Radio Afrika TV

Deutsches KZ-Grünwaschen auf der Haifisch-Insel?

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on whatsapp
Share on email
Share on print
  • Home
  • Deutsches KZ-Grünwaschen auf der Haifisch-Insel?

Foto: Lüderitz, seine Bucht und die Haifischinsel vor circa 120 Jahren [1]

* * *

Günther Lanier, Ouagadougou 30. Oktober 2024[2]

* * *

32 Hektar maß die Haifischinsel, 0,32 Quadratkilometer. Im Südwesten des heutigen Namibia gelegen, bot sie der fast vollständig geschlossenen Bucht in ihrem Osten Schutz vor Wind und Wetter. Dort wurde 1883 Lüderitz gegründet, vom Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz. Heute leben hier etwas mehr als 15.000 Menschen.

Die Insel, Anfang des 20. Jahrhunderts durch eine hölzerne Brücke mit dem Festland verbunden, ist mittlerweile in eine Halbinsel transformiert worden.


im Haifischinsel-KZ [3]

Dass in Deutsch-Südwestafrika Anfang des 20. Jahrhunderts ein Genozid an den Ovaherero und Nama verübt wurde, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Dass Berlins diesbezügliche Entschuldigungen völlig unzureichend sind und seine Wiedergutmachungsmaßnahmen noch viel mehr, habe ich an diesem Ort schon mehrmals beklagt[4].

Auf der Haifischinsel – in ihrer nördlichen, festlandabgewandten Hälfte – wurde 1905 bis 1907 Deutschlands erstes Konzentrationslager betrieben. Über 4.000 Ovaherero und Nama wurden hier umgebracht.


im Haifischinsel-KZ [5]

Die Haifisch“insel“ ist seit 2019 ein “nationaler Gedenkort“. Absurderweise wird jedoch der für den Genozid verantwortlichen Kolonialherren mehr gedacht als der Opfer. Letzteren ist ein einziger Gedenkstein gewidmet: dem Nama-Führer Cornelius Fredericks – der wurde hier im Februar 1907 enthauptet. Ob sein Leichnam ins Meer geworfen oder in den Dünen der Umgebung von Lüderitz verscharrt wurde, ist unbekannt. Jedenfalls wurde ihm kein Grab gegönnt. Sein Schädel wurde wahrscheinlich nach Deutschland verschifft zwecks Kraniometrie, dem Rassismus dienende Schädelvermessungen. Trotz einiger Repatriierungen sollen sich noch heute mehr als 3.000 Ovaherero- und Nama-Schädel in Deutschland befinden.


im Haifischinsel-KZ, stehend: Leutnant von Durling [6]

Vom KZ bleiben so gut wie keine Spuren, weder in der Wirklichkeit noch in Archiven. Ein paar Fotos haben überlebt. “Dieser Teil unserer Geschichte wird langsam völlig ausgelöscht“, meint Sima Luipert vom technischen Genozid-Ausschuss der NTLA, der Vereinigung der traditionellen Nama-FührerInnen[7].

Dankenswerterweise haben die Londoner und Berliner Forschungsagenturen Forensic Architecture (FA) und Forensis[8] gemeinsam mit der NTLA, der Traditionellen Ovaherero-Autorität (OTA[9]) und dem Archäologie-Zentrum der Universität von Staffordshire bei ihren Untersuchungen zum Genozid in Deutsch-Südwestafrika auch zur Haifisch-Insel gearbeitet und dabei Beachtliches geleistet. Die resultierenden, überaus sorgfältigen Produkte ihrer Forschungsarbeit – insbesondere ein Video von 36’08’’ und ein 52-seitiger Bericht – sind überaus empfehlenswert für des Englischen Kundige[10].


Shark Island: die Felsen sind geblieben [11]

Das alles ist schlimm genug.

Doch um Uneinsichtigkeit, Entschuldigungs- und Entschädigungslosigkeit die Krone aufzusetzen, ist Berlin jetzt ein neues Projekt eingefallen, mit dem der “nationale Gedenkort“ Haifischinsel noch gründlicher begraben werden dürfte, soll doch gerade hier ein Jahrhundertprojekt stattfinden.

