der durch Dürre stark reduzierte Olifants-Fluss im Kruger-Nationalpark [1]
* * *
AutorInnen: Jabulile Mzimela & Inocent Moyo – kurze Einleitung und Übersetzung: Günther Lanier
Wien 22. Jänner 2025[2]
* * *
Die Häufigkeit extremer Wetterereignisse – Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen, usw. – hat infolge des Klimawandels deutlich zugenommen. Das südliche Afrika wurde in den letzten Jahren insbesondere von Dürren heimgesucht. So zum Beispiel Simbabwe und Südafrika 2015-16, wie es das Foto oben zeigt; oder seit 2023 Lesotho, Malawi, Namibia, Sambia und Simbabwe (in Angola und Mosambik ist es nicht ganz so schlimm). Die Landwirtschaft liegt darnieder und laut Welternährungsprogramm leben 27 Millionen Menschen in den fünf Ländern in akuter Ernährungsunsicherheit, ihnen mangelt es also “an sicherem Zugang zu ausreichenden Mengen an (…) Lebensmitteln für ein normales menschliches Wachstum und eine normale Entwicklung sowie ein aktives und gesundes Leben“[3]. Wobei das Ärgste noch bevorsteht – Linderung könnte erst die Erntesaison im April-Mai 2025 bringen[4].
Indigenes Wissen und insbesondere das von Kleinbäuerinnen kann im Umgang mit Dürren viel bewirken. Dazu haben Jabulile Mzimela und Inocent Moyo Anfang Jänner einen interessanten Artikel veröffentlicht, den ich mit ihrer Erlaubnis – für diese vielen Dank! – nach meiner kurzen Einleitung übersetze.
Dr. Jabulile Mzimela unterrichtet an der Geographie- und Umweltstudien-Fakultät der Zululand-Universität Humangeographie. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Humangeographie und Umwelt-Management und dabei insbesondere Klimawandelanpassung, indigene Wissenssysteme, feministische Geographie, urbane Geographie, Grenzen und Migration sowie ländliche Entwicklung und Lebensunterhalt. Sie engagiert sich zudem als Mentorin der nächsten WissenschaftlerInnen-Generation und supervidiert zahlreiche Arbeiten von DoktorandInnen[5].
Inocent Moyo ist Professor für Humangeographie an der Zululand-Universität mit einem Fokus auf politische Geographie. Er forscht zu Grenzen, Migration und der politischen Ökonomie des informellen Sektors in Afrika im Allgemeinen und im südlichen Afrika im Speziellen[6].
Dürren und Landwirtschaft: wie südafrikanische Frauen zu ihrer Bewältigung indigenes Wissen nutzen
Englisches Original veröffentlicht auf The Conversation am 6. Jänner 2025 um 2h11 MEZ, Übersetzung Günther Lanier
AutorInnen: Jabulile Mzimela, Lehrbeauftragte in Humangeographie an der Zululand-Universität, Inocent Moyo, Professor[7] an der Geographie- und Umweltstudien-Fakultät der Zululand-Universität
Gemeinschaftsbrunnen haben KleinbäuerInnen in Südafrika geholfen, mit Dürren zurechtzukommen © Jabulile Mzimela
In Afrika gehören fast 80%[8] aller landwirtschaftlichen Betriebe KleinbäuerInnen. In Südafrika gibt es circa 2 Millionen[9] von ihnen, überwiegend Schwarze, die in dem von Sommerregen geprägten Osten des Landes leben[10].
KleinbäuerInnen produzieren Lebensmittel für ihre Familien auf Land, das in der Regel weniger als 5 ha misst. KleinbäuerInnen verkaufen ihren Produktionsüberschuss, haben aber nur beschränkt Zugang zu Ressourcen, Technologie und großen Märkten.
Afrikas kleinbäuerlicher Sektor wird von Dürren hart getroffen[11], denn er ist auf Niederschläge angewiesen. Südafrika hat immer wieder unter argen Dürreperioden[12] gelitten, wobei 2015 hervorsticht: Die trockenste seit 1904 verzeichnete Zeitspanne betraf damals 2,7 Millionen Haushalte[13], darunter KleinbäuerInnen.
