Foto: Rue de la Corniche, Foto GL 16.7.2021 um 14h21. Eine halbe Stunde vorher hatten sich hier die Autos gestaut.
Günther Lanier, Wien, 4.8.2021
Platz ist in der senegalesischen Hauptstadt Mangelware. Das liegt insbesondere daran, dass Dakar auf einer Halbinsel liegt, eine Expansion nur in die Höhe oder landeinwärts erfolgen kann. Im westafrikanischen Vergleich ist Wohnen hier berüchtigt teuer.
Umso überraschender ist, wie viele Bäume es gibt und darunter viele große und schöne. Ich habe mich erst Mitte Juli in meinem wöchentlichen Artikel mit urbanen Wäldern im südlichen Afrika beschäftigt, wobei der Fokus damals auf der lila Pracht der Jacarandas lag und der Auswirkungen steigender Temperaturen auf die invasiven Bäume, die zumindest im Frühling das Stadtbild dominieren.
In Europa sind “urbane Wälder“ noch nicht lange Gegenstand wissenschaftlicher Bemühungen, zumindest im germanophonen Bereich[1]. Aber freilich haben Bäume schon lange auch innerstädtisch erhebliche Bedeutung – das grüne München fällt mir dazu ein und zu Wien gab’s im Falter vor knapp zwei Jahren einen ausgezeichneten Artikel: “Der Baumversteher“[2].
Ich zeige hier ein paar Fotos aus Dakar, die während meiner Stadtspaziergänge vor etwa drei Wochen entstanden sind, beschränke mich aufs historische Zentrum – das Plateau –, das am Südende der Cap Vert-Halbinsel liegt, also westlich, südlich und östlich vom Meer umspült wird. Dort liegen auch die im letztwöchentlichen Artikel gezeigten Bauten: Präsidentenpalast, Parlament und der Wirtschafts-, Sozial- und Umwelt-Rat.
Hier zunächst ein Foto, wie es eine platzarme Stadt wie Dakar erwarten lässt. Aufgenommen ist es von der Dachterrasse des Hôtel Al Baraka im Herzen der Altstadt, leicht östlich des Sandaga-Marktes, in der Abdoul Karim Bourgi-Straße 35. Und der Blick geht gen Nordwesten – in der Mitte des Fotos, ganz am Horizont, ist bei entsprechender Vergrößerung eine der beiden “Mamelles“ (Zitzen) von Dakar erahnbar – mit Abdoulaye Wades Vorstellung von Kunst darauf, dem furchtbaren Monument der afrikanischen Renaissance.
Im rechten unteren Eck versteckt sich da ein bissl Grün, gedrängt an ein altes, niedriges, dachziegelgedecktes Haus, das schon sehr viel bessere Tage gesehen hat. Sonst dominiert die Betonwüste.
Doch blicken wir auf der anderen Seite von derselben Terrasse, gegen Süden, so erhalten wir einen ganz anderen Eindruck des Zentrums der senegalesischen Hauptstadt.
Und in dieser Richtung liegt auch das französische Kulturinstitut (Institut Français), eine grüne Insel mit einem hübschen Café – aus Sicherheitsgründen heutzutage leider um einiges besser abgeschirmt als in früheren Tagen.
Doch Bäume gibt’s nicht nur rund um die privilegierten Überreste der früheren (oder Neo-?)Kolonialmacht. Während für Autos oft kein Durchkommen ist, ja sogar Mopeds und hin und wieder auch FußgängerInnen warten müssen, bevor an ein Vorankommen zu denken ist, stoßen wir immer wieder inmitten dichtgedrängter Straßen auf Bäume – so dieses Prachtexemplar östlich des Sandaga-Marktes, das seine Umgebung überragt.
Hier derselbe Baum aus der Nähe.
Und nun geht es Richtung Meer, Richtung westlichen Rand des Zentrums. Wenn ich mich nicht täusche, sind die beiden folgenden Fotos aus der Sandiniéry-Straße.
Sandiniéry ist ein Dorf in der Casamance – dem südlichsten Teil Senegals, vom Rest des Landes entlang seiner Nordgrenze durch Gambia getrennt.
Und hier sind wir jetzt an der Küste angekommen – eine Steilküste, wenn auch keine besonders beeindruckende – die hübschen Strände sind anderswo. Wegen der Klippen heißt die Küstenstraße auch “corniche“ (siehe auch das dem Artikel vorangestellte Foto).
Das folgende Foto zeigt eine kleine “Plantage“ – die Kargheit und die Trockenheit des Bodens – in Dakar dauert die Regenzeit von August bis Oktober – scheinen die Bäume nicht zu beeinträchtigen.
Zum Abschluss noch ein Sprung in den südlichen Teil des Plateaus, in die Nähe des Parlaments. Auf den letzten drei Fotos ist noch der 15. Juli. Sehen Sie den unteren Rand der rot-weiß-roten Fahne? Das Foto ist vor der österreichischen Botschaft aufgenommen, die Kamera zielt Richtung Osten.
In der Umgebung gibt es viele Botschaften und so handelt es sich hier freilich um privilegiertes Terrain. Da wundert es nicht, dass Platz für Bäume und anderes Grün ist.
Doch hier – unmittelbar gegenüber dem Eingang der österreichischen Botschaft[5] – fand ich das genügsamste aller Bäumchen von Dakar. Es scheint völlig ohne Erde auszukommen.
Auf der Mauer hinter der Corniche auf dem Foto zu Artikel-Anfang steht “Friede begleitet diejenigen, die dem rechten Weg folgen“[6]. Damit das stimmt, muss es allerdings der “linke“ Weg sein. Wohin der rechte führt, dafür liefern die österreichische und die senegalesische Regierung anschaulich genug abschreckende Beispiele.
* * *
Endnoten:
[1] Vergleiche z.B. Doris Hölling/Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Urbaner Wald – erste Experimente, 27.9.2019, https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/freizeit-und-erholung/urbaner-wald oder Rainer Soppa, ‘Urbane Wälder’: neue Waldformen bereichern die Stadt, 24.10.2018, https://www.forstpraxis.de/urbane-waelder-neue-waldformen-bereichern-die-stadt/ oder das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben (E + E Vorhaben) “Ökologische Stadterneuerung durch Anlage urbaner Waldflächen auf innerstädtischen Flächen im Nutzungswandel – ein Beitrag zur Stadtentwicklung“ (2009-2019), http://www.urbane-waelder.de/.
[2] Birgit Wittstock, Der Baumversteher. Wie sieht Wien aus der Sicht eines Stadtgärtners aus? Eine botanische Erkundungstour mit Landschaftsplaner Gerhard Pledl zu den Schattenspendern Wiens, Falter 41/19 vom 08.10.2019, https://www.falter.at/zeitung/20191008/der-baumversteher.
[3] Die beiden Fotos von der Hotel-Dachterrasse sind vom 15.7.2021. Alle Fotos des heutigen Artikels: GL.
[4] Dieses und die folgenden Fotos sind vom 16.7.2021.
[5] Das gelbe Schild ist am Foto vorher ganz rechts gerade noch im Bild.
[6] Ich habe gender-neutral übersetzt. Im Original: “La paix est avec celui qui suit le droit chemin“.