Unter der Führung des deutschen Enertrag-Unternehmens soll nämlich ein Joint Venture namens “Hyphen“ in Zukunft grünen Wasserstoff produzieren, der dann, in Ammoniak verwandelt, nach Deutschland oder Europa verschifft werden soll. Das bringt zwar den Menschen in Namibia nichts, von denen sehr viele noch immer ohne Strom auskommen müssen, aber im Globalen Norden wird es helfen, mittels Dekarbonisierung gegen den Klimawandel zu kämpfen[12].

Namibia eignet sich sicher gut für die Produktion grünen Wasserstoffs, es hat ja viel (wenn auch zu entsalzendes) Wasser und Sonnenenergie in Hülle und Fülle. Doch darf nicht vergessen werden, dass solche Projekte mit sehr hohem Risiko behaftet sind[13] – die von der EU beim Anfang September in der namibischen Hauptstadt Windhoek abgehaltenen Globalen Afrikanischen Wasserstoffgipfel[14] zugesagte Finanzierung von 25 Millionen Euro[15] ist nahezu verschwindend klein angesichts von Investitionen, die auf 10 Mrd. USD geschätzt werden[16].

Fürs Entsalzen und die Umwandlung in Ammoniak soll der Lübecker Hafen massiv ausgebaut werden. Das wird zum Teil das einst als KZ genutzte Haifischinsel-Gebiet betreffen. Und die Solarzellen fürs Gewinnen der Sonnenenergie sollen insbesondere auch dort aufgestellt werden, wo mit großer Wahrscheinlichkeit[17] die vielen tausend Toten des KZs in Einzel- oder Massengräbern verscharrt wurden.

Dürfen wir Berlin bei solcher Gedenkerschwernis Absicht unterstellen?


Cornelius Fredericks liegt hier nicht begraben, aber immerhin kann seiner an diesem Ort gedacht werden [18]

* * *

Endnoten:

[1] Lüderitz liegt in Südwest-Namibia, dem ehemaligen Deutsch Südwestafrika, Foto von Dr. Robert Lohmeyer, Bruno Marquardt oder Eduard Kiewning, vor 1910, aus Kurt Schwab (Hg.), Die deutschen Kolonien, Berlin 1910, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:L%C3%BCderitzbucht_N%C3%B6rdlicher_Teil_mit_der_Haifischinsel_Deutsch-S%C3%BCdwestafrika.jpg.

[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!

[3] FotografIn und Datum des Fotos unbekannt; Foto wird auf der Wikipedia-Seite zum Haifischinsel-KZ verwendet; https://en.wikipedia.org/wiki/File:Shark_Island_concentration_camp.png.

[4] Siehe insbesondere Günther Lanier, Sind die PostbotInnen Herero, dann ist Deutschland nicht zu Hause. Deutscher Krieg gegen Herero und Nama, revisited, Ouagadougou (Africa Libre) 24.1.2018, https://www.africalibre.net/artikel/344-sind-die-postbotinnen-herero-dann-ist-deutschland-nicht-zu-hause bzw. Wien (Radio Afrika TV) 24.1.2018 (dort nicht archiviert).

[5] Keine Angaben zu FotografIn, falsche Angabe zum Zeitpunkt (1903), Wikipedia beanstandet diese zu wenigen Informationen; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Herero_Nama_Shark_Island_Death_Camp_07.jpg.

[6] FotografIn und Datum des Fotos unbekannt; Wikipedia beanstandet die Richtigkeit der Copyright-Angaben; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Herero_Nama_Shark_Island_Death_Camp_Lieutenant_von_Durling_05.jpg.

[7] Nama Traditional Leaders Association. Nima Luipert gehört dem NTLA Genocide Technical Committee an.

[8] Wiki: “Forensik ist ein Sammelbegriff für wissenschaftliche und technische Arbeitsgebiete, in denen kriminelle Handlungen systematisch untersucht werden.“

[9] OTA = Ovaherero Traditional Authority.