Da aufgrund des Klimawandels Dürren häufiger werden, müssen sich die südafrikanischen KleinbäuerInnen an die veränderte Umwelt anpassen, um weiter Lebensmittel erzeugen zu können.
Bei unseren Recherchen[14] haben wir erforscht, wie KleinbäuerInnen, vor allem Frauen, indigene Wissenssysteme[15] nutzen, um sich an Dürren anzupassen. Indigene Wissenssysteme sind Ansammlungen von Wissen, die über viele Generationen von Menschen entwickelt werden, die nah an der Natur leben[16]. Dabei geht es ums Organisieren und Klassifizieren der Welt, praktische Beobachtungen der lokalen Umwelt und Methoden verantwortlichen Managens von Ressourcen. Die Bezeichnungen “indigenes Wissen“ und “indigene Wissenssysteme“ sind untereinander austauschbar.
Wir haben KleinbäuerInnen im Bezirk Umkhanyakude in der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal beforscht. Es handelt sich um einen der ärmsten Teile[17] der Provinz, mit einer Arbeitslosenrate von 37,7%, 4,2 Prozentpunkte höher als im Rest des Landes[18].
Fast alle (95%[19]) der 690.000 EinwohnerInnen des Bezirkes leben am Land und es sind Zuschüsse des Sozialstaates, Rücküberweisungen von Familienmitgliedern, die anderswo arbeiten, und die Kleinlandwirtschaft, die ihr Überleben sichern[20].
Der Umkhanyakude-Bezirk wird zudem kollektiv von 18 traditionellen Führern gemanagt, die dem Ingonyama Trust Board (Trust-Aufsichtsrat)[21] unterstehen, eine umstrittene[22] Organisation, die dafür kritisiert wurde, dass sie die männliche Herrschaft über das Land laufrecht erhält und gegen die Landrechte von Frauen[23] verstößt.
Ein Beispiel von Kleinlandwirtschaft © Jabulile Mzimela
Als GeographInnen, die Anpassung an Klimawandel und indigene Wissenssysteme erforschen, haben wir 384 KleinbäuerInnen, 61% davon Frauen, befragt, wie sie sich an Dürre anpassen.
Herausgefunden haben wir, dass auf indigenem Wissen gründende landwirtschaftliche Praktiken die Resilienz der Gemeinschaft gegenüber Dürren gestärkt haben, insbesondere die unter Leitung von Frauen realisierten. Wasserernten[24], Bodenregenerierung und Ungezieferbekämpfung sind Beispiele solcher Praktiken.
Sehr oft werden diese Praktiken allerdings von Mainstream-Klimaanpassungsmaßnahmen und -interventionen übersehen, da diese vor allem von nicht-indigenen AkteurInnen betrieben werden und auf westlichen technischen und rechtlichen Lösungen beruhen. Schon zu Kolonialzeiten wurde indigenes Wissen geringgeschätzt[25] und diese Praxis besteht in dem patriarchalen und kapitalistischen System, das in unserer gegenwärtigen Welt zugange ist, fort.
Unsere Forschung hat ergeben, dass ein Integrieren indigener Wissenssysteme in formelle Klimaanpassungsmodelle KleinbäuerInnen bei der Anpassung an Erderwärmung und extreme Wettervorkommnisse helfen wird. So könnten nachhaltige Methoden entstehen, um langfristig Ernährungssicherheit und Gleichheit zwischen den Geschlechtern zu erreichen.
