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Die Poesie des Verfalls. Oder: Kolmanskop, offen nur nach Vereinbarung

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Günther Lanier, Ouagadougou, 17.2.2021

Von der südwestnamibischen Hafenstadt Lüderitz etwa 10 km landeinwärts liegt Kolmanskop[1] oder, deutscher, Kolmanskuppe. Dem Wüstenwind schutzlos ausgesetzt. Wollen Sie real vorbeischauen, so ist der meist windstille oder windarme Vormittag zu empfehlen[2] – Kolmanskop hat auch nur von 8h bis 13h offen, montags bis samstags[3]. Doch für unsere virtuelle, vor allem fotografische heutige Tour braucht uns das nicht zu kümmern.

Seinen Namen verdankt Kolmanskop einem Nama[4], Johnny Coleman, der dort in einem Sandsturm mit seinem Ochsenkarren in einer Sanddüne steckenblieb. 1905 war das. Er selbst überlebte – seinen Karren musste er zurücklassen. Ich hoffe, er hat die Ochsen ausgeschirrt und auch sie in Sicherheit gebracht[5].

 [6]

Der Eisenbahner Zacharias Lewala fand 1908 Rohdiamanten, die er seinem Chef August Stauch zeigte. Dieser, das dritte Kind aus einer EisenbahnerInnen-Familie in Ettenhausen, Thüringen, war 1907 in Lüderitz angekommen – er litt an Asthma und sein Arzt hatte ihm trockenes Wüstenklima empfohlen. Er arbeitete als Bahnmeister der von Lüderitz landeinwärts führenden Bahnlinie[7]. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit Mineralogie, er war vor allem von Diamanten fasziniert. Seinen Untergebenen hatte er Weisung erteilt, nach außergewöhnlich glänzenden Steinen Ausschau zu halten.

August Stauch ließ sich von Sönke Nissen, einem in Lüderitz ansässigen Ingenieur, der für den Bahnbau verantwortlich war, bestätigen, dass es sich um Diamanten handelte. Die beiden behielten ihr Wissen für sich, erwarben die Rechte für den Diamantenabbau, kündigten bei der Bahn und wurden schnell stein-reich[8] – noch bevor die Region wegen ihrer Bodenschätze zum Sperrgebiet erklärt wurde.

Denn der deutsche Staat wollte freilich mitverdienen. Aus den 1908-13 in Deutsch-Südwestafrika abgebauten 4,7 Millionen Karat mit einem Wert von 151 Millionen Mark flossen 40%, also rund 60 Mio. Mark, als Diamantensteuer an den Fiskus[9].

Aus Zacharias Lewala hingegen wurde kein Millionär, er hatte wohl die falsche Hautfarbe[10]. Obwohl es kein Zufall war, dass gerade er die ersten edlen Steine gefunden hatte, hatte er zuvor doch in einer Diamantenmine in Kimberley gearbeitet.

Der folgende Diamantenrausch ließ eine sehr kleine, aber überaus reiche Stadt entstehen. Hier wohnten nie mehr als 400 Menschen, aber neben den sauber nach Verheirateten und Junggesellen getrennten Unterkünften für die Arbeiter sowie den Verwaltungs- und Dienstgebäuden gab es bald ein Elektrizitätswerk, eine Eisfabrik zur Herstellung von Blockeis für die Eisschränke der BewohnerInnen, einen “Ballsaal“ mit Theater, Turnhalle und Großküche, eine Kegelbahn, eine Schule, ein Salzwasser-Schwimmbad und eine Schmalspurbahn für den Transport von Waren und Personen innerhalb des Ortes. Das Krankenhaus des Ortes verfügte über eine Röntgenstation – angeblich die erste in ganz Afrika und sogar in der südlichen Hemisphäre[11].

 [12]

Auf dem Foto oben der Ballsaal, unten die Kegelhalle.

 [13]

Wasser gab es hier gar keines – das musste von weit weg hierher geschafft werden. Dass es wirklich aus dem um die 1.000 km entfernten Kapstadt kam[14], bezweifle ich. Doch bezahlbar wäre das mit dem vielen Diamanten-Geld allemal gewesen.

