens mit den Weißen aus Europa oder ihres eigenen Landes zeigt – meines Wissens gibt es solches Bildmaterial nicht, zumindest nicht gemeinfrei.

Trotz dieses Mangels ist das Königreich Kongo als Subjekt in die (vom Globalen Norden geschriebene) Geschichte eingetreten, nicht schrift- und nicht wortlos. Die Kontaktnahme und die Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen den Königreichen Kongo und Portugal wurde von Anfang an von beiden Seiten betrieben und beide Seiten verfolgten ihre eigenen Interessen, wie das zwischenstaatlich ja bis zum heutigen Tag üblich ist.

Rückblickend wirkt es, als hätten die Bakongo – oder zumindest ihr König – auf die über das Meer kommenden Fremden geradezu gewartet. Hatten sie sich schon lange vor dem Aufeinandertreffen Geschichten über Albinos erzählt? Hatten Albinos für die Bakongo spezielle Fähigkeiten, insbesondere, was das Wasser betrifft?[9]

Kreuze waren jedenfalls auch bei ihnen Symbole, die im spirituellen Leben, bei Zeremonien und in der Kunst, eine wichtige Rolle spielten[10].


nkangi kiditu, ein Kruzifix, vielleicht in der ersten Hälfte des 17. Jhdts für den spanischen Kapuzziner Antonio de Lerue angefertigt [11]

Ab dem ersten Kontakt 1483 kam es zu intensiven transatlantischen Kontakten: Botschafter wurden entsandt, Briefe geschrieben, Geschenke überreicht, wie es unter Königen damals Gepflogenheit war. Dazu gab es regen kulturellen und religiösen Austausch. Gemeinsam mit dem Mwene Soyo, dem Herrscher über die Küstenprovinz Soyo, und anderen hochrangigen AristokratInnen ließ sich der seit 1470 regierende Kongo-König Nzinga a Nkuwu 1491 auf den Namen João (Johann) taufen, hieß ab dann also genau so wie sein portugiesischer Amtskollege. Nach Lissabon entsandte Bakongo kamen mit neuem Wissen zurück, Lesen und Schreiben und andere neue Kenntnisse verbreiteten sich schnell, dafür sorgten die eingeladenen europäischen Missionare, Handwerker und der kongolesische Staat.

In überraschend kurzer Zeit kam es zu beträchtlichen Veränderungen, ja Umwälzungen, wobei diese selbstbestimmt geschahen – so die Entscheidungen eines Königs und seines Hofstaats für seine UntertanInnen als selbstbestimmt durchgehen können. Es handelte sich um ein selektives Übernehmen externer kultureller, auch religiöser Elemente, um Integrieren von Fremdem ohne Aufgabe oder Zerstören von Bekanntem, es war nicht Unterwerfung, es war Offenheit gegenüber Neuem und Mischen mit Eigenem.

Kongo-König João stand unter keinem Druck seitens Portugals. Von seinem Pendant João II in Lissabon wurde er als Seinesgleichen anerkannt und behandelt und auch der Papst (auch per päpstlicher Bulle) und andere europäische Königshöfe sahen im Kongo ein gleichwertiges christliches Königreich.

Afonso Mwemba a Nzinga war der Wunschnachfolger seines Vaters João. Doch im Königreich Kongo lag es nicht in der Macht eines Königs, seinen Nachfolger zu bestimmen – diese Wahl oblag dem Rat der Elektoren. Und dem Lieblingssohn Afonso war in seinem Halbbruder Mpanzu a Nzinga ein mächtiger Konkurrent erwachsen.

Im Kampf mit seinem traditionsorientierten Konkurrenten um die Königswürde machte Afonso das Christentum zu seinem Kennzeichen und Emblem. Weil er Christ war, gewann er die entscheidende Schlacht gegen Mpanzu a Nzingas heidnisches Heer – zwar war seine Armee eindeutig unterlegen, doch im entscheidenden Moment stieß eine gottgesandte Gruppe berittener Edelleute, Schwerter in den Händen, unter einem himmlischen Kreuz zu ihm und sicherte ihm Sieg und Thron.

