Foto: Haus im äußersten Osten Ouagadougous [1]
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Günther Lanier, Ouagadougou 25.1.2023[2]
Ich habe fast immer zentrumsnah gelebt, in Wien ebenso wie in Ouagadougou. Vor kurzem aber bin ich umgezogen und bin jetzt in Suburbia daheim. Genauer gesagt in Borgo. Das liegt am Ostrand von Groß-Ouagadougou, gehört zur Gemeinde Saaba.
Dort wohnten einst Schmiede (das sagt der Name), ein unter den Mossi[3] wie auch unter anderen Burkinabè sich vom sonstigen Sozialgefüge abhebender Stand, MittlerInnen zwischen Blitzen und Menschen, oft endogam (das heißt, sie heiraten nur innerhalb der eigenen Gruppe), oft als “Kaste“ bezeichnet[4].
Als ich 2002 oder 2003 zum ersten Mal nach Saaba kam, hatte es dörflichen Charakter. Heute ist es verstädtert, hat seine Villen, natürlich seinen Markt oder seine Märkte, zudem eine Uni und auch seine “non-lotis“, ganz überwiegend mit kleinen Häusern bebaute, noch nicht vom Kataster erfasste Zonen. Und es ist mit der burkinischen Hauptstadt verwachsen – sein Zentrum liegt vom Mittelpunkt Ouagadougous schließlich nur zwölf Kilometer entfernt.
Ein “baorgo“ ist ein Musikinstrument, wird als “Horn“ übersetzt. Mit ihm wird weithin hörbar das Signal für Versammlungen gegeben. Baorgo oder auch Barogo oder Bargo oder eben Borgo[5] war offenbar der Ort, wo große Beratungen abgehalten wurden. Bis wann das so gehandhabt wurde, muss ich noch herausfinden. Bisher weiß ich, dass es in Tampouy im Nordwesten Ouagadougous ein Klein-Borgo gibt (“Borgbila“ – das “Borgo-Kind“).
Borgo ist noch nicht so “entwickelt“ wie Saaba, an das es im Nordosten anschließt, und es ist deutlich weniger dicht besiedelt. Aber es scheint schon aller Grund & Boden katastermäßig erfasst zu sein. Das sorgt für ein mehrheitlich rechtwinkeliges Wegenetz und verhindert die für Saaba beschriebenen dichtgedrängten non-lotis-Vierteln, wo die Häuser teils – manchmal sogar großteils – noch aus Lehmziegeln (banco) gebaut sind. Die sind viel billiger als Betonziegeln (en dur, also “hart“), erfordern aber regelmäßige Instandhaltung oder Erneuerung und im Fall von heftigen Regenfällen besteht eventuell Einsturzgefahr[6].
Als rezent Zugereister bewege ich mich noch mit weit geöffneten Augen durch die neue Umwelt, sozusagen hellwach. Und ich unternehme kleine Ausflüge zum Kennenlernen meiner Umgebung. Hier präsentiere ich eine kleine Auswahl von Fotos von auffälligen Häusern, die mir auf diesen Streifzügen durch Borgo untergekommen sind.
Solch auffällige Häuser sind keineswegs in der Mehrheit hier rundherum, aber es gibt doch eine erkleckliche Anzahl von ihnen. Manche eng an ihre Nachbarn geschmiegt, andere wie Burgen über unbewohnten Landen trutzend.
Immer wieder verblüfft mich, dass Leute, deren Häuser offenbaren, dass sie viel Geld haben, nicht einen Teil ihres Geldes in mehr Raum investieren. Oft wirken Häuser wie eingesperrt von den Grundstücksmauern.
Einfachheit und klare Linien – wie insbesondere auf dem Foto, das ich dem Artikel vorangestellt habe –, sind eher die Ausnahme. Sobald Geld vorhanden ist, wird es gerne verwendet, um Fassaden überbordend zu schmücken.
Dabei genießt das Aufeinanderabstimmen der verschiedenen Dekorelemente selten oberste Priorität.
Portale sind hingegen von überragender Bedeutung.
Oft sind sie ja auch, abgesehen von den einfassenden Mauern, das einzige, was vom Eigenheim öffentlich sichtbar ist.
Freilich wird in Borgo nicht nur gewohnt (und dafür gebaut), sondern auch gearbeitet. Zum Ausklang das Foto eines Gebäudes, das aus der Reihe tanzt: eine Wellblechfabrik, Zidnaba Industries, nahe dem Südrand von Borgo gelegen, somit nahe der von Ouagadougou in den Ostteil des Landes führenden Bundesstraße Nr.4.
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Endnoten:
[1] Alle Fotos von mir, Jänner 2023.
[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[3] Etwa die Hälfte aller Burkinabè sind Mossi (Einzahl: Moaga). Ihre Sprache ist das Mooré.
[4] Der Begriff ist insofern irreführend, als er nicht – wie in Indien – auf ein komplexes, hierarchisches System verweist, sondern die Sonderstellung dieser einen Gruppe bezeichnet.
[5] Im offiziellen orthographischen Mooré-Lexikon steht “Baorgo“, Wikipedia meint “Barogo“, ausgesprochen wird in französischem Kontext meist “Bargo“, in Mooré-Kontext meist “Borgo“.
[6] Es gibt auch hybride Lösungen, wo das Fundament und eventuell auch der untere Teil der Mauern en dur ist und erst die Konstruktion darüber in banco.