Die verheerenden Auswirkungen von Dürren
Die Kleinbäuerinnen, die wir interviewten, erzählten ihre Erfahrungen von den Dürreperioden, die sie über die letzten 39 Jahre (1983-2022) erlebt hatten: “Der Geruch von verrottendem Vieh lag in der Luft. Im Fluss begann sich Salz herauszukristallisieren. Wir haben dieses Salz teils zum Kochen verwendet, teils verkauft.“
Eine Dürre bedeutete, dass es ein Kampf war, genug anzubauen, um die Familie zu ernähren – und es gab nichts zu verkaufen: “Ich habe drei Hektar Mais verloren, nichts wuchs, und sogar unser Vieh ging zugrunde. Normalerweise brauchen wir für unser Vieh kein Futter zuzukaufen, aber wir hatten keine Wahl.“
Sogar die von Hand gegrabenen Brunnen trockneten aus und manche BäuerInnen mussten die Landwirtschaft ganz aufgeben: “Wir hatten nichts zu essen. Während Ziegen überlebten, indem sie sich ihre Nahrung von den Bäumen besorgten, waren unsere Kühe dieses Glück nicht und starben.“
Wasservorräte anlegen © Jabulile Mzimela
Wie sich die BäuerInnen anpassten
Verschiedene Praktiken halfen beim Überleben:
Andere Wasserquellen auftun: Die BäuerInnen fanden Methoden, Regenwasser zu ernten. Im Kollektiv gruben sie händisch Gemeinschaftsbrunnen und lagerten so viel Wasser ein wie möglich. Sie wiederaufbereiteten zu Hause verwendetes Wasser. Wenn sie es sich leisten konnten, ließen sie Brunnen bohren.
Feuchtigkeit im Boden bewahren: Hierunter fällt Pflügen von Hand, Anlegen von Brachen und Bäumepflanzen. Bäuerinnen verwendeten mehr organische Abfälle für den Boden, zum Beispiel Streu und Mist von Vieh, Ziegen, Hühnern und auch Ernterückstände. Außerdem legten sie durchlöchertes Plastikplanen auf, verwendeten Windeln und Kartons, um Bodenfeuchtigkeit zu erhalten.
Andere Pflanzen anbauen, die Dürren überstehen können: Nun wurden Süßkartoffel, Spinat, Taro, Zuckerrohr, Zwiebel und Baumwolle gepflanzt anstelle von wasserintensiven Kulturen wie zum Beispiel Kohl und Tomaten.
Selbstgemachte Schädlingsbekämpfung: Bäuerinnen verwendeten Holzasche, Mehl, hausgemachten Pflanzensud und auch Bleistiftstrauch (Tirucalia tirucalli), welcher Maulwürfe abstößt. Zudem entfernten sie Raupen von Hand und verwendeten mit Menstruationsblut vermischtes Wasser für Gemüse, um Schädlinge abzuschrecken.
Wie Bäuerinnen die Last des Klimawandels tragen
Unsere Forschung hat ergeben, dass weiblich geführte Haushalte und solche mit niedrigem Einkommen den Preis für den Klimawandel zahlen[26]. Zum Beispiel mussten KleinbäuerInnen sich nach anderer Arbeit umsehen. Aber von Frauen geführte Haushalte und solche mit geringem Einkommen hatten wenig Auswahl an anderer Arbeit und Frauen konnten das Heim nicht verlassen. Oft mussten sie riskanten Tätigkeiten nachgehen wie lizenzloser Verkauf von Alkohol, Benzin und Marihuana.
Während der Dürreperioden wuchs auch die Arbeitsbelastung von Frauen, da sie für das Gießen der Pflanzen das Wasser in Kübeln von den Brunnen herbeischaffen mussten.
Männer waren durch Pflichten im Haushalt weniger beeinträchtigt. Sie hatten mehr Zeit und Freiraum, um während der Dürren andere Arbeit zu finden. Das hat unsere Forschung ergeben. Kleinbäuerinnen haben nur ungenügend Zugang zu formellen Märkten, Finanzdienstleistungen und formeller Beschäftigung.
Indigene Wissenssysteme müssen anerkannt werden
Indigenes Wissen beruht auf Wissen, das über Hunderte von Jahren angesammelt wurde und in einem spezifischen lokalen Kontext nützlich ist. Es ist daher für Gemeinschaften, die sich an ein sich veränderndes Klima anpassen müssen, überaus nützlich. Hingegen werden Klimaanpassungspläne der Regierung[27], zum Beispiel Dürrehilfe-Programme, implementiert ohne Verständnis für lokales Wissen oder soziale Identitäten in einem bestimmten Gebiet. Das muss sich ändern, wenn KleinbäuerInnen mit intensiveren und häufigeren Dürren zurechtkommen sollen.