Hochherrschaftliche Steinhäuser wurden hier nach deutschem Vorbild gebaut. Hier das Haus des Minenverwalters:

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Und hier ein Foto aus seinem – heute leeren – Inneren:

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Kolmanskops Blütezeit währte nicht lange. Während die Diamanten-Vorräte der Umgebung zu Ende gingen, wurden 1928 südlich von Lüderitz bis zur Oranje-Mündung reichere und leichter abzubauende Vorkommen entdeckt. Viele brachen dorthin auf, ließen oft alles zurück, sogar mobiles Gut. 1930 wurde hier letztmals geschürft. Die Allerletzten verließen Kolmanskop 1960.

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Das obere Foto blickt aus dem Quartiermeisterhaus. Die drei folgenden zeigen das Innere des Ladenbesitzerheimes.

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Das intakte Innere, das auf diesen Fotos zu sehen ist, ist Resultat der ab den 1980er Jahren vorgenommenen Renovierungsarbeiten. Der ökonomische Aufschwung des nahen Lüderitz und touristisches Interesse an dem inzwischen von der Wüste zurückeroberten, einst blühenden Ort sorgten für die Umwandlung von Kolmanskop in ein Freiluftmuseum.

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Oben ein Blick auf das Buchhalterhaus, unten aus ihm heraus:

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Hier die einstige Eisfabrik:

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Und hier nochmals drei Fotos vom Haus des Buchhalters:

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Hier vier Fotos nicht renovierter Interieurs der vormaligen Diamantenstadt:

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Beim folgenden Foto handelt es sich um das Kolmanskoper Spital:

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Zum Abschluss drei besonders malerische Bilder vom Verfall der Kuppe – laut Duden der “abgerundete oberste Teil eines Berges“ – des Johnny Coleman, eben Kolmanskop.

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Als Ihr virtueller (Zeit)Reisebegleiter verabschiede ich mich bis nächsten Mittwoch – doch nicht, ohne mich vorher vielmals bei den FotografInnen zu bedanken für ihre gemeinfreien Fotos, die ich hier verwendet habe.

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Endnoten:

[1] Das dem Artikel vorangestellte Foto ist von Olga Ernst & Hp.Baumeler, aufgenommen am 27.4.2017, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmanskop_near_L%C3%BCderitz,_Namibia_(2017).jpg.

[2] Siehe Markus Roman, Diese deutsche Stadt wird von der Wüste geschluckt, t-online 30.10.2014, https://www.t-online.de/leben/reisen/fernreisen/id_71593450/kolmanskuppe-diese-deutsche-stadt-wird-von-der-wueste-verschluckt.html.

[3] Mein Untertitel – “offen nur nach Vereinbarung“ – stammt von der Tourismus-Webseite (nur die homepage ist aktiv) http://kolmanskuppe.com/: Kolmanskuppe is open by appointment only / Mon – Sat 08h00 – 13h00 / Please call +264 81 128 4336 to make arrangements for a tour. / Photo permits available at Desert Deli in Lüderitzbucht. Signiert wurde die Webseite von Ghost Town Tours.

[4] Die Nama (auch: Namaqua oder ǀAwa-khoen = rote Menschen) waren namensgebend für die Wüste Namib, die wiederum namensgebend für Namibia war. Die Nama werden zu den Khoi Khoi gezählt, vormals abschätzig Hottentotten genannt.
Die Nama waren 1904 nach den hauptbetroffenen Herero ebenfalls Opfer des deutschen Genozids. Dazu siehe Günther Lanier, Sind die PostbotInnen Herero, dann ist Deutschland nicht zu Hause. Deutscher Krieg gegen Herero und Nama, revisited, Kap.53 in Günther Lanier, Afrika. Exkursionen an den Rändern des Weltsystems, Linz (guernica Verlag) 2019, erstveröffentlicht auf Radio Afrika TV, Wien 24.bzw.29.1.2018, http://alexisnshimyimanan5.sg-host.com/2018/01/24/deutscher-krieg-gegen-herero-und-nama-revisited/.

[5] Hingegen wäre laut https://www.info-namibia.com/activities-and-places-of-interest/luederitz/kolmanskop, wo von einer Legende die Rede oder Schrift ist, Coleman bei dieser “Gelegenheit“ selbst umgekommen.

