Marina Pfaffernoschke, “Die grüne Zitrone“ [1]
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Günther Lanier, Ouagadougou 15.3.2023[2]
In Burkina Faso ist der Internationale Frauentag, der 8. März, eine im Bewusstsein aller fest verankerte Institution – und natürlich Feiertag. Obschon heutzutage nicht mehr so ernstgenommen wie in den 1980ern der sankaristischen Revolution, als tatsächlich die Männer am Markt einkaufen gingen, sich um die Kinder kümmerten und kochten, wäre es dennoch undenkbar, diese einmal alle 365 Tage stattfindende Unterbrechung des patriarchalen Alltags zu übergehen. Ein symbolträchtiger Teil des Feierns sind die bunten, alljährlich neu entworfenen & angefertigten 8. März-Stoffe (pagnes 8 mars). Wer kann – nicht nur, aber freilich vor allem die Frauen – lässt sich daraus Kleid, Rock, Hemd oder Ensemble schneidern und streift dann am Frauentag derart bekleidet umher.
noch verpackte 8. März-Stoffe, einen Monat vor dem Fest, Cour de Solidarité, Paspanga [3]
Angesichts der schwierigen Situation im Land hat das Frauenministerium 2023 die Produktion dieser Stoffe ausnahmsweise nicht unterstützt. Dass es keinen offiziellen “Stempel“ gab, hätte niemand gestört, es gab auch trotzdem, wie üblich, drei verschiedene Varianten zur Auswahl. Allerdings waren die Stoffe in Ermangelung einer ministeriellen Subvention um einiges teurer als ein Jahr zuvor.
Selbstverständlich hat auch der Internationale Club der Frauen von Ouagadougou den 8. März gefeiert. In überaus gediegenem Rahmen gab es zu Mittag ein Buffet, an dem neben den Mitgliedern und ihren Partnern als Ehrengästin Apolline Traoré teilnahm. Sie hatte wenig vorher bei der alle zwei Jahre in Ouagadougou stattfindenden Fespaco, dem bedeutendsten gesamtafrikanischen Filmfestival, für ihren neuesten Film “Sira“ mehrere Preise eingeheimst, darunter vor allem den “Silbernen Hengst“, sozusagen die Silbermedaille der afrikanischen Filmproduktion. Wenig vorher war ihr bei der Berlinale den Publikumspreis zuerkannt worden.
Apolline Traoré erzählt von den Schwierigkeiten beim Filmen von “Sira“. In der Bildmitte die Präsidentin des Frauenclubs, Alexandra Vetter, und ganz links dessen Vizepräsidentin, Rosena Sebelin [4]
Bei der Feier wurde nur der Trailer ihres preisgekrönten Films gezeigt. Doch wir wissen, dass er bald in den Kinos der burkinischen Hauptstadt zu sehen sein wird – die beiden Fespaco-Projektionen waren aussichtslos überbucht, es war sehr viel über ihn geschrieben und geredet worden, schließlich behandelt er das in Burkina brandaktuelle Thema der terrorismusverursachten Unsicherheit – und er feiert vermittels seiner von Nafissatou Cissé verkörperten Heldin Sira weibliches Engagement angesichts aller Widrigkeiten.
Wie wir das von Frauen weltweit – und in Burkina ganz besonders[5] – ja kennen. Und in der Regel wird der Beitrag der Frauen viel zu wenig geschätzt.
Während der Fespaco war vom Frauenclub ein gemeinsamer Besuch eines Dokumentarfilms organisiert worden: “MK. Die geheime Armee Mandelas“ von Osvalde Lewat, einer Franko-Kamerunerin, deren Film eine Hommage einer Zeit ist, als der ANC-Widerstand gegen das Apartheid-Regime radikale Positionen einnahm, die anlässlich der Machtübernahme – mit Mandela als Galionsfigur – weitestgehend aufgegeben wurden[6].
Nach der Projektion im Ciné Burkina gab es kurz die Möglichkeit zum Austausch mit der Regisseurin [7]
CLIF, Club International des Femmes de Ouagadougou, also Internationaler Club der Frauen von Ouagadougou, ist ein Verein, der seit über 20 Jahren besteht[8]. Über die von ihm organisierten Veranstaltungen hinaus unterstützt er mehrere kleine Vereine oder Institutionen, darunter den Solidaritätshof (Cour de Solidarité) von Paspanga, wo der Hexerei beschuldigte und deswegen aus ihren Dörfern und Familien verjagte Frauen unterkommen. Handelte es sich früher zuvorderst um einen Kreis von Diplomatengattinnen, so erlebt der Club unter seiner derzeitigen Führung eine Blüte. Expats und Einheimische können Mitglied werden, auch interessierte Männer, wobei ein Mitgliedsbeitrag von jährlich 30.000 F Cfa (46 Euro) für burkinische Frauen eine nicht unbeträchtliche ökonomische Schwelle darstellt.
Ausstellung “Le CLIF montre sa créativité“ (CLIF zeigt seine Kreativität) am 12.3.2023 in der burkinischen Hauptstadt; ganz rechts Ariane Zeba; zweite von rechts: Marina Pfaffernoschke [9]
Anlass meines Artikels ist eine Ausstellung, die vergangenen Sonntag in Koulouba, im Zentrum Ouagadougous stattgefunden hat. Im schönen Rahmen der alten Residenz der Europäischen Union zeigten CLIF-Mitglieder ihre Werke. Professionell begleitet hatten sie sich über längere Zeit mehr oder weniger regelmäßig künstlerisch betätigt. Die Ergebnisse können sich nicht nur sehen lassen – sie sollten einem viel größeren Kreis gezeigt werden.
