Von 8. Bis 12. November fand diese Woche das Kunstfestival Muslim* Contemporary im Atelierhaus Prospekthof im 6. Bezirk statt. Ziel der von Asma Aiad kuratierte Ausstellung sowie des vielfältigen Rahmenprogramm ist es, gegen vorherrschende Stereotype anzukämpfen. Dem Team, zu dem unter anderen auch das Anti-Rassismus Volksbegehren und das österreichische Power-Duo EsRAP zählen, ist dies mehr als gelungen.
‘Das hier ist kein Kopftuch’
Muslim*innen die Möglichkeit geben, ihre Alltagsrealitäten selbst zu präsentieren, ist Ziel des Festivals. Die Devise ‘künstlerische Selbstdarstellung statt Fremdzuschreibung’ zieht sich durch die gesamte Kuratierung. Aiad, die auch für das Black Voices Volksbegehren tätig ist, nimmt sich der besonders polarisierenden Frage des Kopftuches an. Spielerisch greift die Konzeptkünstlerin hierbei verschiedenste Kopfbedeckungen auf – vom Nudelsieb bis zum Habit – und hinterfragt dadurch die Grenzen, die zwischen diesen gezogen werden. Insbesondere wer diese Grenzziehungen vornimmt, ist Aiad ein Anliegen in ihrer Arbeit. Dass das Kopftuch und in Folge der weibliche Körper instrumentalisiert werden, um politisches Kleingeld zu machen, zeige sich immer wieder, wenn die sogenannte „Kopftuchdebatte“ erneut aufflammt. Selbstbestimmung und die eigene Auslegung von Symbolen werden durch die Fotografien wieder in den Fokus gerückt.
‚Der Heilige Gral der Integration‘
Eines der Schlagwörter, das in Diskussionen rund um das Kopftuch stets präsent ist, ist ‚Integration‘. Dass dieses Wort für viele, die dazu aufgefordert werden, nicht nur positiv besetzt ist, machen die Illustrationen von Salam Oida deutlich. Dass mit diesem Anspruch oft die Aufgabe der eigenen Identität gefordert werde, sei jedoch nicht das einzige Problem mit dem Begriff der ‚Integration‘, wie in den Illustrationen deutlich wird. Denn selbst wenn der ‚heilige Gral der Integration‘ jemals erreicht werden sollte, blieben äußerliche Merkmale, die als muslimisch gelesen werden. Dass diese immer noch zu stereotypen Zuschreibungen führen können, verwandle Integration in einen Spießrutenlauf, so das Fazit von Salam Oida. Eben von diesen Stereotypen und Orientalisierungen möchte sich die Kuratorin mit Muslim* Contemporary entfernen.
Mehr als Bilder in den Köpfen
Dass diese Stereotype sich in anti-muslimischer Polizeigewalt äußern können, zeigen die künstlerischen Auseinandersetzungen mit der „Operation Luxor“, die sich in diesen Tagen jährt. Die Razzia, in der Einsatzkräfte um 5 Uhr morgens private Wohnungen in ganz Österreich stürmten, hat tiefe Spuren hinterlassen. Wie sehr Familien und Kinder noch immer unter dem damaligen Vorgehen der Polizei leiden, wird auf einfühlsame Weise deutlich. Das Festival macht mit diesen Beiträgen umso mehr greifbar, dass muslimische Communities auch in aktivistischer Arbeit zentrale Beiträge leisten. Dass diese Fragen der Repräsentation hier stets künstlerisch verhandelt werden, zeigt, wie elementar Themen von Identität, Rassismus und Zugehörigkeit sind.
Kann Kunst Gesellschaft verändern?
Dass diese Themen nicht nur dem Festivalteam unter den Nägeln brennen, zeigt die große Nachfrage nach den Angeboten des Rahmenprogramms. Workshops zu Themen wie Talking Back: Rassismus & Widerstand oder Meme the Pain Away waren bald ausgebucht. In der Podiumsdiskussion zur Eröffnung stand die Frage „Kann Kunst Gesellschaft verändern?“ im Mittelpunkt. Verschiebt man den Schwerpunkt der Frage und begreift Kunst als Teil der Gesellschaft, so könnte diese Frage mit einem zögerlichen „Ja“ beantwortet werden. Ausstellungen wie Re:Present oder Muslim* Contemporary nehmen Platz in etablierten Institutionen ein und zeigen, dass Kunst nicht nur etwas für alte weiße Männer ist.
Titelbild: Plakat Muslim* Contemporary Design von @fatimanesibe, Fotografie von @asmaaiad vom Projekt „Das hier ist kein Kopftuch“