Regierung, Klimafinanzierung und Hilfsorganisationen müssen außerdem von ihren genderneutralen Maßnahmen abrücken, die den Status Quo aufrechterhalten und den Frauen zusätzliche Lasten aufbürden.
Wir verlangen das Aus-dem-Schweigen-Holen[28], das Legitimieren und das Integrieren indigener Wissenssysteme sowohl in informelle als auch in formelle Klimaanpassungsprogramme. Das wird KleinbäuerInnen empowern, indigenes Wissen zu bewahren und weiterzugeben und resiliente, also widerstandsfähige landwirtschaftliche Praktiken favorisieren. Es wird eingesessene Machtdynamiken sprengen und Bäuerinnen empowern.
* * *
Endnoten:
[1] Einer von sechs größeren Flüssen im fast 20.000 km2 großen Nationalpark. Foto Abspires40 am 10.12.2015, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:A_very_dry_Olifants_River,_drought_affected_Kruger_National_Park_South_Africa_(28380827372).jpg.
[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[3] So definiert Kurt G. Baldenhofer “Ernährungsunsicherheit“ in seinem “Lexikon des Agrarraums“. Siehe https://www.agrarraum.info/lexikon/ernaehrungsunsicherheit.
[4] Siehe World Food Programme, Southern Africa Drought, https://www.wfp.org/emergencies/southern-africa-drought.
[5] Zu Dr. Jabulile Mzimela siehe https://www.science.unizulu.ac.za/geography/jabulile-mzimela/ und außerdem https://theconversation.com/profiles/jabulile-mzimela-2221884.
[6] Zu Prof. Inocent Moyo siehe https://www.science.unizulu.ac.za/geography/prof-innocent-moyo/ sowie https://theconversation.com/profiles/inocent-moyo-283693.
[7] Ich übersetze “associate professor“ (eine Kategorie eine Stufe unterhalb eines Professors) mit “Professor“, da Inocent Moyo gemäß Zululand-Universität-Internetseite sehr wohl Professor (und interimsmäßig noch Vize-Dekan) ist. GL.
[8] Siehe https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2405880722000036?via%3Dihub.
[9] S. https://regenz.co.za/resources/smallholder-farms-in-south-african-agriculture/.
[10] S. https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/00307270221091839.
[11] S. https://www.mdpi.com/2071-1050/12/1/195.
[12] S. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969721045794?via%3Dihub.
[13] S. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S2212420916302904#bib69.
[14] Siehe https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/00219096241275391.
[15] S. https://www.dst.gov.za/images/pdfs/IKS_Policy%20PDF.pdf.
[16] S. https://dlc.dlib.indiana.edu/dlc/items/e64b7a9a-afee-40a7-beec-b6aea44e52c6.
[17] S. https://scielo.org.za/scielo.php?script=sci_abstract&pid=S2415-04952020000200005.
[18] S. https://www.news24.com/fin24/economy/unemployment-rate-jumps-to-335-84-million-south-africans-now-jobless-20240813.
[19] S. https://lg.treasury.gov.za/supportingdocs/DC27/DC27_IDP%20Final_2022_Y_20221115T114622Z_phililev.pdf.
[20] S. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7559597/.
[21] S. https://www.ingonyamatrust.org.za/.
[22] S. https://www.customcontested.co.za/court-battle-looms-over-r71m-missing-from-ingonyama-holdings/.
[23] S. https://mg.co.za/news/2020-12-07-rural-women-take-the-ingonyama-trust-to-court/.
[24] Siehe https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/00219096241275391.
Wasserernten ist die direkte Übersetzung von “water harvesting“ – im Deutschen scheint es außer Regenwasser-Nutzung keinen speziellen Begriff dafür zu geben. Es handelt sich um das Auffangen und Konservieren von Regenwasser für eine spätere landwirtschaftliche Nutzung. GL.
[25] S. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/19376812.2021.1997613.
[26] Siehe https://link.springer.com/article/10.1007/s10806-020-09822-3.
[27] Siehe https://www.gov.za/sites/default/files/gcis_documents/kzn-drought-relief-scheme.pdf.
[28] Im Original “unsilencing“, wörtlich ungefähr “Entstummen“. GL.