[10] Beide sind gleich zu Beginn von https://forensic-architecture.org/investigation/shark-island abrufbar. Das Video heißt einfach Shark Island und dürfte am 17. Juni 2024 online gestellt worden sein. Was den Bericht bertrifft: Forensis, Forensic Architecture, Shark Island. An Architectural Reconstruction of a Death Camp, 12.4.2024.

[11] Foto Johan Jönsson 27.7.2018, leicht zugeschnitten GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Shark_Island_19.jpg.

[12] Die Junge Welt, die mich auf die Spur für diesen Artikel gebracht hat (danke für den Hinweis, Petra!), schreibt diesbezüglich: “Bei Hyphen geht es bislang um nichts als Exportwirtschaft. In einem Land, in dem der nationale Wassernotstand ausgerufen wurde und gerade einmal die Hälfte der Haushalte elektrifiziert ist, soll Meerwasser entsalzt und mit erneuerbarer Energie in Wasserstoff verwandelt werden. Der soll, umgewandelt in hochexplosives Ammoniak, auf Tanker geladen und unter hohen Energieverlusten nach Deutschland gebracht werden, um etwa die dortige Stahlindustrie dekarbonisieren zu können. Für die lokale Bevölkerung in Namibia soll es weder Wasser noch Strom geben, noch das für die Agrarproduktion wichtige Ammoniak.“ Zitiert aus: Julia Manek, Grüner Platz an der Sonne, Junge Welt 6.9.2024, https://www.jungewelt.de/artikel/483148.neokolonialismus-gr%C3%BCner-platz-an-der-sonne.html.

[13] Zu diesen Risken siehe z.B. Bruce Douglas Young, Craig McGregor, South Africa’s green hydrogen hub: EU grants not nearly enough to get industry going, The Conversation 11.9.2024, https://theconversation.com/south-africas-green-hydrogen-hub-eu-grants-not-nearly-enough-to-get-industry-going-238706, auch wenn der Artikel Südafrika statt Namibia behandelt.

[14] Global African Hydrogen Summit. Der nächste soll übrigens vom 9.-11. September 2025 abermals in Windhoek stattfinden. Siehe https://www.globalafricanhydrogensummit.com/

[15] Siehe Global African Hydrogen Summit, Presseaussendung September 2024, https://www.globalafricanhydrogensummit.com/media/1z3k0zm1/global-african-hydrogen-summit-september-2024-press-release-09-09.pdf.

[16] Siehe Hydrogen Technology Expo Europe, Germany has recognised Hyphen’s Namibian hydrogen venture as a ‘strategic foreign project’, 23.4.2024, https://www.hydrogen-worldexpo.com/industry-news/germany-recognised-hyphens-namibian-hydrogen-venture-strategic-foreign-project.

[17] Für den Nachweis sind weitere Forschungen nötig – siehe das Projekt von Forensic Architecture und Forensis.

[18] Foto Johan Jönsson 27.7.2018, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/0/06/Gravestone_of_Cornelius_Fredericks.jpg/1280px-Gravestone_of_Cornelius_Fredericks.jpg.

Afrika Tv

Tue 18:00 - 18:30
Wed 16:00 - 16:30
Thu 14:00 - 14:30
Fri 12:00 - 12:30
Sat 10:00 - 10:30
Sun 08:00 - 20:30

Radio Afrika International

On Orange FM 94.0 MHZ

Mon 09:00 - 10:00
Tue 09:00 - 10:00
Wed 09:00 - 10:00
Thu No Transmition
Fri 09:00 - 10:00
Sat 09:00 - 10:00
Sun 09:00 - 10:00

Radio Afrika International

On Ö1 campus

Mon 15:00 - 17:00
Tue 15:00 - 17:00
Wed 15:00 - 17:00
Thu 15:00 - 17:00
Fri 15:00 - 17:00
Sat 15:00 - 17:00
Sun 15:00 - 17:00

Current Events

take a look at the events that are happening right now.

Radio Afrika Tv Newsletter

Sign up to be inside the updates that Radio Africa Tv publishes

Radio Afrika youtube channel

Radio Afrika Tv Podcast

Newsletter Abonnieren

Bleiben Sie mit unserem monatlichen Newsletter über unsere Arbeit informiert!