Alexandra Vetter, CLIF-Präsidentin, “Die Ernte“
Die beachtliche künstlerische Qualität der ausgestellten Werke macht einmal mehr deutlich, wieviel Potential “im Schatten“ versteckt ist und wohl oftmals dort verkümmert – und dass es für Frauen auch in privilegierten Schichten dringend notwendig wäre, aus diesem Schatten herauszutreten und die Öffentlichkeit zu suchen.
Für mich das Prunkstück der Ausstellung: Rosena Sebelin, CLIF-Vizepräsidentin, “Das Reelle“
Als wäre bildnerische Kunst für sie nicht genug, gab die CLIF-Präsidentin bei der Ausstellung auch ein kleines Konzert zum Besten. Selbst an der Geige, ließ sie sich dabei am “Klavier“ von der international renommierten japanischen Komponistin Keiko Fujiie begleiten, die seit ein paar Jahren in Ouagadougou lebt und hier demnächst ihre neue “afrikanische“ Oper uraufführen wird[10].
Alexandra Vetter an der Geige, Keiko Fujiie an den Keyboards; im Bild ganz links, von hinten & filmend Marina Pfaffernoschke, die Erschafferin des dem Artikel vorangestellten Bildes.
Sehen Sie auf diesem Foto das Porträt der älteren Frau an dem Pfeiler links? Es handelt sich um die Mutter des CLIF-Mitglieds Ariane Zeba. Die Tochter ließ also auf der Leinwand ihre Mutter neu erstehen. Lassen Sie mich den heutigen Artikel mit dem Foto dieser wahrscheinlich ältesten Besucherin der sonntäglichen Ausstellung beenden. Die Tochter des 1948 ersten Parlamentspräsidenten Burkinas (damals freilich noch Obervoltas) Georges Konseiga[11] mit ihrem in Europa und Burkina verbrachten Leben wäre zweifellos eine eigene Biografie wert.
Was freilich für viele andere unbekannte Frauen auch gilt.
Expats sind in ihren Gastländern nahezu immer ephemere Erscheinungen. Das ist, was Alexandra Vetter betrifft, besonders schade. Ich wünsche ihr für die allzu bald beginnende Zukunft weiterhin alles Gute. Möge sie weiterhin ihre schier unzähmbare Energie und ihre vielfachen, nicht zuletzt auch sozialen Talente ihrer Umwelt zugutekommen lassen! CLIF ist zu wünschen, dass es auch unter ihren Nachfolgerinnen so aktiv und erfolgreich sein wird wie derzeit.
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Endnoten:
[1] Foto GL 12.3.2023.
[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[3] Foto GL 11.2.2023.
[4] Foto GL 8.3.2023.
[5] Siehe dazu Günther Lanier, Land der Integren. Burkina Fasos Geschichte, Politik und seine ewig fremden Frauen, Linz (guernica Verlag) 2017 (nur beim Verlag erhältlich unter [email protected]) oder Günther Lanier, Au pays des femmes intègres (Im Land der integren Frauen), Ouagadougou (CEPRODIF) 2020.
[6] Und dabei kam auch Winnie Madikizela-Mandela “unter die Räder“ und Mandela heiratete dann Graça Machel. Zu Winnie Madikizela-Mandela siehe Günther Lanier, Der südafrikanische Tod der Revolution. Von Winnie zu Ramaphosa, Ouagadougou (Africa Libre) 20.12.2017, https://www.africalibre.net/artikel/349-der-sudafrikanische-tod-der-revolution-oder-von-winnie-zu-ramaphosa.
[7] Foto GL 3.3.2023.
[8] Eine Webseite hat CLIF nicht, aber auf Facebook ist er zu finden: https://web.facebook.com/ClubInternationaldesFemmesdeOuagadougou?locale=fr_FR.
[9] Dieses und die folgenden Fotos: GL 12.3.2023.
[10] Über Vorstufen im Entstehungsprozess dieser Oper habe ich schon mehrmals berichtet: Günther Lanier, Fünf Arien auf dem Weg zu einer Oper. Eine japanisch-burkinische Koproduktion, Ouagadougou (Africa Libre) 27.1.2021, https://www.africalibre.net/artikel/121-funf-arien-auf-dem-weg-zu-einer-oper; Günther Lanier, Là-bas ou ici – ob jetzt hier oder dort…, Ouagadougou (Africa Libre) 12.5.2021, https://www.africalibre.net/artikel/158-la-bas-ou-ic-hier-oder-dort; Günther Lanier, Maï Lingani als ferne Mutter. Keiko Fujiies japanisch-afrikanische Oper entfaltet sich, Ouagadougou (Africa Libre) 23.3.2022, https://www.africalibre.net/artikel/126-mai-lingani-als-ferne-mutter-oder-keikos-oper-entfaltet-sich. Alle drei Artikel sind ursprünglich auf Radio Afrika erschienen, sind dort aber nicht mehr verfügbar.
[11] Das war zur Zeit der französischen Kolonie, Obervolta war gerade als eigenen Kolonie wiedereingerichtet worden. Georges Konseiga war der erste Präsident der Assemblée territoriale (Territorialversammlung), auch Conseil général (Generalrat) genannt.