[6] Kolmanskop bei Lüderitz, Region Karas, Namibia, Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Blick_auf_Kolmannskuppe_05.jpg?uselang=de.

[7] Kolmanskop war seit 1906 eine kleine Station an dieser Bahnlinie.

[8] Sönke Nissen kehrte schon 1909 nach Deutschland zurück.

[9] Gemäß Ingenieur Goldberg, Der Diamantenabbau in Deutsch-Südwestafrika, in: Polytechnisches Journal 1914, Bd.329, pp.531-533, http://dingler.culture.hu-berlin.de/article/pj329/ar329123. Am Schluss des Artikels sind die Fördermengen der einzelnen Jahre aufgeschlüsselt. Der Artikel enthält interessante Details. Hier ein Absatz: “Die diamantenführenden Sandschichten sind von ganz verschiedener Mächtigkeit, sie schwanken zwischen mehreren Millimetern bis zu einigen Metern, wodurch die Verwendung mechanischer Hilfsmittel, z.B. Bagger, zu ihrer Abtragung sehr erschwert wird. Die Größe der einzelnen Steine ist verschieden, doch sind sie meist klein. Durchschnittlich gehen 5 bis 6 auf ein Karat oder 25 bis 30 auf ein Gramm. Es haben sich aber auch, besonders in den neuen Feldern von Pomona und Bogenfels, solche bis zu 33 Karat gefunden.“

[10] Ich habe nicht ergründen können, ob er auch ein Nama war.

[11] Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Kolmannskuppe.

[12] Ballsaal, Foto Harald Süpfle 2.9.2004, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ballsaal_Kolmannskuppe_03.jpg?uselang=de.

[13] Kegelbahn, Foto Harald Süpfle 2.9.2004, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kegelbahn_Kolmannskuppe_01.jpg?uselang=de.

[14] 868 km Luftlinie, per Straße heute 1.128 km.

[15] Haus des Minenverwalters, Foto Zairon 12.6.2017, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Minenverwalters_4.jpg?uselang=de.

[16] Im Haus des Minenverwalters, Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Minenverwalters_Innen.jpg?uselang=de.

[17] Im Haus des Quartiermeisters, Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Quartiermeisters_Innen_04.jpg?uselang=de.

[18] Im Haus des Ladenbesitzers, Foto Zairon 12.6.2017, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Ladenbesitzers_Innen_1.jpg?uselang=de.

[19] Im Haus des Ladenbesitzers, Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Ladenbesitzers_Innen_2.jpg?uselang=de.

[20] Im Haus des Ladenbesitzers, Foto Zairon 12.6.2017, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Ladenbesitzers_Innen_6.jpg?uselang=de.

[21] Haus des Buchhalters, Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Buchhalters_1.jpg?uselang=de.

[22] Blick aus dem Haus des Buchhalters, Foto Zairon 12.6.2017, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Buchhalters_Innen_1.jpg?uselang=de.

[23] Eisfabrik, Foto Olga Ernst 27.4.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Eisfabrik.jpg?uselang=de.

[24] Im Haus des Buchhalters, Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Buchhalters_Innen_5.jpg?uselang=de.

[25] Blick aus dem Haus des Buchhalters, Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Buchhalters_Innen_7.jpg?uselang=de.

[26] Im Haus des Buchhalters, Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Haus_des_Buchhalters_Innen_6.jpg?uselang=de.

[27] Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_in_den_H%C3%A4usern_22.jpg?uselang=de.

[28] Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_in_den_H%C3%A4usern_18.jpg?uselang=de.

[29] Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_in_den_H%C3%A4usern_05.jpg?uselang=de.

[30] Foto Xenia Ivanoff Erb 13.2.2016, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Abandoned_Stairway_Kolmanskop_(143218913).jpeg?uselang=de.

[31] Im Krankenhaus, Foto Zairon 12.6.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kolmannskuppe_Krankenhaus_Innen_05.jpg?uselang=de.

[32] Foto Sonse 11.9.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ghost_Town_(37674084986).jpg?uselang=de.

[33] Foto James Kerwin 7.2.2019, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Abandoned_building,_Kolmannskuppe,_Namibia.jpg?uselang=de.

[34] Foto Sonse 11.9.2017, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ghost_Town_(37464568170).jpg?uselang=de.

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