Bekanntlich schreiben Sieger und nicht Verlierer Geschichte und diese Darstellung des Kampfes um die Thronfolge als heiliger Krieg ist die Afonsos – der konnte schreiben und tat es oft und ausführlich. Er war bei weitem nicht der einzige. Das versetzt HistorikerInnen in die außergewöhnliche Situation, über ein afrikanisches Land so gut wie sofort ab dem Kontakt mit Europäern auch vonseiten der AfrikanerInnen informiert zu sein. Was freilich mitnichten bedeutet, dass wir “die Wahrheit“ kennen. Doch ist es zweifellos von Vorteil, dass nicht nur der externe, sondern auch der interne Blick auf Geschehnisse und Umwelt verschriftlicht wurde und Eingang in die Archive fand.

Afonso regierte von 1506 bis 1542. Seine Regentschaft läutete das goldene Zeitalter des Kongo-Reiches ein, das gut eineinhalb Jahrhunderte dauerte, bis zum Ende der Herrschaft Garcia des II (1641-60). Das Kongo-Reich hatte sich Anfang des 17. Jhdts auf die Seite der Niederlande geschlagen und war damit zunächst gut gefahren. Portugal war aus Angola und einem Teil Brasiliens vertrieben worden. Doch nach deren Rückeroberung erlitt auch das Kongo-Reich 1665 in der Schlacht von Mbwila eine verheerende Niederlage. Es folgten turbulente Zeiten, die am Zusammenhalt des Reiches zehrten. Doch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Kongo-König Pedro V zu einem Vasallen des portugiesischen Königs – er konnte den Thron 1859 nur mit portugiesischer Hilfe besteigen und unterzeichnete 1860 eine Urkunde, die sein Vasallentum besiegelte.

Doch noch heute gibt es einen Mwene Kongo, also einen Kongo-König, auch wenn das Amt mit keiner offiziellen Funktion verbunden ist. In der Zeit rund um die Unabhängigwerdung Kongo-Kinshasas spielten die Bakongo eine späte, aber wichtige Rolle mit ihrem zur politischen Partei mutierten Kulturverein ABAKO[12], deren Führer Joseph Kasavubu oft von seinen Bakongo “König“ tituliert wurde und schließlich – an der Seite von Premierminister Patrice Lumumba, bevor der ermordet wurde – zum ersten Präsidenten des unabhängigen Landes wurde.

Die Altstadt von Mbanza Kongo – die Hauptstadt des Reiches, die auf dem Bild zu sehen ist, das meinem Artikel vorangestellt ist – wurde 2017 zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt.

Zum Abschluss zwei Kongokönigsbilder, links Afonso, rechts Garcia II.

     
links Afonso (1506-42), rechts Garcia II (1641-60) [13]

* * *

Endnoten:

[1] Bei diesem Fluss handelt es sich nicht um den Kongo. Druck, in Venedig 1766 von Giovanni Battista Albrizzi veröffentlicht, heute in der Biblioteca Europea di Informazione e Cultura/Mailand zu finden; vom Rand befreit GL; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:La_citt%C3%A0_di_Bansa,_detta_altrimenti_S._Salvatore,_capitale_del_regno_del_Congo,_nell%27Africa,_1766_%E2%80%93_BEIC_IE8959542.jpg.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] Kikongo ist die von den auf 5 bis 6 Millionen geschätzten Bakongo (auch: Kongo) gesprochene Sprache.

[4] Davor waren sie aus Holz gewesen. Die Padrãos waren irischen Hochkreuzen des 7. Jahrhunderts nachgebildet, die als Symbole der Missionierung neu erschlossener Gebiete gedient hatten.

[5] Offenbar hängt dieses Bild seit 1945 im portugiesischen Parlament. Keine Angaben zu FotografIn oder Zeitpunkt des Fotos, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portuguese_discoveries_diogo_cao.jpg.

[6] Wohl auf eine Art, wie sie Fitzcarraldo Jahrhunderte später in Südamerika ausprobierte 😊.

