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Buchrezension ‘Kleiner Bruder’

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Alleine in den vergangenen Tagen rettete die private Seenotrettungs-Initiative Sea-Watch 412 Bootsgeflüchtete aus den Gewässern vor der libyschen Küste. Die Route zwischen Nordafrika und Europa gilt als eine der tödlichsten der Welt.

Von der Flucht nach Europa handelt auch der Roman ‚Kleiner Bruder‘ von Ibrahima Balde und Amets Arzallus, der im Mai 2021 beim Suhrkamp Verlag erschienen ist.

Ibrahima erreichte im Oktober 2018 in die baskische Stadt Irun. Dort lernte er Amets Arzallus kennen und vertraute ihm seine Lebensgeschichte an. Dieser schreibt daraufhin Ibrahimas Erlebnisse nieder und verleiht der Fluchterfahrung des Guineers mit der Publikation eine wichtige Plattform.

Von Guinea bis nach Libyen reist Ibrahima, um seinen Bruder zu suchen

Ibrahimas Lebensweg – der durchweg in der Ich-Perspektive erzählt wird – beginnt in Conakry in Guinea, wo er geboren wird. Bis zur fünften Klasse besucht Ibrahima eine Schule, dann kann sich die Familie seine Bildung nicht mehr leisten. Nachdem Ibrahimas Vater stirbt, wird er vom einen Tag auf den anderen zum alleinigen Versorger der Familie.

Nach dem Tod seines Vaters schlägt sich Ibrahima zuerst in Liberia durch, kehrt dann zurück nach Guinea und verrichtet jeden Job, den er finden kann, um seine Familie zu unterstützen.

Eines Tages verschwindet Ibrahimas kleiner Bruder Alhassane – anscheinend ist er nach Libyen gereist, um von dort aus die Überfahrt nach Europa anzutreten.

Karte zu Beginn des Buches, anhand welcher Ibrahima die Route seiner Suche verdeutlicht ©Theresa Mertens

Ibrahima begibt sich auf die Suche nach seinem Bruder. So überquert er auf der Ladefläche eines Pick-Ups die Grenze zu Mali, landet im Gefängnis, läuft tagelang ohne Wasser durch die Wüste und erreicht schließlich über Algerien jenes Land, vor dem ihn so viele auf seiner Suche gewarnt hatten: Libyen.

Innenansichten in menschenverachtende Methoden der Schlepper*innen

Obwohl die Sprache des Buches sehr einfach und klar gehalten ist, zieht es eine*n beim Lesen sofort in den Bann. Ibrahima schildert seine Erlebnisse nüchtern und prägnant und spricht die Leser*innen direkt an. An vielen Stellen schaudert mensch im Globalen Norden anhand der schonungslosen Details:

„Ich erkläre es dir. Das Schlauchboot fährt immer nachts. Auch aufgepumpt wird es erst am Strand und im letzten Moment […] Du weißt, dass viele Leute nicht auf der anderen Seite ankommen, aber der Libyer sagt >>Yallah, yallah<< zu dir. Auch wenn starker Seegang ist, wird das keine Rolle spielen, er wird das Schlauchboot weiter ins Wasser schieben, wird nicht darauf achten, was für ein Wetter aufzieht“ (S. 96f).

Angekommen in Libyen erlebt Ibrahima am eigenen Leib die menschenverachtenden Methoden der Schleuser*innen, welche afrikanischen Migrant*innen mit sogenannten ‚Programmen‘ ein besseres Leben in Europa versprechen. Ibrahima kämpft sich Tag für Tag durch die brutale Lebensrealität, welcher er und viele weitere Geflüchtete in den Lagern Libyens ausgesetzt sind. Immer dabei: Ibrahimas Hoffnung seinen kleinen Bruder bald zu finden.

Ibrahimas Geschichte steht stellvertretend für die vieler junger afrikanischer Migrant*innen und verleiht erschreckende Innenansichten in Fluchterfahrungen und die lebensbedrohlichen Überfahrten nach Europa.

Das Buch fordert die Leser*innen dazu auf, sich genauer mit der unmenschlichen europäischen Migrationspolitik auseinanderzusetzen.

Hintergrund Seenotrettung & Europas Abschottung an den Außengrenzen

2018 zog die EU-Grenzschutzagentur alle ihre Schiffe aus dem zentralen Mittelmeer ab. Seitdem ist Frontex nicht mehr direkt an der Seenotrettung beteiligt und wendete sich fortan der Luftüberwachung mittels Flugzeugen und Drohnen zu. WhatsApp-Nachrichten konnten zu Beginn dieses Jahr beweisen, was schon lange vermutet wurde: Frontex kooperierte über Jahre hinweg mit Milizen in dem Bürgerkriegsland Libyen, um Geflüchtete von ihrer Überfahrt nach Europa abzuhalten und zurückzubringen. Diese Zurückweisungen sind laut der Genfer Flüchtlingskonvention verboten. Zudem brechen die Praktiken von Frontex maßgeblich mit Artikel 18 der EU-Grundrechtecharta, welcher das Recht auf Asyl festlegt.

Mehr über die grausame Realität an Europas Außengrenzen kann auch in dem kürzlich erschienen Buch ‚Europa schafft sich ab. Wie die Werte der EU verraten werden und was wir dagegen tun können‘ von Erik Marquardt nachgelesen werden. Marquardt ist Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament und kämpft mit der Initiative Kabul Luftbrücke derzeit für die Evakuierung gefährdeter Menschen aus Afghanistan.


Titelbild: Buchcover ‘Kleiner Bruder’ ©Theresa Mertens

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