[7] Bis zur Walfischbucht im heutigen Namibia dürfte Cão vorgestoßen sein. Auf seiner ersten Entdeckungsreise hatte Cão einen zweiten Padrão errichtet, am Cabo de Lobo (im heutigen Angola), nun war ein dritter dran (am Kreuzkap, im heutigen Namibia). Das Ende der zweiten Reise und auch der Rest von Cãos Leben verlieren sich im Dunkel der Geschichte. Als Bartolomeu Dias 1486 aufbrach und schließlich das Kap am Südende Afrikas umschiffte, passierte das auf Basis der von Cão zurückgebrachten Informationen.

[8] Publiziert in Olfert Dapper (der zeit seines Lebens nicht aus den Niederlanden herausgekommen ist), Naukeurige beschrijvinge der Afrikaensche gewesten van Egypten, Barbaryen, Libyan, Biledulgerid, Negroslant, Guinea, Ethiopiën, Abyssinie, Amsterdam (Verlag Jacob van Meurs) 1668. Das Bild wurde Wikimedia von der Sorbonne-Bibliothek zur Verfügung gestellt; zugeschnitten GL; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Regna_Congo_et_Angola._R_2%3D_22._Pi%C3%A8ce_20.jpg.

[9] Das berichtet Howard W. French als Möglichkeit im Kap.28 (“Seized by the Spirit”) in seinem, Born in Blackness. Africa, Africans and the Making of the Modern World, 1471 to the Second World War, New York (Liveright) 2021, p.280. Die folgende Information zu den Kreuzen stammt von ebd., p.281, dieses Mal ist H.W. French sich sicher.

[10] Zur Bedeutung der Kreuze siehe auch Cécile Fromont, The Kongo Kingdom, Kap.5 in John Parker (Hg.), Great Kingdoms of Africa, London (Thames & Hudson) 2023, pp.142-167. Auf Cécile Fromont stütze ich mich im Rest des Artikels.

[11] In der ersten Hälfte des 20. Jhdts befand sich dieses Kreuz im Besitz eines Ndibu-Chiefs im Gebiet von Tumba. Offenbar war es für einen Kapuzziner-Missionar namens “Padre Antonio” angefertigt worden, bei dem es sich um den erwähnten Antonio de Leruel handeln könnte. Besteht aus Kupfer und Holz, ist 45,5 cm hoch und 26 cm breit, befindet sich heute im Königliches Museum für Zentralafrika in Tervuren, Belgien. Foto Marie-Lan Nguyen 2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nkangi_kiditu_MRAC_HO.1949.211.1.jpg.

[12] Association des Bakongo pour l’Unification, l’expansion et de la Défense de la Langue Kikongo.

[13] Afonso-Bild: FotografIn Affricoll9 am 22.12.2019, Rand entfernt GL, Garcia-Bild: ein meist Albert Eckhout zugeschriebenes Porträt aus 1641, leicht zugeschnitten GL; https://pt.wikipedia.org/wiki/Ficheiro:Dom_Alfonso_maniKongo.jpg bzw. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Garcia_II_of_Kongo.jpg.

Afrika Tv

Tue 18:00 - 18:30
Wed 16:00 - 16:30
Thu 14:00 - 14:30
Fri 12:00 - 12:30
Sat 10:00 - 10:30
Sun 08:00 - 20:30

Radio Afrika International

On Orange FM 94.0 MHZ

Mon 09:00 - 10:00
Tue 09:00 - 10:00
Wed 09:00 - 10:00
Thu No Transmition
Fri 09:00 - 10:00
Sat 09:00 - 10:00
Sun 09:00 - 10:00

Radio Afrika International

On Ö1 campus

Mon 15:00 - 17:00
Tue 15:00 - 17:00
Wed 15:00 - 17:00
Thu 15:00 - 17:00
Fri 15:00 - 17:00
Sat 15:00 - 17:00
Sun 15:00 - 17:00

Current Events

take a look at the events that are happening right now.

Radio Afrika Tv Newsletter

Sign up to be inside the updates that Radio Africa Tv publishes

Radio Afrika youtube channel

Radio Afrika Tv Podcast

Newsletter Abonnieren

Bleiben Sie mit unserem monatlichen Newsletter über unsere Arbeit informiert!